Weiterentwicklung meiner Flipped-Classroom-Vorlesungen

Veröffentlicht: Sonntag, Dezember 23, 2012 in FlippedClassroom

So, nachdem mein letzter Beitrag Flipped Classroom nur ein Übergangsmodell intensiv diskutiert wurde, sind mir zahlreiche Gedanken durch den Kopf gegangen, wie ich meine Veranstaltungen weiterentwickeln könnten. Hier möchte ich mal all diese Ideen aufschreiben und gleichzeitig noch ein paar Missverständnisse ausräumen, die beim letzten Beitrag zu Tage getreten sind.

Es geht mir nicht um den flipped classroom im Allgemeinen, sondern um die Weiterentwicklung meiner spezifischen Flipped-Classroom-Veranstaltung, die einen ganz bestimmten Inhalt für eine ganz bestimmte Zielgruppe hat. Es geht um meine Einstiegs-Mathe-Veranstaltung für Studierende des Grundschul-Lehramts. Ich habe zwar die Vermutung, dass diese Entwicklung, die ich gerade „durchmache“, auch anderen Personen, die den flipped classroom durchführen, widerfahren kann (so ähnlich wie Daniel Bernsen das in einem Kommentar angedeutet hat), aber das muss natürlich jeder für sich selbst sehen.

Darüber hinaus wurde mein letzter Beitrag als Versuch verstanden, ich wolle die Inhalte nach der Methode richten (frei nach dem Motto „Was nicht passend ist, wird passend gemacht.“). Das Gegenteil ist der Fall: Ich will zunächst einmal die Inhalte einer kritischen Überprüfung unterziehen und mich anschließend auf ein geeignetes methodisches Vorgehen einigen. Ich wäre dabei prinzipiell jederzeit bereit, den flipped classroom gegen irgendeine andere Methode auzutauschen, falls er sich nicht mehr als tragfähig erweist (danach sieht es aber gerade nicht aus).

Zu den Inhalten: Ich mache in der Veranstaltung das, was vielerorts mehr oder weniger in den Basisveranstaltungen für Mathematiker enthalten ist. Diesen Kanon habe ich eigentlich unreflektiert übernommen („das macht man so“). Das Gespräch mit Peter hat irgendwie einen Hebel bei mir umgelegt, der bislang verhindert hat, dass ich mir Gedanken darüber gemacht habe, welche Inhalte in der Veranstaltung wirklich wichtig sind. Ich will dabei nicht alle Inhalte ändern, aber ich will alle hinterfragen. Es mag sein, dass das all diejenigen Inhalte wichtig sind, die ich jetzt schon mache. Dies muss aber erst die kritische Überprüfung ergeben.

Eigentlich sind Inhalte das falsche Wort. Ich muss mir über Lernziele klar werden (klarer als bislang und als sie bislang – relativ allgemein gehalten – vom Modulhandbuch vorgegeben werden). Und dabei spielen neben „Inhalten“ insbesondere auch fachwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen, Methoden, Kompetenzen (und wie die Prozessbegriffe alle heißen) eine Rolle. Welche Prozesse möchte ich fördern? Welche Arbeitsweisen sollen die Studierenden erlernen? Letztlich geht es insbesondere um die Anregung mathematischer Erkenntnisprozesse und die Motivierung, selbst Mathematik zu treiben. Und gerade zu diesem „kompetenzorientierten“ Ansatz passt die Methode flipped classroom, wie ich sie bislang eingesetzt habe (nämlich mit Video-Input und anschließendem „Üben“) nicht gut.

Trotzdem ist der erste Schritt „Weg von der traditionellen Vorlesung“ hin zum „Video-Input orientierten Flipped Classroom“ richtig gewesen (und ich würde ihn auch jedem empfehlen, der auf einfache Weise seine traditionelle Vorlesung umstellen möchte). Jetzt kommt für mich in einem zweiten Schritt die Änderung meiner Flipped-Classroom-Veranstaltung mit Video-Input hin zu einem Flipped Classroom, in dem insbesondere Aufgaben der Vorbereitung dienen.

