Zusammenfassung: Wenn Schüler*innen Medienkompetenzen erwerben sollen, müssen Lehrer*innen diese bereits besitzen und haben diese am besten auch im Studium erworben. Wenn Lehramtsstuden*innen Medienkompetenzen erwerben sollen, müssen Hochschuldozent*innen diese bereits besitzen. Wer sieht den Fehler im System?
Heute bin ich eingeladen, bei einer Veranstaltung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg im Rahmen eines Workshops teaching4future beim Runden Tisch „Wissenschaft und Kultur digital@bw“ einen kleinen, fünftminütigen Impuls zum Thema „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ (genauer: im Lehramtsstudium) zu geben. Beginnen möchte ich mit folgendem Dreischritt:
- Vom Ende her gedacht: Die Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft sollten (neben vielen anderen Dingen) auch produktiv und vernünftig mit digitalen Medien umgehen können. Der einzige Ort, an dem eine Gesellschaft systematisch sicher stellen kann, dass die nachfolgenden Generationen medienkompetent heranwachsen, ist die Schule. Den Lehrer*innen kommt hier also eine besondere Bedeutung zu: Sie müssen die Medienkompetenzen besitzen, die sie ihren Schüler*innen vermitteln sollen (idealerweise noch mehr), und zusätzlich benötigen sie mediendidaktische Kompetenzen.
- Der einzige Ort, an dem eine Gesellschaft systematisch sicher stellen kann, dass alle Lehrer*innen medienkompetent sind, ist die Lehramtsaus- und weiterbildung. Obwohl der Erwerb und die Weiterentwicklung von Medienkompetenz natürlich ein lebenslanger Prozess ist, kommt dem Lehramtsstudium eine besondere Rolle zu: Hier werden neben den basalen Theorien und ersten praktischen Erfahrungen auch die grundlegenden Einstellungen und Haltungen gegenüber dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht erworben. Wichtig ist neben den speziellen medienpädagogischen und mediendidaktischen Vorlesungen und Seminaren auch, dass die Studierenden Erfahrungen beim Lernen mit digitalen Medien in nicht-medienbezogenen Lehrveranstaltungen machen, also in den Bildungswissenschaften und den Fächern bzw. Fachdidaktiken: Digitale Medien sind Werkzeuge und können somit in allen Lehrveranstaltungen zum Lernen und Lehren eingesetzt werden – natürlich nur dort, wo es sinnvoll ist. Also müssen alle Dozent*innen, die in der Lehramtsausbildung tätig sind, die Medienkompetenzen und mediendidaktischen Kompetenzen besitzen, die sie ihren Lehramtsstudent*innen vermitteln sollen (idealerweise noch mehr).
- Achtung, aufgepasst, jetzt kommt der kritische Punkt: Wo ist der Ort, an dem die Gesellschaft sicher stellen kann, dass alle im Lehramtsstudium tätigen Dozent*innen medienkompetent sind? Genau: den gibt es nicht wirklich. Es wird ja niemand zum Hochschullehrer ausgebildet. Wie in jedem Studium hängt der Einsatz digitaler Medien vom individuellen Interesse und Engagement einzelner Dozent*innen ab. Das ist extrem unbefriedigend. Der Einsatz digitaler Medien im Lehramtsstudium darf doch nicht auf Zufall und Freiwilligkeit beruhen, sondern muss systematisch und strukturell verankert werden.
Wie soll das gemacht werden? Die Antworten darauf sind nicht einfach, aber vielleicht genügt es auch erst einmal, entsprechende detailliertere Fragen zu stellen:
- Wie kann der Erwerb von Medienkompetenzen und mediendidaktischen Kompetenzen noch stärker im Curriculum des Lehramtsstudiums verankert werden? Problem dabei: Es soll ja nicht nur um entsprechende Inhalte gehen, sondern auch den methodischen Einsatz von digitalen Medien, und Methoden kann man schlechter vorschreiben als Inhalte.
- Wie kann eine Digitalisierungsstrategie der Hochschule dabei unterstützen, digitale Medien im Lehramtsstudium stärker zu verankern?
