Heute hatte ich meine erste Veranstaltung in Maputo im Rahmen der Veranstaltung Laboratory on Mathematics and Mathematics Education. Die Veranstaltung findet täglich von 16 Uhr bis 21 Uhr statt. Die Uhrzeit ist so gewählt, weil viele der Studierenden tagsüber arbeiten, unter anderem als Lehrerinnen und Lehrer, und „nebenbei“ den Master machen. In der Round of Introductions habe ich auf das Name Game verzichtet, weil die Teilnehmer sich untereinander schon kannten. Stattdessen habe ich nur das Positioning Game durchgeführt. Ich hatte das Gefühl, die Studierenden waren etwas irritiert, schließlich hat’s ihnen aber augenscheinlich Spaß gemacht. Und Irritation (=Perturbation) ist auch genau das, was ich erreichen wollte. Anschließend haben wir Fermi-Aufgaben behandelt. Anfangs wirkten die Studierenden etwas müde (was aufgrund der Bedingungen auch kein Wunder ist). Die sprachlichen Barrieren haben sich als nicht sonderlich hinderlich erwiesen. Ich glaube, sie verstehen mehr Englisch, als ich am Anfang dachte, und es wird auch flexibel und bei Bedarf hin- und herübersetzt. Das Eis wurde schließlich durch ein aktives Plenum gebrochen, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich habe die Studierenden in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe sollte sich Pro-Argumente für den Einsatz von Fermi-Aufgaben in der Schule überlegen, die andere Gruppe Contra-Argumente. Nach 10 Minuten Vorbereitungszeit habe ich zwei Studierende nach vorne geholt (zum Schreiben und zum Aufrufen, wie man’s beim aktiven Plenum ja macht), und habe die Runde eingeleitet mit „And now: Fight!“ Und dann ging’s los. Es waren (glaub ich) 20 Minuten erhitzte Diskussion, und die Studierenden haben sich richtig ereifert. Ich habe sie übrigens auf Portugiesisch diskutieren lassen, weil ich wollte, dass sie möglichst frei sprechen (Mein Kollege Prof. Cherinda hat mir während der Diskussion immer wieder einiges nebenbei übersetzt). Letztendlich glaube ich, dass die Studierenden dabei wirklich Spaß hatten (ich werde sie aber noch fragen). Anschließend habe ich ihnen noch das Erich-Hammer-Video als Beispiel gezeigt, auf Englisch übersetzt und daran erläutert, wie man die Methode auch im Mathematikunterricht einsetzen kann, und habe ihnen ein wenig über die Neuronenmetapher und Klasse als Gehirn (Jean-Pol Martin) erzählt. Ich finde es toll, dass das aktive Plenum praktisch von alleine gelaufen ist, und durch den Extrakt an der Tafel habe ich auch kontrollieren können, ob alles einigermaßen mit rechten Dingen zuging. Das heißt, das aktive Plenum funktioniert nicht nur mit Verkehrsplanern, sondern auch dann, wenn der Dozent eine andere Sprache spricht. 🙂 Und – auch schon oft erlebt – am Ende standen wesentliche Argumente tatsächlich an der Tafel (Bild 1, Bild 2), von den Studierenden selbst entwickelt und ohne, dass ich irgendwas dazu sagen musste. Hätte ich auch gar nicht können, ich kann ja kein Portugiesisch. 🙂
Letztendlich stand die Veranstaltung (sowohl bzgl. Fermi-Aufgaben und bzgl. aktivem Plenum) unter dem Motto „learning how to think“ und „process-oriented mathematics education“. Bei beiden Themen ging es schließlich darum, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, bestimmte Prozesse durchzuführen wie Problemlösen, Kommunizieren und Argumentieren. (Mir fällt gerade auf, dass ich bislang zu wenig hierüber in meinem Blog geschrieben habe. Prozessorientierte Didaktik ist nämlich mein eigentliches Forschungsgebiet, und in meinem Blog wird das bislang nur indirekt deutlich. Demnächst mehr hier.)
Übrigens war das heute meine erste in Englisch gehaltene Lehrveranstaltung überhaupt. Und ich muss feststellen: Es lässt sich einfach vieles schöner auf Englisch sagen als auf Deutsch (das fällt mir auch immer wieder an englischsprachiger Literatur im Bildungsbereich auf.) Zum Beispiel: This seminar is not only on computers, but on learning philosophies. My goal for this seminar is that we all develop a new perspective on learning and teaching mathematics. Children must see that mathematics is fun, is passion. That there is much to explore and much to discover. […] Computers are just tools, but tools influence our thinking. Because we know computers and what they can to do, we are able to develop new perspectives on learning. […] This seminar is called „laboratory“, so you have to be active. If we were playing football, I would provide you the football field. But you are the football players, and you have to play in order to have fun. Sagt das mal auf Deutsch. Das klingt echt nur halb so gut. (Ist vermutlich auch nur zu 80% richtig, das Englisch, aber das spielt keine Rolle.)
Morgen werden wir mit teaching thinking weitermachen, aber in einem völlig anderen Kontext: Wir werden die Programmiersprache Logo erforschen. Dort geht es nämlich – ähnlich wie im aktiven Plenum – nicht nur darum, das Denken zu lernen, sondern eine Umgebung zu bieten, in der man keine Angst zu haben braucht, Fehler zu machen. Beides also extrem wichtig für Mathematikunterricht. Dabei werde ich auch den Erfinder von Logo und Visionär im One Laptop Per Child-Projekt, Seymour Papert, persönlich zu Wort kommen lassen. Mister Papert, what do you think about teaching thinking?
Hallo 🙂
|
|
|
|
|
|
|
| X |
|
|
|
|
|
| ![]() ![]() ![]()
Wie war dein erster Tag?LG Anne
![]() ![]() ![]()
Hi Du,
Sehr anstrengend – und geil! Es hat alles super geklappt. Ich bin leider jetzt erst zum Mailen gekommen (sorry). Der Kurs ging bis 21 Uhr. Die Studenten sind sehr mitarbeitswillig, sprechen aber nur schlecht Englisch. Von Anfangs waren sie noch sehr zurückhaltend. Dann hab ich aber „Stimmung“ gemacht Außerdem habe ich gemerkt, dass man bestimmte Dinge in Englisch viel besser Ich bin mal auf morgen gespannt. Morgen dürfen sie in Logo programmieren. Ich glaube, Wie gehts dir und Snow? Alles in Butter? Liebe Grüße und gute Nacht, Dein Christian —
|