Archiv für die Kategorie ‘Maputo’

Über die Dehnung von Geduldsfäden

Veröffentlicht: Donnerstag, Oktober 11, 2012 in Maputo, Uncategorized
Schlagwörter:, , , ,

Die Kurse in Mosambik bescheren mit immer Lehrerfahrungen, die ich nicht missen möchte. In diesem Jahr wurde meine Geduld auf die extreme Probe gestellt, und beinahe wäre mir der entsprechende Faden gerissen. Aber nur beinahe gottseidank.

In diesem Jahr halte ich wieder (wie vor zwei Jahren) den Master-Kurs „Laboratory on Mathematics Education“. Meine Vorgabe (die ich einen Tag vor Abflug erhalten habe) war: Die Studenten sollen lernen, wie man Mathematik mit dem Computer erforscht. Okay, kein Problem, dachte ich mir, nimmste GeoGebra (eines meiner Lieblings-Mathetools) da haste zahlreiche Ideen, was du machen kannst. Kostet auch nix, können die Lehrer in Mosambik überall verwenden.

Und los ging’s. Die Kurszeit: 16 bis 21 Uhr, denn die Studenten arbeiten tagsüber. Dementsprechend müde, abgeschlagen und verspätet kommen sie auch. Der Kurs beginnt eigentlich nie vor 16:20 Uhr. Dieses Phänomen kenn ich schon von meinen anderen Kursen hier. Das ist schon die erste extreme Geduldsprobe für jemanden, der die „deutsche Pünktlichkeit“ gewöhnt ist. Damit komm ich aber mittlerweile ganz gut zurecht. Man sitzt halt da und wartet, bis die ersten Studenten eintröpfeln, irgendwann sind dann 75% da, und dann fangen wir an. Die letzten kommen bis zu zwei Stunden zu spät. Den ersten Kurstag verliert man dabei auch noch, weil am ersten Tag nur ein kleiner Teil der Studenten da ist. Das mag daran liegen, dass der Kurs eine besondere Blockveranstaltung ist und diese Info evtl. nicht gleich bis zu jedem durchdringt.

Zusätzlich störend ist, dass die Studenten immer alle ihre Handys anhaben, es ständig irgendwo klingelt, die Studenten dann rauslaufen und sich teilweise auch nicht scheuen, dabei schon bereits im Seminarraum abzunehmen und zu antworten. SMS hier, SMS da.

Ein weiteres Problem: Die Sprache. Ich spreche Englisch, die Studenten verstehen ein wenig Englisch, können aber zum Teil überhaupt nicht Englisch sprechen (obwohl das eigentlich eine Voraussetzung ist, um überhaupt zum Masterstudium zugelassen zu werden). Mein mosambikanischer Kollege hier ist immer mit dabei und übersetzt Englisch nach Portugiesisch und zurück. Vorträge dauern also immer mindestens doppelt so lange wie normal. Daher habe ich auch meine Vortragsteile minimiert und lasse die Studenten mehr selbst am Rechner ausprobieren, was ja ohnehin sinnvoller ist. (By the way: Ich stelle fest, dass ich in solchen Vorträgen besser auf den Punkt komme. Man hat ja während einer Übersetzung Zeit, sich den nächsten Satz zu überlegen. Die sind dann meistens gestochen scharf. Und weils in Englisch ist, komme ich mir dabei ein bisschen vor wie ein amerikanisches Lehrbuch. Einfache, englische Sätze. Mit einer Aussage. Punkt.) Also auch hier braucht man zusätzlich Geduld. So ein Unterrichtsgespräch dauert einfach ewig mit einem geringen inhaltlichen Ertrag. Immerhin verwendete ich die portugiesische Variante des Programms zur Demonstration, weil es für mich einfacher ist, mich in die portugiesischen Fachbegriffe einzudenken als für die Studierenden in die englischen. Jetzt weiß ich immerhin, was „Speichern“, „Mittelsenkrechte“, und „Spur anzeigen“ auf Portugiesisch heißt.

In diesem Kontext wurde ich in diesem Jahr zusätzlich auf die Geduldsprobe gestellt: Es handelte sich nämlich um eine extrem schwache Gruppe. Man fängt ja ganz naiv an, zeigt GeoGebra, hey, so konstruiert man sich zum Beispiel ein gleichseitiges Dreieck, Strecke, Kreis hier, Kreis da, ist klar, hier Schnittpunkt, fertig. Alles easy, Programm intuitiv, olé olé. Folie mit Aufgaben für die Studenten: Konstruiert doch nochmal das gleichseitige Dreieck, dann ein Quadrat, ein Rechteck, ein regelmäßiges Sechseck und ein regelmäßiges Achteck. Viel Üben, ich kann rumlaufen und helfen. So war mein Plan für die erste Stunde des zweiten (!) Tages. Wir haben allerdings den gesamten zweiten Tag für einen Teil dieser Aufgaben gebraucht.

Beim Rumlaufen merkt man, dass ein Student vor seiner gerade konstruierten Strecke sitzt. Kommt man 5 Minuten später wieder vorbei, sieht man, dass er immer noch davor sitzt. Man geht hin und fragt, ob man helfen kann, er fragt nach dem Kreis, man zeigt ihm kurz nochmal, wie das mit dem Kreis ging. Aha, okay, yes. 5 Minuten  später kommt man wieder vorbei, immer noch nur eine Strecke. Man zeigt es nochmal mit dem Kreis. Währenddessen klingelt sein Handy, kurze Ablenkung, also nochmal. 5 Minuten später kommt man wieder vorbei, und man merkt, wie der Student nochmals beginnt, die Strecke zu konstruieren. So langsam denkt man sich „hä? och nee!“.

Andere Studenten können 20 Minuten vor ihrem konstruierten Dreieck sitzen und nicht auf die Idee kommen, zur nächsten Aufgabe überzugehen. Andere wiederum hatten bereits extreme Probleme bei der Bedienung der Maus. (Man mag meinen, dass liegt daran, dass mosambikanische Studenten vielleicht keinen Zugang zu Computern hätten. Das mag für viele zutreffen, aber nicht für meine Gruppe. Jeder Student hatte seinen eigenen Laptop dabei!) Es ist für die Studenten teilweise schon schwierig, mit dem Mauszeiger einen Punkt anzuklicken. „Right klick here!“ …. „no, here“ …. „no, HERE“…. „ah, no, with the right mouse button“… „right klick“…. „RIGHT!!!“.

Ich musste eigentlich noch nie so oft tief durchatmen wie in diesem Kurs. Ein paar Mal war ich kurz davor, auszurasten und zu brüllen, dass jetzt doch mal bitte alle Handys ausgemacht werden und sich jeder verdammt noch mal konzentrieren soll, diese wirklich einfachen Aufgaben zu lösen.

Wenn man so weit ist, kommt man ins Grübeln. Diese innere Reaktion ist wirklich krass, denn: Natürlich tut man den Studenten unrecht damit:

  • Sie haben einen harten Tag. Abends nach der Arbeit noch ein paar Stunden lang konzentriert geometrische Konstruktionen zu machen ist schon eine Herausforderung. Außerdem sind die Bedingungen sowieso nicht so einfach. Und bei der Infrastruktur hier kann es auch schon mal sein, dass man einfach keine Chance hat, pünktlich zu kommen.
  • Was kann den ein Student dafür, wenn er die Maus noch nicht richtig bedienen kann? Vielleicht hatte er bislang nicht die Möglichkeit, sind intensiv mit Computern zu befassen? Natürlich kann man sagen, dass man auch dieses als Voraussetzung für die Aufnahme eines Master(!)-Studiums begreifen könnte, aber das ist dann ebenso nicht die Schuld dieses einen Studenten, der nun mal jetzt hier studiert.
  • Die Sache mit den Handys ist eine kulturelle Sache. Jeder macht das überall, es wird als normal empfunden, wenn man mitten im Gespräch stoppt und einen Telefonanruf beantwortet (diesen also höher priorisiert als das gerade stattfindende Gespräch).

