Neulich erhielt ich eine Mail von Josef Hutzl. Josef ist Fernfahrer und ist zufällig auf meine Youtube-Videos gestoßen, auch auf eines, in dem ich mal quadriert habe. Er schreibt:
Das brachte mich auf die Idee, bei Ihnen etwas zu hinterfragen. […] Da ich während stundenlanger Nachtfahrten gerne Kopfrechne, habe ich mir einen Rechenablauf zur Kontrolle beim Quadrieren entwickelt. […] Meine Bitte, sehen Sie sich meine Kopfrechenhilfe unten an, und sagen Bullshit oder nicht.
Das alleine finde ich schon mal extrem cool. Man sieht, dass hier Videos aus Mathe-Vorlesungen wesentlich breiter aufgenommen werden als man das vermutet. Auch wenn die Nutzung durch „Nicht-Akademiker“ insbesondere im Kontext von MOOCs kritisch hinterfragt wird (hier sind doch die meisten Teilnehmer Akademiker), zeigt das Beispiel Josef Hutzl, dass der Zugriff auf Youtube-Videos vielleicht niederschwelliger ist und dass diese daher breiter wirken können als dies in MOOCs der Fall ist: Schließlich kann sich die Videos ja jeder „einfach so“ ansehen, ohne sich in einen ganzen Kurs oder ähnliches einschreiben zu müssen. Die Kommentare und Rückmeldungen, die ich auf Youtube erhalte, zeugen jedenfalls davon, dass diese auch von „Nicht-Studenten“ und „Nicht-Akademikern“ angesehen werden. Eine Einschätzung über eine Größenordnung kann ich nicht geben, aber das ist ja letztlich auch egal. Hauptsache, diejenigen Menschen haben Zugriff auf solche Materialien, die sich für Mathe interessieren. Und nicht nur das, sondern es lässt sich auch vermuten, dass überall in der Gesellschaft kleinere und größere Mathe-Genies, Mathe-Freaks und Mathe-Liebhaber rumlaufen, die zwar keinen Zugang zur formalen Hochschulbildung haben, in denen aber ein Potenzial schlummert, dass nun mit einer „Demokratisierung der Bildung“ zum einen mehr ausgeschöpft, zum anderen ein Stück weit öffentlicher wird. Hierzu soll auch dieser Blogartikel einen Beitrag leisten.
Nun aber zurück zum Rechentrick von Josef. Wie kann man beispielsweise 44*44 ausrechnen? Er schreibt:
Mir helfen dabei, wie ich es nenne, Eckzahlen. 1,2,3,4,5,6,7,8,9 ihr 10, 100 und tausendfaches mit sich selbst mal genommen z.B.: 50 mal 50 ist 2500, folglich ist 2500 eine Eckzahl. In diesem Fall eine „obere Eckzahl“ oE, die „untere Eckzahl“ uE wäre in diesem Fall 1600 (40 mal 40). Zwischen 40 und 50 liegen 9 weitere ganze Zahlen (Grundzahlen).Ich addiere die Grundzahl der oE mit sich selbst, im Beispiel (50 + 50 oder 2 mal 50). Diese multipliziere ich nun mit dem Abstand der betreffenden Grundzahl zur Grundzahl der oE, hier 50 minus 44 ist 6 (Abstand), und subtrahiere die Summe von oE, addiere nun das Quadrat des Abstands dazu habe als Ergebnis 1936 oder 44 mal 44.
Wir vollziehen es nochmal an einem anderen Beispiel nach. Nehmen wir mal die Aufgabe 37*37. Somit wäre die obere Eckzahl (nach den Ausführungen von Josef) 40*40=1600. Der Abstand von 37 und 40 ist 3. Wir rechnen 2*40*3 = 240. Schließlich rechnen wir 1600 – 240 + 9, und das ergibt 1369. Und das ist tatsächlich 37*37.
Hier ist eine Aufgabe für meine Studenten:
- Vollziehen Sie das Verfahren von Josef Hutzl an weiteren Beispielen nach.
- Beweisen Sie es.
- Entwickeln Sie auf dieser Basis einen noch einfacheren Rechentrick unter Verwendung der unteren Eckzahl.
Letztlich beruht dieser Rechentrick auf… (nein, ich verrate es hier nicht, um den Studierenden den Beweis nicht zu einfach zu machen.) Nichtsdestotrotz: Ich schlage vor, dass Verfahren ab sofort Josef-Hutzl-Verfahren zu nennen. Einfach weil ich’s toll finde, dass Josef ein mathematisches Verfahren entwickelt hat. Das ist eine großartige Leistung!