- Welche Anreizstrukturen können geschaffen werden, um den Einsatz digitaler Medien noch mehr zu motivieren?
- Welche hochschuldidaktischen Fort- und Weiterbildungsstrukturen können aufgebaut werden, um den Erwerb von Medienkompetenzen und insbesondere mediendidaktischen Kompetenzen zu fördern? Problem dabei: Hochschuldidaktische Fortbildungen werden erfahrungsgemäß von nicht so arg vielen Dozent*innen besucht. Ein erster Ansatz könnte vielleicht sein, vermehrt fachbezogene hochschuldidaktische Fortbildungen anzubieten, also beispielsweise ein Workshop zum Einsatz digitaler Medien in Mathematikvorlesungen usw. – das dürfte zumindest die in der Regel eher fachlich als didaktische orientierten Dozent*innen mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit ansprechen.
Ein Kommentar noch am Schluss: Es geht natürlich nicht um Digitalisierung überall und um jeden Preis, sondern den adäquaten Einsatz digitaler Medien. Lehramtsstudent*innen müssen natürlich genauso lernen, mit analogen Medien sinnvoll umzugehen und diese im Unterricht einzusetzen. In medio virtus [1].
Was sind eure Gedanken dazu?
[1] Spannagel, C. (2015). Digitale Medien in der Schule: in medio virtus. LOG IN, 180, 22-27.
Hallo Dunkelmunkel,
es ist ein sehr guter Ansatz. Diese Problematik haben wir in allen Bereichen unseres Bildungssystems. Dein „Unterpunkt“ – Anreizstrukturen beschäftigt meinen Kollegen und mich seit ca. 8 Jahren. Unsere SL sagt immer, dass KuK der analogen Welt genauso guten Unterricht durchführen, wie andere mit dem „neuen“ Zeug. Weiter geht es mit der „Verpflichtung“ zum Umdenken. „Wir können niemanden zwingen sich umzustellen“-O-Ton SL. In vielen Curriculas stehen eigentlich schon diverse verpflichtende Inhalte der digitalen Bildung, aber leider muss sich daran ja keiner halten. Bsp. Musik Lehrplan Klasse 9. „Erstellung von Podcast“ – Da frage ich immer S, ob sie mit diesem Begriff was anfangen können. Woher denn??? Oder in THU der sogenannte „Schulinterne- Medienkundelehrplan“. Mein Sohn hatte in der Klasse 5 und 6 – 3 Stunden MUSIK, weil dort die Medienkundestunde drin lag, an einem Naturwissenschaftlich geprägten Gymnasium wohlgemerkt.
Diese Baustellen werden leider immer größer.
Ich wünsche dir trotzdem viel Glück bei deiner Vorstellung im Ministerium.
VG
Heiko
Hi,
ich arbeite als Educational Technology Coach an einer deutschen Schule im Ausland. Meine Aufgabe ist es, die Lehrer und Lehrerinnen beim Einsatz von neuen Technologien zu unterstützen. Wir planen zusammen, ich bin im Unterricht dabei, übernehme Teile der Stunde oder auch die ganze Stunde. Und versuche so so, die Lehrperson da abzuholen wo sie oder er steht. Solch eine Stelle ist an internationalen Schulen schon weit verbreitet. Warum nicht auch in öffentlichen Schulen? Oder auch an der Universität? So können Dozenten, Studenten, Lehrer und Schüler miteinander lernen.
Guten Morgen Dunkelmunkel
Deine Fragen sind seit Jahren auch meine Fragen. Die PHs in der Schweiz sind nicht einfach Hochschulen oder Universitäten, sondern Fachhochschulen – bedeutet, dass sie eigentlich Fachunterricht lehren müssten. Leider geschieht dies nicht in den PHs, sondern in den Praktika an den Schulen, in Zusammenarbeit mit den PraktikumslehrerInnen.