Also, letztlich könnte man sagen: Dies sind alles meine Probleme, nicht die der Studenten, und meine (verdammte) Pflicht ist es, der Situation angemessen als Lehrperson zu agieren und einen Kurs zu gestalten, der dieser speziellen Gruppe von Studierenden auch etwas bringt.

Am Anfang der zweiten Woche dachte ich, dass ich mit jedem weiteren Kurstag die Wahrscheinlichkeit senke, dass die Studenten dieses Tool überhaupt jemals einsetzen und nicht abgrundtief hassen. Dann hab ich gottseidank die Kurve gekriegt, zur Zufriedenheit der Studenten und auch zu meiner eigenen Zufriedenheit. Ich bin dazu übergegangen, alles in der Gesamtgruppe Schritt für Schritt zu machen (was ich normalerweise überhaupt nicht leiden kann), aber für diese Gruppe war es GENAU das richtige. „Okay, jetzt alle mal eine Strecke konstruieren, und zwar so.“ … (zwei Minuten rumlaufen, schauen, bis es alle haben). „Jetzt konstruiert einen Kreis so….“…. (zwei Minuten rumlaufen, schauen, bis es alle haben). … usw. usw.

Gestern haben wir uns mit Funktionen befasst. Mittlerweile sind wir so weit, dass die Studenten auch selbst neue Programmfunktionalitäten erforschen oder plötzlich Fragen stellen, die sie interessant finden und beantworten wollen. Dies führte gestern zu einem grandiosen Unterrichtsgespräch, in der wir den Einfluss des Parameters b bei einer quadratischen Funktion der Form f(x)=ax²+bx+c untersucht haben: Gemeinsam Hypothesen finden, dann Geogebra-Sheet erstellen, ausprobieren, sich wundern, mmh, die Parabel scheint sich entlang einer weiteren Parabel zu bewegen (zumindest hat die Spur des Scheitelpunkts den Eindruck erweckt). Dann die grandiose Frage eines Studenten: „Wie hängen denn beide Parabeln zusammen?“ Versuch der formalen Lösung gemeinsam an der Tafel, Bestimmung der Funktionsgleichung, dann hinzuzeichnen des Funktionsgraphen in Geogebra und schauen, ob die Spur des Scheitelpunkts darauf verläuft. Volltreffer! Die Studenten happy, ich happy. Die Studenten sind sich einig, dass es sich um ein gutes Tool handelt, und mittlerweile können wir uns auch aus mathematikdidaktischer Sicht damit befassen (Was soll das Ganze?). Natürlich gibt es immer noch große Leistungsunterschiede in der Gruppe, ich habe aber das Gefühl, dass wir gemeinsam einen großen Sprung gemacht haben.

Woran man mal wieder sieht, dass man seine Methodenwahl auch nach der Lerngruppe ausrichten muss.

Morgen gehts wieder nach Hause. Schade.

Werbung

Mozambique uncut

Veröffentlicht: Montag, November 7, 2011 in Maputo
Schlagwörter:, ,

… by Lutz Berger!

Neulich meinte Lutz zu mir: „Komm, wir machen ein Interview über Mosambik…“ – gesagt, getan. Und, das muss ich an dieser Stelle mal deutlich sagen: Lutz, der immer unglaublich viel arbeitet, nimmt sich trotz chronischem überdimensionalem Arbeitsaufkommen die Zeit, um solche Interviews zu drehen, filmisch-kreativ aufzubereiten und schick zu schneiden… Das ist einfach nur grandios! Danke, Lutz!

Fazit meines Kurses in Mosambik

Veröffentlicht: Mittwoch, Oktober 5, 2011 in Forschungsmethodik, Maputo
Schlagwörter:, ,

Der Workshop ist nun vorbei, und mein Aufenthalt in Mosambik neigt sich dem Ende zu. Zeit, ein Fazit zu ziehen, wie ich finde.

  • Alle Studierenden haben nun ein Forschungsthema und eine Forschungsfrage für sich gefunden, und viele haben auch schon ein gutes Stück des Exposés fertig gestellt. Einige der Fragen sind noch zu breit angelegt. Diese dürfen sich aber ohnehin noch in den nächsten Wochen ändern. Für die Problematik an sich sind die Studierenden aber sensibilisiert.
  • Die einfachste Art und Weise, Studierende auf die Unbeantwortbarkeit einer Forschungsfrage aufmerksam zu machen, ist die Frage nach der Methode, wie sie diese beantworten wollen. „What is your research question?“ – „Why do so many students fail in mathematics in secondary school?“ – “Okay. How do you want to answer it?” – “What?” – “How do you want to answer it?” – “I will ask the teachers.” – “Will you then get the reasons, or the teacher’s view on the reasons?” – …
  • Wieder einmal gelernt: Räume viel Zeit für Diskussionen ein. Am letzten Tag des Workshops haben Studierende ihre Frage und die Forschungsmethodik präsentiert, anschließend wurde lebhaft hinterfragt. In 4 Stunden Workshop haben wir 5 Präsentationen gehabt. Das ist nicht besonders viel, was aber zeigt, dass jede einzelne der Präsentationen äußerst kritisch diskutiert wurde. Während der Diskussionen ist mir ein Bild eingefallen, dass ich beim nächsten Workshop dieser Art verwenden werde: Die Zuhörer sollen während der Präsentation die Position eines Detektivs einnehmen. Wo sind mögliche Fehler? Wo steckt der Wurm im Forschungsansatz? Also: Detektivmütze aufsetzen, Lupe in die Hand nehmen und ganz genau hinsehen!

Darüber hinaus sind mir einmal wieder die folgenden Dinge bewusst geworden:

  • Weniger Sorgen machen. Alles klappt irgendwie, auch wenn es nicht eine Woche vorher bereits geplant wurde. DAS kann man wirklich in Mosambik lernen. Morgige Probleme lösen wir morgen, nicht heute. Denn es kann passieren, dass diese Probleme morgen keine mehr sind, weil sich irgendwas im Kontext geändert hat.
  • In Deutschland haben wir viel zu hohe Ansprüche. Wenn in Mosambik mal etwas langsamer geht, dann gedulden sich alle. Wenn hier mal etwas nicht funkioniert, dann macht man es eben irgendwie anders. In Deutschland hätte man längst genörgelt oder sich beim Chef beschwert. Die Menschen in Mosambik haben einfach eine ganz besondere Freundlichkeit den Menschen und dem Leben gegenüber. Ein mosambikanischer Student, der ein paar Wochen in Deutschland war, hat die Deutschen folgendermaßen charakterisiert: „They don’t smile.“ Das spricht Bände.
  • Ein guter Internetanschluss ist lebensnotwendig. 🙂

Darüber hinaus hab ich noch ein paar weitere Medien online gesammelt:

Literatursuche in Mosambik

Veröffentlicht: Montag, Oktober 3, 2011 in Maputo, Uncategorized
Schlagwörter:,

Eine Veranstaltung im Rahmen meines Workshops zum wissenschaftlichen Arbeiten in Mosambik hat sich rund um das Thema „Literatursuche“ gedreht. Wie man sich vorstellen kann, ist es in Mosambik erheblich schwieriger an Literatur zu kommen als anderswo auf der Welt. Die Bibliotheken sind nicht sonderlich gut ausgestattet, und ansonsten ist die Infrastruktur, um an Literatur zu kommen, auch nicht so toll. Hieran sieht man, dass das Internet eine ungeheure Bedeutung für Länder wie Mosambik hat, und dass ein wichtiges Bildungs- und Wirtschaftsziel in diesen Ländern sein muss, die Internet-Infrastruktur auszubauen.