Die Grundidee des aufgabenorientierten flipped classrooms wäre dann: Ich bereite vielfältige offene Aufgaben vor,  mit denen die Studierenden bestimmte Erkenntnisse gewinnen können (oder, konstruktivistischer formuliert: bei denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmte Erkenntnisprozesse angeregt werden). Anschließend kommen sie ins Plenum, bringen ihre (ggf. zum Teil noch unfertigen) Ergebnisse mit, und wir tragen alles gemeinsam zusammen und ordnen das in der Großgruppe entsprechend ein. Anschließend können trotzdem natürlich noch „Übungsaufgaben“ gegeben werden, und es folgen die nächsten Vorbereitungsaufgaben für die nächste Woche. Ähnliche Ideen hatten wir bereits im SAiL-M-Projekt (siehe Abschnitt 3.1), und jetzt fügt sich für mich alles prima im aufgabenorientierten flipped classroom zusammen. Zur Verdeutlichung die Stufenfolge:

  1. traditionelle Vorlesung
  2. videoinput-orientierter flipped classroom (prima, weil sich jeder Student individuell mit dem Input befassen kann, anschließend kann im Plenum gemeinsam darüber diskutiert)
  3. aufgabenorientierter flipped classroom (in meinem Fall besser, weil die Studierenden konkrete mathematische Erfahrungen sammeln können, die anschließend mit ins Plenum gebracht und dort gemeinsam mit den anderen und mir systematisiert und abstrahiert werden können).

Neben der Plenumssitzung gibt es noch von Tutoren betreute Übungsgruppen. In diesen wurde bislang geübt. Jetzt könnten zukünftig die Sitzungen dazu dienen, sich in der Lerngruppe mit den vorbereitenden Aufgaben zu befassen. Tutoren könnten dazu auch Materialien mitbringen, sodass „enaktiv“ bestimmte Situationen untersucht werden können.

Eine weitere Idee: Studierende brauchen in dieser Vorbereitung vermutlich desöfteren Hilfe (help on demand). Diese Hilfe könnte man z.B. mit Videos bereit stellen, auf die nur bei Bedarf zugegriffen werden kann (wie genau das gelöst werden kann, ist eine spannende Frage). Die Videos wären somit nur noch „Input“ bei Bedarf. Und darüber hinaus kann man dann noch Quizze, interaktive Medien und weiteres Material zur Verfügung stellen (vgl. Jürgen Handkes Kommentar).

Dabei handelt es sich allerdings erst einmal um grobe Ideen, die noch ausgearbeitet werden müssen. Insbesondere stellen sich folgende Fragen:

  • Wie erreicht man es, dass Studierende zusätzlich zur Verfügung gestellte Videos wirklich erst ansehen, nachdem sie schon selbst versucht haben, die Aufgabe zu lösen, und nicht gleich von Anfang an?
  • Wie erreicht man es, dass Studierende nicht denken, sie müssten sich mit allen „für den Bedarf zur Verfügung gestellten Videos und Materialien“ befassen? Folgende Frage wird sicherlich kommen: „Muss ich mir die Videos jetzt auch noch alle ansehen?“ – Gemeint wäre aber: „Du musst dich mit allen Aufgaben befassen. Die Videos musst du nur ansehen, wenn du einen Tipp brauchst.“ Das wird für jede Menge Unsicherheit sorgen. Wie könnte man das vermeiden?
  • Und letztlich: Wie passt das zum Prüfungsformat „Klausur“? Peter Baireuther hatte sich äußerst kritisch diesbezüglich geäußert; er macht mündliche Prüfungen. Ich muss letztlich den Faktor „Klausur“ trotzdem immer im Hinterkopf behalten und die Tatsache, dass die Studierenden „klausurorientiert“ denken und dementsprechen auch lernen wollen. Wie kann man dem gerecht werden?

Was meint ihr?

Kommentare
  1. m.g. sagt:

    Wie immer nicht viel Zeit.
    Also nur ein paar Gedanken:

    Mündliche Prüfungen anstellen von Klausuren: Ich bin dabei! Leider wirst Du das bei den Kollegen wahrscheinlich nicht durchkriegen. Ich hätte kein Problem damit, eine ganze Woche zu prüfen. Mit jeden Studierenden wird abschließend ein kurzes Gespräch geführt. Die Studierenden brauchen die Rückkopplung. Viel Arbeit, aber sie lohnt sich. Ggf. wählen die Studierenden Vertreter aus ihrer Mitte, die zur Prüfungskommission gehören. Es sollte jedoch nur derjenige zur Prüfung zugelassen werden, der hinreichende Arbeit an den Übungsaufgaben nachgewiesen hat.