Seit Jahren verlange ich, dass die PHs von ihren Fachdidaktik-Dozierenden verlangen, dass sie auch digital lehren. Das endet bei mir zum Beispiel in der klaren Forderung, dass alle LehramtsstudentInnen zum Beispiel in den Sprachen übers ganze Studium ein webbasiertes, kollaboratives Sprachlabor unterhalten müssen. Und zwar in doppelter Ausführung! Einmal in Evernote oder OneNote und einmal in einem Multi User Blog System.
Freundliche Grüsse, Beat Rüedi
Du triffst den Nagel auf den Kopf, hart und präzise.
Ein Vorschlag: https://de.slideshare.net/idt2009e4/lambova-projektkompetenz
Hallo Dunkelmunkel,
ich stimme grundsätzlich zu. Jedoch ist die entsprechende Kompetenzvermittlung nicht nur von dem Interesse und der Technik abhängig. An Universität Duisburg-Essen steht Digitalisierung ganz oben auf der Agenda und ich bin im Studium auf jede Gelegenheit angesprungen etwas in dem Bereich zu lernen, so dass ich glaubte gut informiert zu sein. Naja, das Thema lebenslanges Lernen macht mir jedoch einen Strich durch die Rechnung.
Aber ein Großteil meiner KommilitonInnen hatte keine Lust darauf. Am Ende des Studiums konnten sie trotz verschiedener Angebote nicht mit GTR, CAS etc. umgehen, wissen nicht wie Lehrfilme eingesetzt werden können oder geschweige denn wie man ein elektronisches Whiteboard einsetzt, obwohl wir alle Angebote im Studium -entweder im Fach oder durch Zusatzangebote der Lehrerbildung- haben. Aber pptx – das können alle einsetzen…
Also müssen Hochschullehrer nicht nur inhaltliche Medienkompetenz aufbauen, sondern darüber hinaus den Umgang damit motivieren können. Und damit landen wi bei einem grundsätzlichen Problem der Vermittlung…
LG
Mirjam
Nur über die Medienbildungskompetenz der LehrerInnen können SuS Medienkompetenzen im Unterricht erwerben. Deshalb ist der Ansatz und die Umsetzung der Medienbildung über Universität (Lehramtstudiengänge) und Studiensemianar nicht nur sinnvoll, sondern zwingend und sofort notwendig. Allerdings vergessen wir hier den größten Teil der Lehrerschaft; die ganzen „KollegInnen“, die schon im Staatsdienst sind und ohne jegliche Medienbildungskompetenz unsere Kinder mit Kreide und SchwarzWeißKopien analog und teilweise noch behavioristisch unterrichten.
Wer kümmert sich um die?
Der notwendige Change-Prozess als Reaktion auf den Transformationsprozess der Gesellschaft (von der Dienstleistungs- zur Netzwerkgesellschaft) impliziert die mindest genauso notwendige Reform des Lehrens als Reaktion auf die aktuellen Lerntheorien.
Bei der Entwicklung der Lerntheorien befinden wir uns allerdings zur Zeit schon im Übergangsstadium vom Konstruktivismus hin zum Konnektivismus.
Das heißt, dass neben der Reformation des Lehramtsstudiums (1. + 2. Phase) im Hinblick auf die Digitalisierung der Gesellschaft vor allem die Fort- und Weiterbildung reformiert werden muss.
@Dunkelmukel: Die Inhalte des Digitalpakts des Bundes und der Digitalstrategie der Länder (lesenswert) „verpflichten“ die Kultusministerien indirekt unsere Forderungen umzusetzen. Da braucht es eigentich keinen Impulsvortrag mehr 😉
Leider kostet das alles richtig Geld: und das soll in Verkehr (Maut + Straßen), innere Sicherheit (Bundespolizeit + Polizei), Flüchtlingsproblematik, … gesteckt werden.
Dein Ansatz: Lehrerausbildung ist richtig, gut und zwingend, dauert aber zu lange und die Wirkung wird erst zeitverzögernd eintreten. Deshalb beschäftige ich mich gerade mit den Erwartungen von Lehrkräften an Unterstützungsangebote.