Mit den Studierenden im Workshop haben wir folgende Strategien besprochen, wie man herausbekommt, welche Literatur relevant für das jeweilige Forschungsprojekt ist, und wie man sich diese beschaffen kann. Wie immer in Mosambik ist hier eines gefragt: Pragmatismus.

  • Ask an expert! Die einfachste und schnellste Methode, an Hinweise für grundlegende Literatur in einem Gebiet zu kommen, ist diejenige, einen Experten zu fragen. Expertengehirne sind ungeheuer wertvolle Anzapf-Ressourcen. Wir haben den Studierenden deutlich gemacht, dass sie sich nicht zu scheuen brauchen, einem Experten eine E-Mail zu schreiben. In der Regel fühlen sich Experten nicht belästigt, sondern eher geschmeichelt, und geben gerne Auskunft, wenn man freundlich fragt. Und wenn man in die E-Mail schreibt, dass man ein Student aus Mosambik ist, für den es schwierig ist, an Literatur zu kommen… vielleicht schickt einem der ein oder andere Autor dann auch gleich einen Artikel in digitaler Form zurück.
  • Bibliothek: Okay, logo. In die Bibliothek gehen, Register durchsuchen, in Schränken stöbern. Wer eine Arbeit zu einem bestimmten Thema schreibt, der muss das Bücherregal in der Bibliothek zu diesem Thema in- und auswendig kennen.
  • In Online-Datenbanken suchen: Eine der besten Datenbanken für Literatur im erziehungswissenschaftlichen Bereich ist ERIC. Dort kann man nämlich seine Suche einschränken auf Artikel zu einer bestimmten Schulstufe oder auf Journals, die für bestimmte Leserschaften geschrieben sind (Wissenschaftler(innen), Lehrer(innen), …). Darüber hinaus bekommt man eine Rangliste, welcher Autor zu welchem Thema am meisten veröffentlicht hat (zumindest die Suchergebnisse betreffend), und man bekommt über den Thesaurus auch Hinweise auf weitere nützliche Suchbegriffe. Darüber sind manchmal auch die Artikel als Full Text zu haben – oft allerdings gegen Gebühren. Zumindest beim Suchen ist ERIC aber auch jeden Fall hilfreich. Als weitere Suchmaschine habe ich Google Scholar empfohlen. Hier wird direkt rechts neben dem Suchergebnis angezeigt, wenn dieses als PDF-Datei online steht. Ganz oben wird derjenige Artikel angezeigt, der am meisten in anderen Artikeln zitiert wurde – oft handelt es sich dabei also um wichtige oder zentrale Artikel zu einem Suchbegriff. Darüber hinaus bekommt man wertvolle Hinweise auf weitere Artikel, wenn man auf den „Zitiert von..“-Link unter dem Suchergebnis klickt. Als dritte wertvolle Internetquelle schließlich habe ich Google Books empfohlen. Man kann zu Googles Vorhaben, alle Bücher der Welt zu scannen, stehen wie man will – für die Studierenden hier ist es oft die einzige Möglichkeit, einen Blick in ein Buch zu werfen. Und vielleicht hat man dort ja gerade Einblick in das Kapitel, das für die eigene Arbeit relevant ist.
  • Literaturverzeichnisse: Hat man einmal einen Artikel gefunden und gelesen, finden sich im Literaturverzeichnis dieses Artikels viele weitere Hinweise auf Publikationen, die ihrerseits wiederum Literaturverzeichnisse mit Hinweisen haben usw. Die Anzahl der Literaturhinweise wächst hierdurch exponentiell. Ich bin mir nur nicht sicher, ob die Studierenden verstanden haben, was ich in diesem Zusammenhang mit „snowball system“ meinte… :-).

Tja, und wonach sollte man Ausschau halten?

  • Standardbücher zu einem Thema. Ganz wichtig. Die sollte man kennen.
  • Review-Artikel. Die sind hilfreich, wenn man sich Arbeit sparen möchte: Review-Artikel fassen die Ergebnisse von zahlreichen Studien in einem Bereich zusammen. Man muss also mitunter nicht all diese Studien lesen, sondern nur den Review-Artikel und vielleicht einige ausgewählte Studien, die in diesem Artikel beschrieben werden.
  • Die neueste Literatur. Man muss den aktuellen Stand der Forschung kennen. Das bedeutet, man muss sich um aktuelle Literatur bemühen. Selbstverständlich darf man auch einmal ein ganz besonders wichtiges und zentrales Buch von 1950 einbringen, aber keinesfalls nur oder überwiegend. In diesem Kontext ist es auch hilfreich, sich einfach mal die letzten zehn Bände eines relevanten Journals in der Bibliothek herauszunehmen und diese nach interessanten Artikels zu screenen.
  • Literatur in Portugiesisch UND Englisch: Es ist überall auf der Welt gleich. Studierende vermeiden englischsprachige Literatur. (Okay, nicht überall auf der Welt: in England, in den USA und in Australien zum Beispiel nicht.) Dabei ist es so wichtig, auch englischsprachige Publikationen zu lesen. Ich habe den Studierenden gesagt: „Hey, you are LUCKY guys! You don’t have to write in English. You only have to read it. That means: Nobody knows how long it took you to read an article, and nobody gives you a grade in reading English. You can take your time, and I promise you: you will get used to it.”

Neulich hat mich übrigens wieder Rüdiger besucht (die kleine Eidechse, die ich auch zu Beginn meines Besuchs in meiner Unterkunft gesehen habe und die ihren Namen Herrn Larbig verdankt). Jetzt weiß ich auch, wie sie da reinkommt: durch die Ritze an der Decke. Durch diese Ritze scheinen vermutlich auch die überaus riesigen Spinnen zu kommen…

[Update: Mittlerweile bin ich zu Hause, konnte diesen Artikel uploaden und muss keine riesigen Spinnen mehr fürchten.]

Am Freitag, dem 30. September 2011, habe ich um 15 Uhr einen Vortrag zum Thema „Öffentliche Wissenschaft“ in Maputo. Und toll daran ist, dass die Kollegen hier vor Ort Lust auf Experimente haben. Wir werden versuchen, den Vortrag per ustream ins Internet zu übertragen und einen Twitter-Backchannel einzurichten mit einer Twitterwall, sodass ihr euch von außen auch beteiligen könnt. Das wäre krass, wenn das klappen würde, was? Experimentell ist es deswegen, weil es hier zum Teil schwierige technische Bedingungen gibt. Es ist unklar, ob das Streaming gelingen wird, und ob wir überhaupt Internet haben. Aber, auf einen Versuch kommt es an. Zur Not haben wir vielleicht nur den Twitter-Backchannel und ich versuche, einen Austausch über Twitter zu integrieren.

Also: Es wäre schön, wenn ihr am Freitag, 30. September, 15 Uhr mit dabei wärt (vielleicht in ustream und twitter, vielleicht nur in twitter, je nach dem). Und: Es kann sein, dass wir nicht pünktlich beginnen, also: bleibt entspannt. Und es kann sein, dass gar nix passiert und ihr auch nix von mir hört, weil ich nicht ins Internet komme. Und es kann sein, dass ustream hakt, dann ignoriert das einfach und macht nur über Twitter mit. Lust, bei dem Experiment mitzumachen und vielleicht den Kollegen hier in Maputo über die Twitterwall hallo zu sagen und über öffentliche Wissenschaft zu diskutieren? Dann sag ich mal: „Ciência Aberta no Web 2.0: Construindo redes de aprendizagem com weblogs, wikis, e twitter“. Der Vortrag ist übrigens auf Englisch, nicht auf Portugiesisch :-).

[Update] Ah, ich vergaß: Bei „Open Science in Maputo“ bietet sich der Hashtag #osmaputo an.

