Zusammenfassung: Wenn Schüler*innen Medienkompetenzen erwerben sollen, müssen Lehrer*innen diese bereits besitzen und haben diese am besten auch im Studium erworben. Wenn Lehramtsstuden*innen Medienkompetenzen erwerben sollen, müssen Hochschuldozent*innen diese bereits besitzen. Wer sieht den Fehler im System?
Heute bin ich eingeladen, bei einer Veranstaltung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg im Rahmen eines Workshops teaching4future beim Runden Tisch „Wissenschaft und Kultur digital@bw“ einen kleinen, fünftminütigen Impuls zum Thema „Digitalisierung in der Lehrerbildung“ (genauer: im Lehramtsstudium) zu geben. Beginnen möchte ich mit folgendem Dreischritt:
- Vom Ende her gedacht: Die Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft sollten (neben vielen anderen Dingen) auch produktiv und vernünftig mit digitalen Medien umgehen können. Der einzige Ort, an dem eine Gesellschaft systematisch sicher stellen kann, dass die nachfolgenden Generationen medienkompetent heranwachsen, ist die Schule. Den Lehrer*innen kommt hier also eine besondere Bedeutung zu: Sie müssen die Medienkompetenzen besitzen, die sie ihren Schüler*innen vermitteln sollen (idealerweise noch mehr), und zusätzlich benötigen sie mediendidaktische Kompetenzen.
- Der einzige Ort, an dem eine Gesellschaft systematisch sicher stellen kann, dass alle Lehrer*innen medienkompetent sind, ist die Lehramtsaus- und weiterbildung. Obwohl der Erwerb und die Weiterentwicklung von Medienkompetenz natürlich ein lebenslanger Prozess ist, kommt dem Lehramtsstudium eine besondere Rolle zu: Hier werden neben den basalen Theorien und ersten praktischen Erfahrungen auch die grundlegenden Einstellungen und Haltungen gegenüber dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht erworben. Wichtig ist neben den speziellen medienpädagogischen und mediendidaktischen Vorlesungen und Seminaren auch, dass die Studierenden Erfahrungen beim Lernen mit digitalen Medien in nicht-medienbezogenen Lehrveranstaltungen machen, also in den Bildungswissenschaften und den Fächern bzw. Fachdidaktiken: Digitale Medien sind Werkzeuge und können somit in allen Lehrveranstaltungen zum Lernen und Lehren eingesetzt werden – natürlich nur dort, wo es sinnvoll ist. Also müssen alle Dozent*innen, die in der Lehramtsausbildung tätig sind, die Medienkompetenzen und mediendidaktischen Kompetenzen besitzen, die sie ihren Lehramtsstudent*innen vermitteln sollen (idealerweise noch mehr).
- Achtung, aufgepasst, jetzt kommt der kritische Punkt: Wo ist der Ort, an dem die Gesellschaft sicher stellen kann, dass alle im Lehramtsstudium tätigen Dozent*innen medienkompetent sind? Genau: den gibt es nicht wirklich. Es wird ja niemand zum Hochschullehrer ausgebildet. Wie in jedem Studium hängt der Einsatz digitaler Medien vom individuellen Interesse und Engagement einzelner Dozent*innen ab. Das ist extrem unbefriedigend. Der Einsatz digitaler Medien im Lehramtsstudium darf doch nicht auf Zufall und Freiwilligkeit beruhen, sondern muss systematisch und strukturell verankert werden.
Wie soll das gemacht werden? Die Antworten darauf sind nicht einfach, aber vielleicht genügt es auch erst einmal, entsprechende detailliertere Fragen zu stellen:
- Wie kann der Erwerb von Medienkompetenzen und mediendidaktischen Kompetenzen noch stärker im Curriculum des Lehramtsstudiums verankert werden? Problem dabei: Es soll ja nicht nur um entsprechende Inhalte gehen, sondern auch den methodischen Einsatz von digitalen Medien, und Methoden kann man schlechter vorschreiben als Inhalte.
- Wie kann eine Digitalisierungsstrategie der Hochschule dabei unterstützen, digitale Medien im Lehramtsstudium stärker zu verankern?
- Welche Anreizstrukturen können geschaffen werden, um den Einsatz digitaler Medien noch mehr zu motivieren?
- Welche hochschuldidaktischen Fort- und Weiterbildungsstrukturen können aufgebaut werden, um den Erwerb von Medienkompetenzen und insbesondere mediendidaktischen Kompetenzen zu fördern? Problem dabei: Hochschuldidaktische Fortbildungen werden erfahrungsgemäß von nicht so arg vielen Dozent*innen besucht. Ein erster Ansatz könnte vielleicht sein, vermehrt fachbezogene hochschuldidaktische Fortbildungen anzubieten, also beispielsweise ein Workshop zum Einsatz digitaler Medien in Mathematikvorlesungen usw. – das dürfte zumindest die in der Regel eher fachlich als didaktische orientierten Dozent*innen mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit ansprechen.
Ein Kommentar noch am Schluss: Es geht natürlich nicht um Digitalisierung überall und um jeden Preis, sondern den adäquaten Einsatz digitaler Medien. Lehramtsstudent*innen müssen natürlich genauso lernen, mit analogen Medien sinnvoll umzugehen und diese im Unterricht einzusetzen. In medio virtus [1].
Was sind eure Gedanken dazu?
[1] Spannagel, C. (2015). Digitale Medien in der Schule: in medio virtus. LOG IN, 180, 22-27.