Was sind die Erwartungen von Lehrkräften an Unterstützungs- bzw. FoBi-Angebote im Hinblick auf die Digitalisierung in der Schule?
Welches Fortbildungsformat ist zielführend?
Wie muss ein Fortbildungsangebot für Lehrende entwickelt werden, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass LehrerInnen ihre Unterrichtsinhalte / Lehrinhalte digitalisieren?
Was sind die subjektiven Gelingensbedingungen / Erfolgsfaktoren / Erwartungen der LehrerInnen an die Fortbildung unter dem Aspekt, dass Sie einen Nutzen daraus ziehen?
Unter welchen Bedingungen nehmen Lehrkräfte Unterstützungsangebote zum Thema “Medienbildung” an und wie gelingt die Aktivierung einer „digitalen Lehrprozessgestaltung“?
Welche Anreizstrukturen können geschaffen werden, um LehrerInnen für den Einsatz digitaler Medien zu motivieren?
Eure Ansätze: fachbezogene Fortbildungen und gezielte Unterstüzung in Unterricht und Schule helfen mir schon weiter.
Was aber noch brauchen unsere Lehrer, dass Sie sich mit der Digitalisierung des Unterrichts beschäftigen und sich zielführend fortbilden?
Herzliche Grüße
Rainer Wiederstein
Hat dies auf Blog der MoLe Gruppe des Landkreises Limburg-Weilburg rebloggt.
Medien und Bildung sind unabdingbar miteinander verbunden und Lernen muss immer als Bildungsprozess verstanden werden. Dieser Ansatz muss sowohl in der Lehramtsauabuldung als auch an Schulen vermittelt werden. Digitale Medien haben viele Vorteile, die es zu nutzen gilt. An Pädagog. Hochschulen und an Schulen müsste sich die Lehre wandeln in Richtung Lernbegleitung Studietender. An Schulen gehört das Fach Medienbildung.
@all: Dunkelmunkel hat um Februar 2012 also vor mehr als 5 Jahre in seinem Beitrag „Schule 3.0 – Digital total“ (https://cspannagel.wordpress.com/2012/02/12/schule-3-0-digital-total/ )schon „vorausgesagt“ ;-), in welche Richtung sich Schule entwickeln muss! Leid interessierte sich bisher dafür kein Bildungspolitiker 😦
Ich denke, es ist illusorisch, anzunehmen, man könnte alle Hochschullehrer dazu bringen, jeweils auf dem neusten Stand des didaktisch-methodischen Einsatzes digitaler Medien zu sein.
Es reicht aus, wenn Studierende im Laufe ihres Studiums einmal anregenden kompetenten Umgang mit digitalen Medien erfahren. Wenn sie dabei erleben, was für Vorteile der mit sich bringt, werden sie versuchen, das ihrerseits anzuwenden. Wenn nicht, dann verwenden sie nur die Medien, und wir bekommen die Misere, die in der Geschäftswelt mit Powerpoint eingebrochen ist.
Etwas anderes ist die Fortbildung der Lehrer, die sich in der Schule nicht aus privatem Interesse auf den neusten methodischen Stand bringen. Da scheint mir in den letzten Jahren die Schere zwischen der aktuellen Mediennutzung der Schüler und der Kenntnis der Lehrer darüber, wie sie sinnvoll angeleitet werden können, eher auseinander zu gehen. Dafür sind fortlaufende Angebote, auch schulinterne m.E. unabdingbar.
[…] Die Diskussion über die „Digitalisierung im Lehramtsstudium“ dazu auf Facebook und auf Christian Spannagels Website.u […]
Ein Kreislauf der fehlenden Kompetenzen – sicher ist es sinnvoll, an möglichst vielen Stellen „hochzuschrauben“, d.h. Dozent_innen zu unterstützen/motivieren, Studierende, Lehrer_innen und Schüler_innen auch. Methoden verbindlich machen ist an der Uni vielleicht schwieriger, in der Schule gibt es oft ein Methodencurriculum, das ähnlich verbindlich ist, wie das inhaltliche. Schwerer vorzuschreiben und auch zu überprüfen ist es eigendlich nicht. Ich weiß ja auch, ob z.B. Schüler_innen bei der vorher unterrichtenden Lehrer_in eine Software oder ein Medium kennengelernt haben und auch ob sie damit umgehen können oder nicht kann ich feststellen.