Auf der Suche nach einer Forschungsfrage

Veröffentlicht: Freitag, September 23, 2011 in Maputo
Schlagwörter:,

Mein Workshop in Mosambik ist überschrieben mit dem Titel “Research and Scientific Writing in Mathematics Education”. Es nehmen daran ca. 20 Studierende teil, die jetzt damit beginnen, ihre Masterarbeit (Master of Education) zu schreiben. Am Ende des Workshops sollen nach Möglichkeit alle Studierenden ihr research proposal vorliegen haben, zumindest aber eine Forschungsfrage und erste Ideen zur Umsetzung ihres Forschungsprojekts.

Das ist eine extrem spannende und zugleich fordernde Situation für mich: 20 Studierende, die überwiegend nur Portugiesisch und kaum Englisch sprechen (grundsätzlich aber Englisch verstehen, zumindest in Grundzügen), und von denen ein Großteil noch keine Idee hat, was ihre Forschungsfrage sein könnte, soll ich dahin führen, am Ende des Workshops ein research proposal vorliegen zu haben – auf Portugiesisch natürlich. Ein Student hat es gleich zu Beginn des ersten Tages auf den Punkt gebracht: „Teacher! I have no idea for a research question. Can you help me?” – Uffz.

Ich habe damit begonnen ihnen deutlich zu machen, wie wichtig es ist, mit einer Forschungsfrage zu beginnen (und nicht etwa mit der Datenerhebung). Also: Die Forschungsfrage bedingt eine gewisse Forschungsmethode, mit der man Daten gewinnt, die man schließlich analysiert, um mit den Analyseresultaten die Frage zu beantworten. The big question ist aber: Wie kommt man zu einer Forschungsfrage, so ganz am Anfang? Insbesondere dann, wenn man noch überhaupt keine Idee hat?

Manch einer würde behaupten, man leitet sie aus Theorien ab, die man in der Literatur findet. Weit gefehlt. Theorie und Literatur kommen erst an zweiter Stelle zum Tragen. An erster Stelle steht das persönliche Interesse: Welcher Bereich interessiert mich eigentlich? In welchem Feld will ich forschen? Was könnten hier interessante Fragen sein? Ich habe die Studierenden eine Grafik erstellen lassen: Ihr Name in der Mitte, dann drei Äste, an denen „interests“, „experiences“ und „context“ steht. Da das Finden einer Forschungsfrage ein kreativer Akt ist, war Brainstorming angesagt. Sie sollten aufschreiben, welche Dinge sie in ihrem Studium besonders interessiert haben („interest“), welche Erfahrungen sie in der schulischen Praxis bereits gemacht haben („experiences“) und in welchem Kontext sie gerade tätig sind („context“) – viele sind nämlich Lehrende und können unter Umständen ihren Lehrkontext als Forschungsfeld nutzen (so war meine Hoffnung). Ein Beispiel, das ich gezeigt habe, findet ihr hier:

Ich bin überrascht, wie gut das funktioniert hat, und insbesondere deswegen froh, weil ich auf die Problematik des Forschungsfragefindens null vorbereitet war. Die Studierenden waren nämlich zunächst irritiert, dass sie das selbst entscheiden dürfen und nicht etwa der Dozent die Forschungsfrage vorgibt (oder zumindest die Zielrichtung). In diesem Sinne habe ich in diesem Jahr wieder dort fortgesetzt, womit ich im letzten Jahr in Maputo aufgehört habe: Teaching Thinking. Die Studierenden waren auf einmal in eine Situation versetzt, in der sie sich über ihre eigenen Ziele, Interessen und Vorlieben klar werden mussten, um daraus selbst und aus eigener Kraft eine Forschungsfrage zu entwickeln. (Das Ganze geschieht natürlich nicht nur auf dieser persönlichen Ebene, keine Angst – in den nächsten Tagen werden sie Literaturrecherche betreiben und ihre Forschungsfrage schärfen). Ich finde es toll zu sehen, wie die Studierenden hier in solchen Situationen aus sich herausgehen und diese Möglichkeit, selbst kreativ zu werden, wirklich schätzen.

„The most important thing in this phase of the research process is: YOU!“ Manche Dinge lassen sich auf Englisch einfach schöner sagen.

Wichtige Erfahrung: Die ersten Forschungsfragen, die formuliert werden, sind viel zu umfassend und zu breit. Zum Beispiel: „Why do girls in secondary classes have lower grades in mathematics than boys?“ oder “Which methods can be used in classes with over 100 pupils?” Ich habe die starke Vermutung, dass es normal ist, die ersten Fragen so breit zu formulieren. Das ist aber kein Problem, im Gegenteil: Die breiten Fragen haben eher „Weltverbesserungscharakter“ und sind unglaublich motivierend. Ich habe den Studierenden dabei deutlich gemacht, dass es sehr gut ist, wenn sie diese Frage verfolgen, und dass es dabei sinnvoll ist, mit einer kleineren Teilfrage zu beginnen. Weitere Teilfragen, die sich zur Beantwortung der großen Frage summieren, können sie dann nach ihrer Masterarbeit angehen, wenn sie weiterhin Forschung betreiben möchten.

Bei der Formulierung der Fragen ist bereits deutlich geworden, dass sich manche nur schwer beantworten lassen. Zu jeder Frage muss es auch eine wissenschaftliche Methode geben, mit der man die Frage beantworten kann. Daher habe ich gestern einige Forschungsmethoden und –ansätze gezeigt, die keinesfalls trennscharf und auch nicht erschöpfend sind, die sich aber aus den Forschungsfragen der Studierenden ergeben haben: Experiment, Korrelationsstudie, qualitative Studie und schließlich als Forschungsansatz noch Aktionsforschung. Insbesondere für letzteres sind die Studierenden zu gewinnen gewesen: In Mosambik gibt es unzählige konkrete Probleme an Schulen zu lösen. Für Mosambik ist es gewinnbringender, wenn Studierende Aktionsforschungsprojekte an Schulen durchführen und damit einerseits wissenschaftliche Methoden erproben, andererseits aber auch konkrete Probleme lösen helfen, als irgendeine theoretische Popelhypothese mit einem Experiment belegen. Es gibt hier genug zu tun, insofern ermutige ich sie, Aktionsforschungsprojekte durchzuführen. Die Betreuer finden das (gottseidank) auch gut. Die Studierenden hat dies zunächst überrascht: „Wie? Ich darf an meiner Schule in meiner Klasse ein Forschungsprojekt durchführen?“-  „Ja.“

Ja, und das Nachdenken über die Umsetzung des Forschungsprojekts (Welche Methode? Welche Daten wie erheben? Wann? Wo?…) hat einigen Studierenden ganz deutlich gemacht, dass sie ihre Forschungsfrage umformulieren müssen, damit sie beantwortbar wird. Und genau das war der Sinn der Übung.

Es ist wirklich aufregend, hier zu sein. Es gibt Momente, in denen denke ich: „Oh nein, welch Bedingungen, ich will nach Hause!“ Zum Beispiel dann, wenn auf allen Toiletten im ganzen Universitätsgebäude das Klopapier ausgegangen ist. Ach ja – und es auch kein Wasser gibt. Und in anderen Momenten – und das sind mehr – denke ich: „Wie großartig, dass ich hier sein darf – in  Situationen, in denen man sich unsicher fühlt, entwickelt man sich schneller weiter und kommt auf Gedanken und Ideen, die man sonst vermutlich nicht hätte.“ Teaching thinking an mir selbst, sozusagen.