    So schön wie sich der Flipped Classroom anhört, er ist nicht wirklich bzw. nicht in seiner reinen Form für die Vermittlung von Mathematik an der PH geeignet. Unsere Studierenden haben in der Regel nicht gelernt mathematisch zu arbeiten. (Liebe Studierende, das ist kein Vorwurf an Sie.) Vorlesungen in ihrer reinen Form helfen wenig ob man sie sich auf Video ansieht oder nicht.

    Mathematik lernen bei Novizen (und unsere Studierenden sind in der Regel mathematische Novizen): vom Konketen zum Abstrakten, also viele, viele Beispiele und dann irgendwann die Frage, was wir da eigentlich gemacht haben. Das kann dann durchaus die Idee der vollständigen Induktion sein, wäre für die Primarstufe (im Ländle) jedoch nicht zwingend nötig.

    Vergiss die ganzen modernen Begriffe (Kompetenz und dergleichen), es sind leere Worthülsen die nur noch ideologisch verwendet werden.

  2. Nicht, dass wir uns falsch verstanden haben (ich fürchte das), die Gefahr der, Inhalte an die Methode anzupassen, stellt sich immer generell — das Problem stellt sich bei Deinen Überlegungen aber nicht. Da der vierte Advent in Familie gefeiert wird, kann ich nur kurz etwas zu Deinen Fragen sagen:

    1. Wie erreicht man es, dass Studierende zusätzlich zur Verfügung gestellte Videos wirklich erst ansehen, nachdem sie schon selbst versucht haben, die Aufgabe zu lösen, und nicht gleich von Anfang an?
    2. Wie erreicht man es, dass Studierende nicht denken, sie müssten sich mit allen “für den Bedarf zur Verfügung gestellten Videos und Materialien” befassen? Folgende Frage wird sicherlich kommen: “Muss ich mir die Videos jetzt auch noch alle ansehen?” – Gemeint wäre aber: “Du musst dich mit allen Aufgaben befassen. Die Videos musst du nur ansehen, wenn du einen Tipp brauchst.” Das wird für jede Menge Unsicherheit sorgen. Wie könnte man das vermeiden?

    Einfach gesagt, kompliziert gemacht — ich würde ein zweites Bewertungssystem einführen, das aber den Studierenden nur zur eigenen Kontrolle dient und rückwärts gezählt wird. Beispiel? In der „Professor Layton“-Reihe (erfolgreich auf Nintendos DS und 3DS) sammelt man goldene Münzen und muss für jeden Tipp zur Lösung eines Rätsels eine Münze geben. Das System könnte man adaptieren: Nehmen wir an, es gäbe 30 Aufgaben zu lösen, dann könnte man 30 Credits verteilen. Beanspruchen die Studierenden Hilfe (z.B. via Mail-Formular), schaltet man für Sie ein YT-Video frei (privat, nur via Einladung per Mail). Das ist jetzt ein etwas umständlicher Workaround, der sich sicher mit etwas technischer Unterstützung effizienter gestalten lässt.

    In der Endabrechnung ist dann nicht nur wichtig, wie viele Aufgaben gelöst wurden, sondern wie viele Credits dafür verwendet wurden — eine anonymisierte „Rangliste“ stachelt dann möglicherweise auch den Ehrgeiz an. Da die meisten Deiner Studierenden (video-)spielaffin sein dürften, liegt die Vermutung nahe, dass sie mit einer solchen „Highscore“-Liste etwas anfangen können.

    3. Und letztlich: Wie passt das zum Prüfungsformat “Klausur”? Peter Baireuther hatte sich äußerst kritisch diesbezüglich geäußert; er macht mündliche Prüfungen. Ich muss letztlich den Faktor “Klausur” trotzdem immer im Hinterkopf behalten und die Tatsache, dass die Studierenden “klausurorientiert” denken und dementsprechen auch lernen wollen. Wie kann man dem gerecht werden?