Ich erinnere, als Studenten mussten wir bei Dir einen Blog führen, Twitter- und Facebook-Account führen und derweil mehr. Du sagtest damals, als Lehrer müsse man davon Ahnung haben, hinterher könnten wir es ja wieder löschen.
War richtig, richtig gut. Blogge ja heute noch.
Habe leider vor 25 Jahren nicht bei dir studiert. Ich finde deine Argumentation und auch deine Fragen bringen ein Teil der Problematik auf den Punkt. Wenn ich jetzt versuche noch eine andere Sicht anzunehmen und aus Sicht von Schule schreibe (Bin Lehrer (50) an einer Realschule in NRW)
90 Kollegen im Alter von 28 bis 63 sind in den digitalen Medien nicht zu Hause. Ein Computer wird benutzt um Arbeitsblätter zu tippen und anschließend mit Schere und Kleber mit einem lustigen Bildchen zu versehen.Das gilt auch für die ganz jungen KollegInnen. Dieser Zustand ist katastrophal.
In der Hochschule digitale Medien verpflichtend zu unterrichten und Hochschullehrer zur Medienkompetenz zu zwingen ist sicherlich ein Ansatzpunkt das Dilemma anzugehen.
Nach ca. 5 Jahren kommen dann auch die ersten voll Medial ausgebildeten LehrerInnen an die Schulen. Bis es sich sich an den Schulen durchsettz verstreichen nochmals min. 20 Jahre.
Ich glaube schon das auch in Schulen konkret weitere Fortbildungen (nicht nur im Umgang mit Medien) verpflichtend in größerer Zahl durchgeführt werden müssen um der Lage Herr zu werden.
Vieleicht bringt mein Beitrag neue Impulse.
Seit 1985 setze ich Rechentechnik in der Hochschullehre und punktuell auch bei der Praktikumsbetreuung in der Schule ein. Seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts diskutieren wir ob der Bedeutung von Digitaltechnik für den Unterricht allgemeinbildender Schulen, sowohl aus der Sicht der Unterstützung, die diese Technik für die Lernprozesse geben kann, als unter dem Aspekt der entsprechenden Technik als Lerngegenstand.
In diesen einführenden Worten wählte ich bewusst die Begriffe Digital- bzw. Rechentechnik und nicht die allgemeinere Formulierung Digitalisierung um darauf hinzuweisen, dass die materielle gegenständliche Grundlage der Digitalisierung leider im Rahmen der Diskussionen zu Bildung im Rahmen der Digitalisierung zu kurz kommt bzw. nicht hinreichend beachtet wird. Mittlerweile sind wir in dieser Diskussion bei einem diffusen Digitalisierung ist wichtig angekommen. Dass dafür eine gewisse Infrastruktur an den Schulen vorhanden sein muss bleibt mehr oder weniger heutzutage außen vor. Jeder hat schließlich entsprechende Geräte und daddelt auf ihnen in irgendeiner Form herum. Das sollte dann auch für die Schule reichen.
Die Realität sieht so aus: Die Mehrzahl der Schulen in Deutschland verfügt nicht ein WLan. Dort wo sich kein engagierter Lehrer findet, ist der Computerraum der Schule in einem desolaten Zustand. In vielen Schulen kannst du nicht einfach mal so den Beamer nutzen, die Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwie verstellt wurde und nicht funktioniert ist groß. Die Wahrscheinlichkeit, dass beim Einsatz der Digitaltechnik etwas schief geht und den Unterricht nachhaltig negativ beeinflusst ist groß.
Eine Ausweichung auf BYOD im Rahmen der Schule greift zu kurz. Kurz und gut, wenn du Digitalisierung in der Schule ernst nimmst, bedarf es sinnvoller Technik und die Pflege dieser Technik durch Fachpersonal (Systemtechniker), das eigens zu diesem und nur zu diesem Zweck an der Schule eingestellt ist.