Nachwort im Sinne von „Ach ja!“: Wie gesagt, nicht nur das Klopapier fehlt, sondern oft auch das Internet. Das heißt es kann sein, dass ich erst verzögert antworte. Das sollte euch aber nicht davon abhalten, gleich zu kommentieren! 🙂

Mit Engeln reisen

Veröffentlicht: Donnerstag, September 22, 2011 in Maputo
Schlagwörter:,

Fazit: Weite Reisen geben der Persönlichkeitsentwicklung einen mächtigen Schubs. Mach dir keine Sorgen, alles regelt sich irgendwie. Und: Man kann sich mit jeder Situation arrangieren. Cspannagel auf Expedition – diesmal wieder nach Mosambik.

Kurze Vorbemerkung: Ich habe hier nur selten Internetzugang. In meiner Unterkunft habe ich gar keinen, und an der Universität nur hin und wieder. Insofern sind meine Blogbeiträge leicht verzögert. Dieser hier ist eigentlich von Montag abend. 🙂

Nach einem zweitägigen Trip bin ich nun endlich an meinem Ort der Bestimmung angekommen: Beira, nach Maputo die zweitgrößte Stadt in Mosambik. In Beira werde ich ab Dienstag an der Universidade Pedagógica einen Workshop zum Thema „Research and Scientific Writing in Mathematics Education“ abhalten. (Vielleicht erinnert sich noch jemand: Im letzten Jahr habe ich in Maputo einen Workshop zum Thema Mathematics Education gehalten – wir berichteten.) Der Kurs wird spannend und fordernd zugleich – dazu jedoch ein anderes Mal Näheres.

Eine Reise in ein entferntes Land ist eine persönliche Herausforderung und eine Möglichkeit, die eigene Weiterentwicklung mächtig voranzutreiben. Mir ist aufgefallen, dass es tatsächlich das erste Mal ist, dass ich alleine ins Ausland reise (letztes Jahr bin ich mit einem mosambikerfahrenen Kollegen gereist, das war wesentlich entspannter). Mit einem Rucksack voll Ungewissheiten ist das dann zunächst einmal eine große Belastung. Ich habe es in den Tagen vor der Abreise gemerkt: Ich wurde nervös und wollte gar nicht weg. Schon ein Flughafen ist für mich immer wieder ein Stressort. Ich fühle mich dort so, wie sich die Menschen fühlen müssen, die selten Bahn fahren und dann ganz aufgeregt die anderen Fahrgäste im ICE nach dem Weg zu Wagen 25 fragen. Man fragt sich dann immer, warum die sich so stressen. Naja, auf Flughäfen geht’s mir so. Wie immer die Schuhauszieh- und Schuhanziehprozedur bei der Sicherheitskontrolle (ich muss ja wirklich jedes Mal, wenn ich fliege, meine 15-Loch-Stiefel mit Stahlkappen anziehen – logo, die muss ich ja mitnehmen, aber sie sind zu schwer für den Koffer; ich muss um jedes Kilo kämpfen!) und dumme Sprüche vom Sicherheitspersonal über sich ergehen lassen (zweimal kam die Frage, wie lange ich mir die Haare wohl habe wachsen lassen).

Naja, schließlich und endlich saß ich im Flieger und war zum ersten Mal beruhigt – bis der Text vom Pilot kam: „Sie wundern sich bestimmt, warum wir noch nicht gestartet sind. Wir haben ein technisches Problem, und ich habe keine Ahnung, wie lange dessen Behebung dauern wird.“ Zwei Stunden hat sie gedauert. Das war ein Wahnsinnszufall! Das war nämlich genau die Zeit, die für mich zum Umsteigen in Johannesburg vorgesehen war. Mmmmmh, was gehen einem da die Szenarien durch den Kopf: Was, wenn ich meinen Anschlussflug verpasse? Ich erreiche meinen Kontakt (Prof. Cherinda) in Maputo gar nicht, und er wollte mich doch abholen. Was, wenn mein Gepäck nicht mit mir mitkommt? Am nächsten Tag fliege ich ja dann schon nach Beira, und wenn das nachgeliefert werden muss, hoffentlich schaffen die das so schnell… ach so, ja, ich weiß ja gar nicht, wo genau ich in dieser einen Nacht in Maputo schlafe. Äh, also, Adresse… mmh…. – Dies ist nur ein kleiner Auszug aller möglicher Fälle, die man so in 10 Stunden Flug im Kopf durchspielen kann. Die Stewardess konnte mich aber auch beruhigen, mit einer – wie sich im Nachhinein herausgestellt hat – falschen Antwort: „Ihren Anschlussflug bekommen Sie nicht mehr, aber Sie können einen der nächsten Flüge nach Maputo nehmen. Das Bodenpersonal weiß bescheid.“ Super, immerhin nach Maputo komme ich. Wie ich von dort vom Flughafen dann aber wegkomme – okay, sehen wir dann.

Es gibt Engel. Machmal. Und im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass ich einen persönlichen Engel in diesem Flugzeug hatte. Es war eine etwas ältere Frau, die im letzten Teil des Flugzeugs saß. Jedes Mal, wenn ich zum Klo ging, hat sie mich freundlich angelächelt – fand ich nett, aber irgendwie auch auffällig. Um ca. 9:10 Uhr habe ich das Flugzeug in Johannesburg verlassen, und ab 9 Uhr war Boarding in meiner Maschine nach Maputo, 9:45 Uhr Abflug. In solch einer Situation fragt man sich: Schaff ich das noch? Schaff ich nie im Leben! Wird erwartet, dass ich es versuche? Soll ich es versuchen? Die Stewardess hat aber explizit gesagt: „Nirgendwo hingehen, das Bodenpersonal wegen einer neuen Flugmöglichkeit fragen.“ Diese Gedanken kreisten in meinem Kopf, als ich in den Shuttlebus einsteigen wollte – der aber voll war. Toll, nächsten nehmen, sind ja nur 5 wertvolle Minuten. Als ich dann in den zweiten Bus einstieg, stand zufällig (?) Frau Engel neben mir. Wir kamen ins Gespräch, und sie erzählte mir, dass ihr Flug nach Windhuk um 9:45 Uhr geht, und das Boarding um 9:00 Uhr ist (anderer Flieger, aber zufällig (?) dieselben Zeiten). „Wird Ihr Gepäck durchgecheckt?“ fragte sie mich. „Ja, ich glaube schon.“ – „Dann müsste der Flieger eigentlich auf Sie warten. Die sind verpflichtet, jeden mitzunehmen, dessen Gepäck durchgecheckt wird.“ Im Flughafen angekommen bin ich ihr einfach hinterhergelaufen – zum Bodenpersonal. Dort haben wir uns 30 Sekunden lang brav in die Reihe gestellt („Soll ich mich anstellen? Vordrängeln?“), bis Frau Engel sagte: „Warten Sie hier, ich frage die Frau an der Sicherheitskontrolle.“ 20 Sekunden später: „Kommen Sie, wir dürfen durch und sollen uns beeilen.“ Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Schicksal schon längst in die Hände von Frau Engel gegeben. Ich also zum Sicherheitspersonal. Sicherheitspersonal zu Frau Engel: „Is this your husband?“ – „No, just a similar case.“ – “Okay, come over here.” Sie zeigte, dass ich mich durch die Absperrung durchwurschteln soll und mich einfach ganz vorne in die Schlange zur Sicherheitskontrolle vordrängeln sollte. Tasche aufs Band. „Is this a laptop?“ – „Yes, äh…“ (irgendwie keine Zeit gehabt, den rauszuholen, muss man aber ja normalerweise, war aber scheinbar kein Problem, die Tasche lief so durch.) Dann kurz angefangen, die Schuhe aufzumachen (ihr erinnert euch, 15-Loch…). Von hinten die Stimme von Frau Engel: „Sie sagen, Sie brauchen die Schuhe nicht ausziehen.“ – „Äh, Stahlkappen…“ – „Nein, gehen Sie durch!“ Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich ohne irgendwas abzulegen durch die Sicherheitskontrolle gelaufen. Natürlich hat’s gepiepst. Ich zeige dem Sicherheitsmenschen schnell mein Ticket und meine: „I’m in a hurry!“ Der sagt nur „Run!“, ich schnapp mir meine Laptoptasche und renne los. Hinter mir hechelt Frau Engel, die ebenso durch die Sicherheitskontrolle gekommen ist. „Suchen Sie schnell Ihr Gate!“ Ich schaue auf die Anzeigetafel: „Gate A23“. Ich drehe mich um – und Frau Engel ist weg. Naja, vermutlich ist das bei Engeln so, dass man sich nicht mehr bedanken kann. Vielleicht hat sie auch einfach nur ihr Gate gefunden. Nach einem weiteren gefühlten gerannten Kilometer (A23 ist am anderen Ende des Flughafens!) bin ich in meinen Shuttlebus gestürzt. Eine Minute später fuhr er los. Danke, Frau Engel!

