Logo ist eine Programmiersprache, die von Seymour Papert am MIT entwickelt wurde, um vor allem Kinder für das Programmieren zu begeistern. Logo ist aber viel mehr als eine Programmiersprache. Logo ist eine Philosophie. Bevor ich aber auf den lerntheoretischen Hintergrund von Logo eingehe, möchte ich zunächst eine kurze Beschreibung des wohl bekanntesten Logo-Elements geben: die Turtle-Grafik (im Deutschen auch Schildkröten-Grafik oder Igel-Geometrie genannt).
Die Kinder steuern ein kleines Dreieck (den Igel), indem sie Befehle wie „vorwärts 100“, „rechts 90“ und ähnliches eingeben. Die hier gezeigte Grafik beispielsweise wurde durch die folgende Befehlssequenz erzeugt:
- vorwärts 100
- rechts 90 (nur Drehen um 90° ohne Vorwärtsbewegung)
- vorwärts 100
- rechts 90
- vorwärts 100
- rechts 90
- vorwärts 10
Kinder können mit Hilfe des Igels versuchen, Figuren zu zeichnen wie beispielsweise ein Quadrat, ein Dreieck, einen Stern, einen Kreis, ein L, ein T, eine Blume usw. Das Schwierige daran ist, dass der Igel ein Objekt mit einer bestimmten Position und einer bestimmten Blickrichtung ist. Position oder Blickrichtung ändern sich aber mit jedem Befehl. Um den Igel korrekt zu steuern, muss man sich also unter Einsatz von Körperwissen in den Igel „hineindenken“. Durch das Programmieren des Igels wird somit das räumlich-visuelle Vorstellungsvermögen geschult.
Die Programmiersprache kennt natürlich noch weitere Elemente wie beispielsweise den Befehl „wiederhole“, um eine Schleife zu programmieren, oder einen Befehl „lerne“, um dem Igel ein neues Kommando beizubringen (Dies entspricht dem Programmieren einer Prozedur). Wichtig ist, dass neue Programmelemente nicht einfach ohne Anlass eingeführt werden. Die Kinder müssen beim Programmieren mit Logo die Notwendigkeit dieser Elemente zunächst erfahren. So werden sie z.B. beim Programmieren eines Quadrats das Bedürfnis haben, bestimmte Befehlssequenzen automatisch zu wiederholen (siehe oben). Oder wenn sie ein Bild aus mehreren gleichen Figuren zusammenbauen wollen, wird das Verlangen nach Prozeduren (also Beispielsweise nach einer Prozedur „quadrat“, die Quadrate zeichnet) auf natürliche Weise hergestellt – man will ja schließlich nicht immer wieder dieselben Befehle eintippen. Möchte man auch noch Quadrate verschiedener Größe zeichnen, so benötigt man automatisch Parameter in Prozeduren usw.
Hinter Logo steht eine gewisse lerntheoretische Grundhaltung, die man Konstruktionismus nennt. Der Konstruktionismus ist eine spezielle Form des Konstruktivismus, in der das Herstellen eines Produkts bzw. eines Artefakts eine zentrale Rolle spielt. Kinder programmieren mit Logo, um z.B. eine bestimmte Figur zu zeichnen. Das Lernen mit Logo zeichnet sich dabei durch folgende Aspekte aus:
- Papert bezeichnet das Lernen mit Logo als learning by making. Dies geht über learning by doing hinaus – es wird gleichzeitig ein Produkt hergestellt. Die Lernanstrengung zahlt sich dadurch aus, dass man am Ende das gewünschte Produkt erhält. Am falsch konstruierten Produkt kann man aber auch Fehler im Denken feststellen (siehe unten).
- Das Lernen in Logo-Mikrowelten ist entdeckendes Lernen. Kinder entdecken beispielsweise selbstständig, wie man ein Fünfeck zeichnen kann – und lernen dabei gleichzeitig etwas über Winkel, das Laufen und Drehen getrennt voneinander betrachtet werden können usw.
- Der Computer ist tutee, nicht tutor. Damit setzte Papert einen Gegenpol zum programmierten Unterricht und der Auffassung der damaligen Zeit, der Computer könne irgendwann den Lehrer ersetzen. Bei Logo bringt nicht der Computer dem Kind etwas bei, sondern umgekehrt. Das Kind lehrt den Computer, das zu tun, was es möchte. Dabei muss es exakt sein – der Computer setzt gnadenlos jeden Denkfehler um.
- Das Lernen mit Logo ist ein Lernen aus Fehlern. Beim Programmieren macht man immer wieder Fehler. Der Igel gibt aber sofort Feedback, dass man etwas Falsches gedacht hat: Die erzeugte Grafik entspricht einfach nicht der gewünschen Zeichnung. Also muss man seine Vorstellung über die gewünschten Igelbewegungen anpassen und einen erneuten Versuch starten. Fehlerhafte mentale Modelle können so aufgrund der visuellen Rückmeldung modifiziert werden.
- Die Lehrperson hält sich mit Instruktionen zurück. Sie berät und ist im klassischen konstruktivistischen Sinne ein „Coach“.
- Die Lehrperson partizipiert im Lernprozess. Wenn Kinder auf Probleme stoßen und die Lehrperson zur Hilfe rufen, dann muss sich diese zunächst in das Programm der Kinder eindenken. Beide – Kinder und Lehrperson – versuchen gemeinsam, den Fehler aufzuspüren.
Im letzten Semester hat ein Teilnehmer im Tagespraktikum Logo in der zweiten Klasse eingesetzt. Das was ein voller Erfolg – die Kinder waren begeistert. Und wir waren überrascht, was die Kinder alles zustande bringen. In der nächsten Woche setzen wir Logo zum zweiten Mal in dieser Klasse ein. Ich bin gespannt, womit uns die Kinder diesmal überraschen werden.
Einige weitere Informationen gibt es im Text What Is Logo? And Who Needs It? von Seymour Papert. Auch einige Teilnehmer meiner Veranstaltung „Computereinsatz in der Schule“ haben interessante Weblog-Artikel zu Logo verfasst: BastisBlog, it’s on my to-do-list, Ludakris Way Of Life, Onkel Toms Webspace, So siehts!, steffenwild, neuer alter blog 😉. Wer Logo einmal selbstausprobieren möchte, kann beispielsweise das System MSWLogo verwenden.