Unsere Studentinnen und Studenten sehen die Zustände an den Schulen und haben unmittelbar ein Gefühl der Unsicherheit bezüglich eines sinnvollen Einsatzes von Digitaltechnik in der Schule, der schon aus simplen zeitlichen Gründen nicht einfach durch eigene Schulung aufzuheben ist. Jede Diskussion mit verantwortlichen Bildungspolitikern zur digitalen Bildung ohne die Forderung, nach nach fest eingestelltem technischen Personal für die Infrastruktur der Schulen zu stellen, ist kontraproduktiv. Es ist eine Frechheit, Lehrern bei einer Stunde Abminderung vom Lehrdeputat entsprechende Aufgaben zu übertragen. Jeder der meint, es könnte auch so irgendwie schon gehen, ist ja alles viel einfacher geworden mit den neuen Geräten und jeder hat ja heutzutage die Technik, weiß nicht, was unter Bildung bezüglich der Digitalisierung zu verstehen ist,
Lieber Christian, schau dir nur an, wie es bei uns an der Hochschule mit den IPads aussieht. Wie lange habe ich ohne offizielle Unterstützung rumrödeln müssen, um unsere Convertibles halbwegs einsatzbereit hinzubekommen. (Ich möchte damit nichts gegen unsere Systemtechniker sagen, ich versteh, dass sie nicht noch mehr übernehmen können.) Es ist bis heute nicht möglich, dass in unserem Netz LaTex läuft. Ein Zugriff auf Geogebra-Tube ist von den Rechnern etwa in A236 nicht möglich, wenn man selbst etwas dort ablegen möchte. … Das alles in einer Hochschule. Das stärkt natürlich das Vertrauen der Studentinnen und Studenten hinsichtlich eines Einsatzes von Digitaltechnik an Schulen, die schlechter als wir von Informatikfachkräften betreut werden.
Zusammenfassung: Wer mit verantwortlichen Politikern redet, muss immer darauf hinweisen, dass es Einsatz der Digitaltechnik nicht zum Nulltarif gibt. Das ganze kostet Geld und das muss man auch gewillt sein auszugeben. Die Idee irgendwelche Lehrer könnten nebenbei Technik betreuen, ist eine Frechheit. Das muss man ganz deutlich sagen!
Ein zweiter Aspekt:
Ich fange noch mal vorn an: Das Problem digitaler Medien und Hilfsmittel steht seit den 80er Jahren im Raum. Eine nunmehr schon recht lange Zeit. In dieser Zeit ist es nicht gelungen (Mathe)Lehramtsstudenten hinreichend an die Nutzung von Digitaltechnik heranzuführen. Das ganze nicht mal für Mathematiklehrer. Zumindest für die Mathelehramtsstudenten müssten nun doch hinreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, die zumindest ebendiese Studentinnen und Studenten hinreichend ausbilden. Die Praxis lehrt uns was anderes. Schau dich unter uns Mathekollegen zumindest für die Sekundarstufe um: Alle sind bezüglich des Einsatzes von Digitaltechnik kompetent. Trotzdem verlassen zu viele Mathestudentinnen und -studenten unsere Hochschule als mehr oder weniger digitale Laien. Lieber Christian, es liegt nahe, dass da noch was anderes hinderlich ist, als der von Dir aufgezeigte Kreislauf.