Mein Gepäck war nicht so flink wie ich. In Maputo war es natürlich nicht da. Der Grundoptimismus, der sich bei mir eingestellt hatte („Das wäre jetzt ja noch der Hammer, wenn das Gepäck mit im Flugzeug ist…“), verflog relativ schnell. Bei dem „Lost + Found“-Menschen konnte ich natürlich keine Adresse angeben, also habe ich ihm gesagt, ich melde mich wieder bei ihm. Mein Kollege vor Ort war auch nicht zu sehen (ich habe 30 Minuten bei der Einreisebehörde Schlange gestanden). Ah wie gut, ich hab ja noch eine alte Mosambikanische Handykarte, die lege ich mal in mein Handy ein und… geht nicht. Argh!! Der Rest in Kürze: Kollegen am Flughafen gefunden, später das Gepäck am Flughafen abgeholt. Soweit alles paletti.

Doch das Abenteuer beginnt erst: Mosambik! Wie auch letztes Jahr bin ich fasziniert und erschüttert zugleich: Ein tolles Land – aber unglaublich arm. Die nächste Herausforderung für mich sind somit die Unterkünfte. Letztes Jahr war ich in einem schönen Hotel untergebracht, dieses Jahr in Beira waren keine Hotels mehr frei, daher wohnen wir nun in einer Pension, die für mosambikanische Verhältnisse bestimmt super ist, aus europäischer Sicht aber eher so… mehr… gewöhnungsbedürftig. Man fragt sich, wie hoch die eigenen Ansprüche eigentlich mittlerweile gewachsen sind. Es geht mit viel weniger. Insofern: Erdung. Konfrontation mit anderen Lebensverhältnissen, mit anderen Lebensweisen, mit anderen Lebensinhalten. Das verändert einen. Und ich muss wieder einmal an die Antwort denken, die Otto Herz mir damals nach unserem Bildungsexpeditionsbesuch gegeben hat, als ich ihn fragte, wie man es schaffen kann, so krass anders zu denken wie er es tut. Seine Antwort war: „Expedition!“

[Update: Mittlerweile finde ich meine Unterkunft super! The change takes place…]

Eines der anregendsten Gespräche hatte ich in Maputo mit Prof. Hans Saar. Hans war früher an der PH Leipzig tätig und ist vor einigen Jahren nach Mosambik ausgewandert. Heute ist er Professor für Pädagogik an der Universidade Pedagogica. In unserem Gespräch ging es unter anderem um die Primarlehrerausbildung und den Grundschulunterricht in Mosambik. Man kann sich kaum vorstellen, unter welchen Bedingungen Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen arbeiten. Oft lehren sie in drei Schichten: Morgens unterrichten sie 70 Schüler, mittags kommen die nächsten 70, und abends nochmal 70 andere. Und das alles für wirklich wenig Geld! Es freut mich sehr, dass sich Hans bereit erklärt hat, einen Gastbeitrag über die grundlegenden Entwicklungsprobleme des Bildungswesens in Mosambik zu schreiben. Bitte schön:

Das Bildungswesen in Mosambik hat in den zurückliegenden Jahren mit den verstärkten Anstrengungen der Regierung und der Internationalen Gebergemeinschaft eine vor allem in quantitativer Hinsicht durchaus anerkennenswerte Entwicklung genommen. Ausdruck dessen ist die Politik der Expansion der Bildung in allen Provinzen des Landes, sind konkret der weitere Ausbau des Schulnetzes, die Verbesserung der materiell-technischen Basis der Schulen (auf noch immer niedrigem Niveau), der verbesserte Zugang zur Schule für die Kinder und insbesondere der Mädchen, die schnellere Bereitstellung von Lehrern für die Primarschule durch das Ausbildungsmodell 10 plus 1 etc.. Eingangsprofil zum Studium ist damit zum ersten Mal die 10. Klasse,was positiv zu bewerten ist, da es bisher nur Modelle mit der Eingangsvoraussetzung der 4.-8. Klasse gab. Leider wurde gleichzeitig die Ausbildungszeit auf ein Jahr reduziert, was wiederum die Qualität der Ausbildung beeinträchtigt.
Ein weiteres Problem der mosambikanischen Schule ist die mangelhafte Vorbereitung und Durchführung des sogenannten halbautomatischen Übergangs (eine Politik zur Reduzierung der hohen Sitzenbleiberrate, insbesondere in den ersten Grundschuljahren), welcher unter pädagogischen Aspekten durchaus vertretbar ist und einen wertvollen Beitrag zur Ausbildung der Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens aller Kinder leisten kann. Da der mosambikanische Primarschullehrer sich jedoch als Autorität versteht, wurde ihm damit das Machtmonopol der Zensur teilweise genommen, was für ihn unverständlich war und letztlich zu einer Art indirekten Arbeitsverweigerung führen konnte. Nicht das beabsichtigte Ziel, den Kindern mehr Selbstvertrauen zu geben und Kompetenzen ohne das „Schwert der Zensur“ zu entwickeln, wurde erreicht, sondern eine Degradierung von Qualität, so dass wieder mehr Schüler in Grundschulklassen ohne entsprechende Kenntnisse und Könnensqualitäten angetroffen werden.
Einerseits lassen sich im mosambikanischen Bildungswesen durchaus positive quantitative Entwicklungen feststellen, die jedoch unzureichend qualitativ unterlegt sind. Darin besteht u.E. das grundlegende Problem des mosambikanischen Bildungswesens.
Einer durchaus erfreulichen Entwicklung insbesondere unter quantitativem Aspekt stehen also neue große Herausforderungen gegenüber, wie das folgende Beispiel verdeutlicht. Mosambik verfügt in der Regel über insgesamt genügend ausgebildete Lehrer, wobei dies noch nichts über die Qualität der Ausbildung aussagt, sodass es kaum noch zur vertraglichen Bindung nichtqualifizierter Lehrer kommt. Es gibt bereits die Erscheinung, dass es Wartelisten zur Einstellung für den Lehrerberuf gibt. In den nächsten Jahren müssen qualitative Fragen weitaus stärker in strategische Überlegungen und konkretes Denken in allen Bereichen des Bildungssystems zum Tragen kommen.
Die Sicherung einer besseren und auf die mosambikanische Grundschule bezogenen Lehrerausbildung stellt eine der grundlegenden Herausforderungen dar. Der Weg dahin erfordert ein Umdenken aller Entscheidungsträger im Bildungssektor und für die Pädagogische Universität Maputo, die längst nicht mehr lediglich in Maputo zu Hause ist, sondern in fast allen Provinzen des Landes mit Delegationen vertreten ist, sodass man berechtigterweise von einer Landesuniversität sprechen kann.
Ohne die Schaffung neuer Wissenschafts- und Lehrdisziplinen, die einen engen Bezug zur Grundschule haben, wie die Grundschulpädagogik und –didaktik sowie die spezifischen Didaktiken der in der Grundschule vertretenen Fächer wird es kaum eine grundlegende Verbesserung in der Primarschullehrerausbildung und eine dringend erforderliche Verbesserung der Qualität der mosambikanischen Grundschule geben. Diese Entwicklung ist ansatzweise eingeleitet, und das zu erreichende Ergebnis sollten unter anderem Dozenten an den Primarschullehrer ausbildenden Einrichtungen sein, die wesentlich besser als bisher Lehrerstudenten auf ihre Tätigkeit an der Grundschule vorbereiten, die nicht im Allgemeinen verbleiben, sondern der Spezifik des mosambikanischen Grundschulkindes und einer adäquaten Pädagogik/Didaktik verbunden sind.
Unter anderem mit der Vertiefung der Hochschulkooperation zu deutschen Universitäten und der beabsichtigten Gründung eines Zentrums zur Entwicklung der Grundschule und zur Durchführung von Studien in der Provinz Gaza unternimmt die Pädagogische Universität Anstrengungen sich intensiver qualitativen Fragen der mosambikanischen Grundschule und der Primarschullehrerbildung zuzuwenden.

