Pioniere öffentlicher Wissenschaft

Veröffentlicht: Sonntag, Juli 6, 2008 in OeffentlicherWissenschaftler

Ich bin neulich per Zufall auf ein Buch von Peter Faulstich gestoßen mit dem Titel „Vermittler wissenschaftlichen Wissens. Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft“. In diesem Buch sind verschiedene Biografien von Personen enthalten, die auf unterschiedlichen Wegen öffentlich Wissenschaft betrieben haben, z.B. Anna Maria Sibylla Merian, Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte und Alexander von Humboldt. Natürlich habe ich mir das Buch sofort besorgt. Heute abend hatte ich Gelegenheit, einmal in diesem Buch zu stöbern.

Faulstich schreibt auf S. 15: „Wenn es so ist, dass wissenschaftliches Wissen unsere Gesellschaft bis in alle Poren durchdringt, kann das Betreiben von Wissenschaft nicht nur Angelegenheit der Wissenschaftler bleiben. Das Konzept „Öffentliche Wissenschaft“ stellt sich die Aufgabe gegen reziproke Mythologien: gegen irrationale Ängste einerseits und illusionäre Hoffnungen andererseits Grundstrukturen von Wissenschaftlichkeit zugänglich zu machen, so dass eine angemessene Auseinandersetzung möglichst vieler über Ziele, Mittel, Ressourcen und Konsequenzen von Wissenschaft ermöglicht wird.“

Faulstich identifiziert vier Problemkreise des Verhältnisses von Wissenschaft und Gesellschaft:

  • Das Kommunikationsproblem: Wissenschaft und Gesellschaft verwenden unterschiedliche Sprachen. Für Wissenschaftler verbirgt sich hinter Fachbegriffen eine wohlbekannte Semantik, für Nicht-Wissenschaftler nichts. Aufgabe der Wissenschaftler ist es, ihre Erkenntnisse „zu übersetzen“.
  • Das Komplexitätsproblem: Wissenschaftliches Wissen ist oft komplex, und Wissenschaftler kennen sich mit vielen Details in ihrem Gebiet aus. Ihre Aufgabe sollte es aber sein, grundlegende Strukturen herauszuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
  • Das Partizipationsproblem: Die Öffentlichkeit hat kaum die Möglichkeit, sich am Produktionsprozess wissenschaftlichen Wissens zu beteiligen. Dabei könnten Wissenschaftler und Öffentlichkeit sich wechselseitig durch Anregungen und Ideen voranbringen.
  • Das Selektionsproblem: Zugang zu wissenschaftlichen Arbeitsstätten hat nur ein Teil der Bevölkerung, nämlich Studierende und Mitarbeiter in Hochschulen und Forschungsinstituten. Eine Öffnung des wissenschaftlichen Prozesses nach außen könnte einen weit größeren Teil von Menschen einbeziehen und so die Möglichkeit für vielschichtigere und multiperspektivische Diskussionen schaffen.

Gerade das Web 2.0 bietet meiner Ansicht nach die Möglichkeit, die breite Öffentlichkeit am wissenschaftlichen Diskurs partizipieren zu lassen. Allerdings bietet das Web 2.0 nur die Plattformen an. Aktiv werden müssen die Wissenschaftler. Sie müssen die Plattformen nutzen, um grundlegendes wissenschaftliches Wissen in allgemeinverständlicher Sprache zu kommunizieren, und sie müssen offen sein für die Partizipation von Nichtwissenschaftlern. Genau genommen müssen sie nicht nur offen sein dafür, sondern sie müssen sie anregen und einfordern. Hierdurch könnten die vier von Faulstich genannten Probleme von jedem einzelnen Wissenschaftler persönlich angegangen werden.

Im Buch wird ein weiterer Titel von Faulstich referenziert, den ich mir natürlich auch gleich bestellen musste:“ Öffentliche Wissenschaft“. Ich bin gespannt.

Literatur:

  • Faulstich, P. (2006). Öffentliche Wissenschaft. Bielefeld: transcript Verlag.
  • Faulstich, P. (2008). Vermittler wissenschaftlichen Wissens. Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft. Bielefeld: transcript Verlag.
Kommentare
  1. Öffentliche Wissenschaft und Open Access – das ist m. E. die Gretchenfrage. Wie siehst du das? Wie müsste man die „Relation“ bestimmen?

  2. cspannagel sagt:

    Hallo Michael,

    Open Access ist sicherlich ein ganz wichtiger Punkt, geht mir aber nicht weit genug. Dass Artikel öffentlich zugänglich sind, bedeutet, dass die Produkte des wissenschaftlichen Prozesses öffentlich sind. Ich möchte erreichen, dass mehr und mehr der Prozess selbst öffentlich wird. Dies geht natürlich nur, wenn Wissenschaftler über ihre Arbeit schreiben (bloggen, …). Insofern wäre das vielleicht „Open Access zum wissenschaftlichen Produktionsprozess“. 🙂

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