Ein weiterer Aspekt: Echte, tiefgründige Digitalkompetenz zu vermitteln ist ein langwieriger und schwieriger Prozess. Das ist nicht mit Twitter und Blog abgetan. Das erreicht man nicht mit ein, zwei Wikieinträgen. Das erreicht man auch nicht mit ein paar Googlerecherchen in der Lehrveranstaltung und schon gar nicht dadurch, dass man Videos auf YouTube anschaut. Im Rahmen der neueren Diskussionen über digitale Bildung komme ich zumindest zu dem Eindruck, dass man meint, genau das wäre digitale Bildung. (Ich überspitze um zu verdeutlichen.) Da brüsten wir uns mit einer gewissen Rate an technisch veralteten Whiteboard’s deren didaktischer Wert wesentlich geringer ist als man gerne proklamiert. Da wird stochastisches Rumgedaddel auf IPad’s im Unterricht als fortschrittlicher selbiger deklariert. Der Schrei nach digitaler Bildung hat die Stufe von Ideologie erreicht: Digital = fortschrittlich und gut. Jeder digitale Furz in der Bildung wird zur Revolution hochstilisiert. Man wohne nur einmal dem #edchatde zu digitalen Schulthemen bei. Digitale Bildung ist das Gendersternchen der Informatik.
Wenn wir digitale Bildung vermitteln wollen, müssen wir endlich mal sagen was es ist. Mit der Idee der ItG waren wir mal sehr gut dabei, bis dann das Internet für alle kam und aus der eigenen Perspektive relativiert wurde. Heute ist irgendwas mit SocialMedia und Ein- und Ausschalten übrig geblieben. Das kriegen unsere Studenten mit und unsere Kollegen auch. Warum soll ich diesen schwierigen Weg echter Kompetenz dann gehen? Dass wir bis heute noch nicht durchsetzen konnten, dass Informatik ein Pflichtfach ist, sagt alles.
[…] über Digitalisierung im Lehramtsstudium — cspannagel, dunkelmunkel & friends […]
Lieber dunkelmunkel,
dein Beitrag spricht mir aus der Seele und zeigt mir, weshalb sich die Vermittlung von „Bildung in einer digital vernetzten Welt“ (Gesellschaft für Informatik, 2016) in den neuen Curricula in der österreichischen LehrerInnenausbildung (Schlagwort PädagogInnenbildung NEU) nur unter dem Mikroskop finden lässt.
Ich verwende gerne den Spruch „ein Nichtschwimmer kann anderen auch nicht das Schwimmen beibringen, auch wenn er mit den InteressentInnen noch so viele Schwimmlernvideos ansieht“. Wir schreiben das Jahr 2017, Medienbildung wurde bereits in einem Grundsatzerlass aus dem Jahr 2001 als Unterrichtsprinzip eingefordert. Für mich gibt es aber noch eine Menge „digitale Nichtschwimmer“ im Lehrberuf aller Bildungsinstitutionen. Die Freiheit der Lehre und Munition in Form von populärwissenschaftlichen Büchern, wie „Die digitale Demenz“ geben medienresistenten KollegInnen wissenschaftlich belegbaren Nährboden.
Was mich aber am brennendsten interessiert: Wie gehst du mit den von dir beschriebenen Fakten als Prorektor um? Ich vermute mal, dass das Spannungsfeld von Engagement und Machtlosigkeit kein einfaches Betätigungsfeld ist.
Kleine Randbemerkung: Der häufig beschworene Blick über den Tellerrand lohnt sich auch in diesem Fall! In Estland (Digitalisierungsweltmeister, Pisa-Spitzenreiter, …) ist nicht nur die technische Ausstattung an Schulen und Unis beneidenswert – dort spielt das Thema Digitalisierung offenbar auch in der Lehramtsausbildung eine ganz andere Rolle. Was aber vielleicht noch viel entscheidender ist: Die grundsätzliche Einstellung zum Thema ist dort viel weniger skeptisch. Nicht angstbehaftet und ichbezogen („uh, da gibt es viele Dinge, die ich vielleicht (noch) nicht beherrsche“, „das macht nur mehr Arbeit und bringt niemandem wirklich etwas“ usw. usw.), sondern grundsätzlich positiv, neugierig, gemeinschaftlich, spielerisch…
Bei Interesse schaut Euch doch einmal Jens Buchlohs Blogbeitrag & Video zum Thema an: http://www.einfachgutelehre.uni-kiel.de/allgemein/bildung-in-estland. Der Kieler Bildungsforscher war in Estland unterwegs, um herauszufinden, was Deutschland in Sachen Bildungsvermittlung vom nördlichsten Staat im Baltikum lernen kann…
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