Resümee der ersten Maputo-Woche

Veröffentlicht: Freitag, Oktober 8, 2010 in Maputo

Ich habe das Gefühl, dass bereits ein Monat in Maputo vergangen ist. Dabei bin ich nicht mal sieben Tage hier. Das Leben hier hat einen ganz anderen, faszinierenden Rhythmus. Ich finde es zum Beispiel schön, dass hier niemand pünktlich ist. Typisch für Maputo ist, dass man sich z.B. um 10 Uhr verabredet. Um 10:30 Uhr kommt der Anruf, dass noch was dazwischen gekommen ist, wir verschieben das Ganze auf 11:30 Uhr. Um 11:45 kommt der Anruf, dass man „gerade unterwegs“ ist. 13:30 Uhr schließlich wird vereinbart, dass man sich um 15 Uhr trifft. Das Treffen selbst findet dann um 15.45 Uhr statt. 🙂 Viele Deutsche würden damit vermutlich nicht gut umgehen können. Ich genieße es. In Deutschland wird das Leben von der Uhr diktiert. Hier, wo niemand Wert auf  Pünktlichkeit legt, empfinde ich die Unpünktlichkeit als Freiheit. Man fühlt sich einfach entspannt. Witzig ist zum Beispiel auch, dass das Seminar „eigentlich“ um 16:00 Uhr beginnt. Um 16:30 Uhr, also dann, wenn 80% der Studierenden da sind, wird begonnen. Bei einer Feedbackrunde haben die Studierenden als positiven Aspekt geäußert, dass wir zeitig beginnen. Glaubt man das?

Die Arbeit mit den Rechnern funktioniert nun, nachdem wir an einem Tag Probleme hatten, mit Laptops ins Netz zu gehen. In einem Raum hatten wir zwar WLAN,  aber 70% der Laptops ließen sich nicht richtig konfigurieren. Also sind wir ins Medienzentrum umgezogen, ein Raum mit ca. 30 Rechnern. Der Raum strahlt an allen Ecken und Enden Pragmatismus aus. Die Rechner funktionieren alle solala, Stecker hängen teilweise aus der Wand, und man nimmt sich einfach ein LAN-Kabel von einem Rechner und  stöpselt es in seinen Laptop, und man ist im Internet (insofern man eine funktionstüchtige Buchse für das  andere Ende des Kabels gefunden hat, also eine, in der der Stecker nicht komplett verschwindet). Nix mit Zugangsdaten oder sowas. Bei den Lautsprechern fehlt die Ummantelung des Steckers, also werden einfach die losen Kabelenden in die Steckdose gesteckt. Alles kein Problem. Es funktioniert. Nur seinen USB-Stick sollte man nicht in die Rechner dort stecken. Einen durfte ich mir komplett formatieren, weil ich mir annährend unendlich viele Viren auf den Stick geholt habe.

Die Studierenden beginnen nun alle, Englisch zu sprechen. Ich habe ihnen deutlich gemacht, dass ich genau so Probleme mit Englisch habe wie sie, und dass es nur darum geht, dass wir irgendwie miteinander kommunizieren. Das aktive Plenum lasse ich komplett auf Portugiesisch durchführen und Punkte an der Tafel festhalten. Anschließend lasse ich mir die Punkte übersetzenund ich muss sagen, einen Teil verstehe ich auch so (mit Latein und Englisch im Hintergrund).

In den letzten drei Tagen haben wir uns intensiv mit Logo beschäftigt: Turtle-Grafik, Modularisierung, Rekursion und teaching thinking. Ich muss sagen, dass ich mich während des Seminars inhaltlich selbst enorm weiterentwickelt habe. Mir war zum Beispiel der starke Bezug zwischen Logo und teaching thinking vorher nicht in dem Maße bewusst. Ich habe dies hier verstärkt wahrgenommen, weil zahlreiche Studierende Schwierigkeiten damit hatten, selbst neue, kreative Ideen zu entwickeln. Einige haben nur die Beispiellösung von der Tafel abgeschrieben, zum Laufen gebracht, haben aber die Hürde nicht geschafft, selbst eigene  Lösungen zu neuen Aufgaben zu entwickeln. Oft höre ich den Satz  „Teacher, this is too difficult.“ (Ich mag die Anrede „Teacher“ irgendwie, die muss ich in Deutschland auch mal einführen :-)), und meine Antwort war: „Okay, this is difficult. You see, the turtle is not doing what you intended. Now, you have to think about that. Rethink your solution.“ Ich muss nochmal in Erfahrung bringen, woran das liegt. Eventuell sind sie mehr gewöhnt, Vorträge zu hören, und weniger, eigene Ideen zu entwickeln. Klar ist mir allerdings geworden, dass es nirgendwo so wichtig ist wie in armen Ländern  Schülern zu helfen, sich zu eigenständigen, kreativen Denkern zu entwickeln – das ist mitunter ihr einziges Kapital. Dies versuche ich den Studierenden, die ja im Bildungsbereich tätig sind oder sein werden, zu vermitteln. Und dabei lege ich Wert darauf zu zeigen, wie man kreatives Denken fördern kann und es sie „am eigenen Leib“ erleben zu lassen. Logo war dazu eine verdammt gute Gelegenheit.

Zum Abschluss  dieses Beitrags noch ein schönes, altes Video von Papert über  Logo, dass es  eigentlich ganz gut auf den Punkt bringt:

Teaching Thinking in Maputo

Veröffentlicht: Mittwoch, Oktober 6, 2010 in Maputo

Heute hatte  ich meine erste Veranstaltung in Maputo  im Rahmen der Veranstaltung Laboratory on Mathematics and Mathematics Education. Die Veranstaltung findet täglich von 16 Uhr bis 21 Uhr statt. Die Uhrzeit ist so gewählt, weil viele der Studierenden tagsüber arbeiten, unter anderem als Lehrerinnen und Lehrer, und „nebenbei“ den Master machen. In der Round of Introductions habe ich auf das Name Game verzichtet, weil die Teilnehmer sich untereinander schon kannten. Stattdessen habe ich nur das Positioning Game durchgeführt. Ich hatte das Gefühl, die Studierenden waren etwas irritiert, schließlich hat’s ihnen aber augenscheinlich Spaß gemacht. Und Irritation (=Perturbation) ist auch genau das, was ich erreichen wollte. Anschließend haben wir Fermi-Aufgaben behandelt. Anfangs wirkten die Studierenden etwas müde (was aufgrund der Bedingungen auch kein Wunder ist). Die sprachlichen Barrieren haben sich als nicht sonderlich hinderlich erwiesen. Ich glaube, sie verstehen mehr Englisch, als ich am Anfang dachte, und es wird auch flexibel und bei Bedarf hin- und herübersetzt. Das Eis wurde schließlich durch ein aktives Plenum gebrochen, wie ich es noch nicht erlebt habe. Ich habe die Studierenden in zwei  Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe sollte sich Pro-Argumente für den Einsatz von Fermi-Aufgaben in der Schule überlegen, die andere Gruppe Contra-Argumente. Nach 10 Minuten Vorbereitungszeit habe ich zwei Studierende nach vorne geholt (zum Schreiben und zum Aufrufen, wie man’s beim aktiven Plenum ja macht), und habe die Runde eingeleitet mit „And now: Fight!“ Und dann ging’s los. Es waren (glaub ich) 20 Minuten erhitzte Diskussion, und die Studierenden haben sich richtig ereifert. Ich habe sie übrigens auf Portugiesisch diskutieren lassen, weil ich wollte, dass sie möglichst frei sprechen (Mein Kollege Prof. Cherinda hat mir während der Diskussion immer wieder einiges nebenbei übersetzt). Letztendlich glaube ich, dass die Studierenden dabei wirklich Spaß hatten (ich werde sie aber noch fragen). Anschließend habe ich ihnen noch das Erich-Hammer-Video als Beispiel gezeigt, auf Englisch übersetzt und daran erläutert, wie man die Methode auch im Mathematikunterricht einsetzen kann, und habe ihnen ein wenig über die Neuronenmetapher und Klasse als Gehirn (Jean-Pol Martin) erzählt. Ich finde es toll, dass das aktive Plenum praktisch von alleine gelaufen ist, und durch den Extrakt an der Tafel habe ich auch kontrollieren können, ob alles einigermaßen mit rechten Dingen zuging. Das heißt, das aktive Plenum funktioniert nicht nur mit Verkehrsplanern, sondern auch dann, wenn der Dozent eine andere Sprache spricht. 🙂 Und  – auch schon oft erlebt – am Ende standen wesentliche Argumente tatsächlich an der Tafel (Bild 1, Bild 2), von den Studierenden selbst entwickelt und ohne, dass ich irgendwas dazu sagen musste. Hätte ich auch gar nicht können, ich kann ja kein Portugiesisch. 🙂

Letztendlich stand die Veranstaltung (sowohl bzgl. Fermi-Aufgaben und bzgl. aktivem Plenum) unter dem Motto  „learning how to think“ und „process-oriented mathematics education“. Bei beiden Themen ging es schließlich darum, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, bestimmte Prozesse durchzuführen wie Problemlösen, Kommunizieren und Argumentieren. (Mir fällt gerade auf, dass ich bislang zu wenig hierüber in meinem Blog geschrieben habe. Prozessorientierte Didaktik ist nämlich mein eigentliches Forschungsgebiet, und in meinem Blog wird das bislang nur indirekt deutlich. Demnächst mehr hier.)

Übrigens war das heute meine erste in Englisch gehaltene Lehrveranstaltung überhaupt. Und ich muss feststellen: Es lässt sich einfach vieles schöner auf Englisch sagen als auf Deutsch (das fällt mir auch immer wieder an englischsprachiger Literatur im Bildungsbereich auf.) Zum Beispiel: This seminar is not only on computers, but on learning philosophies. My goal for this seminar is that we all develop a new perspective on learning and teaching mathematics. Children must see that mathematics is fun, is passion. That there is much to explore and much to discover. […] Computers are just tools, but tools influence our thinking. Because we know computers and what they can to do, we are able to develop new perspectives on learning. […] This seminar is called „laboratory“, so you have to be active. If we were playing football, I would provide you the football field.  But you are the football players, and you have to play in order to have fun. Sagt das mal auf Deutsch. Das klingt echt nur halb so gut. (Ist vermutlich auch nur zu 80% richtig, das Englisch, aber das spielt keine Rolle.)

Morgen werden wir mit teaching thinking weitermachen, aber in einem völlig anderen Kontext: Wir werden die Programmiersprache Logo erforschen. Dort geht es nämlich – ähnlich wie im aktiven Plenum – nicht nur darum, das Denken zu lernen, sondern eine Umgebung zu bieten, in der man keine Angst zu haben braucht, Fehler zu machen. Beides also extrem wichtig für Mathematikunterricht. Dabei werde ich auch den Erfinder von Logo und Visionär im One Laptop Per Child-ProjektSeymour Papert, persönlich zu Wort kommen lassen. Mister Papert, what do you think about teaching thinking?


Hallo 🙂

X

Reply to all
|

Anne Nittmann 

to me

show details 8:41 PM (3 hours ago)
Wie war dein erster Tag?LG Anne
Reply
Forward
Anne is not available to chat
Reply to all
|

Christian Spannagel 

to Anne

show details 11:11 PM (1 hour ago)
Hi Du,

Wie war dein erster Tag?

Sehr anstrengend – und geil! Es hat alles super geklappt.

Ich bin leider jetzt erst zum Mailen gekommen (sorry). Der Kurs ging bis 21 Uhr.
Anschließend musste mein Begleitprof. noch hier und da was schnell einkaufen  (so
ist das hier, die Leute sind sehr… spontan). Um 22 Uhr war ich dann in meinem Hotel,
und bis 22:30 gibts nur Buffet. Also schnell noch was reingepfiffen, und jetzt habe ich
zum ersten Mal Ruhe heute.

Die Studenten sind sehr mitarbeitswillig, sprechen aber nur schlecht Englisch. Von
19 potenziell teilnehmenden waren nur 10 da, manch einer geht früher (also nach
2 Stunden, obwohl der Kurs 5 Stunden geht usw.). All das ist aber normal und
auch verständlich, schließlich arbeiten die ja alle tagsüber. Ach so, wir haben ca.
30 Minuten später angefangen, weil bis zu dem Zeitpunkt nur 4 anwesend waren.
Aber auch das ist normal (bei Laukenmann und Randler wars genauso). Wenn man
diese Rahmenbedingungen akzeptiert und flexibel bleibt, dann hat man Spaß!

Anfangs waren sie noch sehr zurückhaltend. Dann hab ich aber „Stimmung“ gemacht
und sie „angestachelt“, in dem ich eine Gruppe erzeugt habe, die „pro“ Fermi-Aufgaben
ist, und eine, die „contra“ ist. Dann mussten sie sich Argumente für ihre Position
überlegen. Und dann hab ich gesagt: „And now: Fight!“ – und, hey, dann gings richtig
los. Die müden Geister vom Anfang sind zur Hochform aufgelaufen. Ich habe sie in
Portugiesisch diskutieren lassen, und die haben sich alle richtig erhitzt. Das war
krass! Mein Begleitprof konnte mir das alles nur bruchstückhaft übersetzen, und die
Argumente, die von den Studierenden kamen, waren wirklich gold wert. Hätte ich nicht
mit gerechnet. Und ab da waren sie alle voll mit dabei. Richtig gut!

Außerdem habe ich gemerkt, dass man bestimmte Dinge in Englisch viel besser
rüberbringen kann als im Deutschen: „This course is not only about computers, but
on a new learning and teaching philosophy. We have to show  the children that
mathematics is fun, is passion, is full of sense. That there is much to explore, much to
discover.“ Sag das mal auf Deutsch – klingt nur halb so gut. Oder: „This is a laboratory,
you have to be active. If we were playing football, I would provide you the football field.
But you are the players, and you have to play in order to have fun.“ Krass.
Ich sollte auch in HD Vorlesungen auf Englisch halten. :-)))

Ich bin mal auf morgen gespannt. Morgen dürfen sie in Logo programmieren. Ich glaube,
dann hab ich sie komplett. 🙂

Wie gehts dir und Snow? Alles in Butter?

Liebe Grüße und gute Nacht,

Dein Christian


http://www.ph-heidelberg.de/wp/spannagel/
https://cspannagel.wordpress.com
http://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:Cspannagel

Reply
Forward
Anne is not available to chat