    Eine Klausur hat ggü. mündlichen Prüfungen ja auch nicht zu unterschätzende Vorteile. Wenn die Aufgaben, die zur Übung verwendet werden, denen der Klausur adäquat sind, sehe ich da grundsätzlich keine Schwierigkeit, auf das Format zu setzen. Anders gewendet könnte man nämlich fragen: Wie stelle ich in mündlichen Prüfungen sicher, dass die Studierenden die ganze Breite des erworbenen Wissens zeigen können?

  3. Kathrin sagt:

    doch, da gibt es etwas. Moment. Ich poste Dir das mal auf die Pinnwand, weil ich hier keine Bilder einfügen kann, denke ich.
    Das System bei udacity (zumindest der Kurs den ich gerade durchmache) ist folgendes: kurze Videos und dann ein Quiz als Lernzielkontrolle, das erst dann, wenn zumindest eine Lösung eingegeben wurde (auch wenn sie falsch war) das Video mit der Erklärung freischaltet.

  4. Reblogged this on Sprachpunkt und kommentierte:
    Christian Spannagel setzt die Diskussion um den „Flipped Classroom“ fort. Nach der Frage, ob für ihn und die Einführungsvorlesung in die Grundlagen der Mathematik der „Flipped Classroom“ nur ein „Übergangsmodell“ sei (http://goo.gl/9VGPp), stellt er nun eine Modifikation seiner Methode vor und zur Debatte.

    Die Diskussionen zu beiden Artikeln sind auch für das Format von Relevanz, welches ich im Moment in der „Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft“ austeste, weshalb ich sie hier gern weiterempfehlen möchte.

  5. Peter Baireuther sagt:

    Nur ganz kurz:
    Video-Input ist sicher eine gute Möglichkeit, um Studierende anzuregen, sich auf das Sammeln von mathematischen Erfahrungen einzulassen (auch wenn ich es genieße, wenigstens punktuell auch gleich mit der ganzen Gruppein die Arebit einzusteigen und gleich noch ein paar Anregungen nachzuschieben).
    Unverzichtbar ist aber m.E. eine (zeitlich umfangreiche) Phase des Austauschs während des Prozesses der aktiven Auseinandersetzung – nur so können (Lehramts-)Studierende lernen, was sie in der Schule in aller Regel nicht gelernt haben: mathematische Gedanken und Prozesse angemessen zu beschreiben (d.h. nicht nur vorgefertigte Sprachelemente auf Verdacht bzw. nach Vorschrift abzusondern), sich mit verschiedenen Sichtweisen auseinanderzusetzen und um wirkliche Verständigung zu ringen. Nicht umsonst ist Mathe-Unterricht viel zu oft von kollektiver Sprachlosigkeit geprägt.
    Diese Phase kann mindestens ich im Plenum nicht realisieren, da braucht es einen „geschützten“, wenn auch begleitenden Raum, der nicht mit den klassichen Übungen verwechselt werden kann. Damit hängt auch mein Verdikt gegen Klausuren zusammen – mindestens im Kontext von Veranstaltungen, in denen es um das Sammeln, Strukturieren und Dokumentieren von mathematischen Erfahrungen sowie um die Kommunikation darüber geht.
    Also: Flipped classroom muss in diesem Fall m.E. durch Komponenten erweitert werden, in denen „in echt“ und in kleinen Gruppen über Mathe kommuniziert wird. Und da kann ich mir nicht vorstellen, wie so etwas online funktionieren soll.

  6. @Peter Baireuther: Setzt man die Lernziele derart an, ist die Vorlesung dafür evtl. dafür der falsche Ort — auch wenn man diese auflockert durch andere methodische Zugänge. Für metakommunikative Zugänge zum Thema (und den Austausch über Problemlösungsstrategien) ist die münfliche Prüfung dann sicher auch zu spät, wenn man vorher nicht über elementare Herangehensweisen diskutieren konnte. Wenn die Vorlesung als Format erhalten bleiben soll, dann ist das eventuell über ’nach außen geschützte‘ Tutorien möglich?

  7. Oliver Tacke sagt:

    Bin mir nicht sicher, ob ich dir gegenüber den Begriff „Just-in-Time Teaching“ schon einmal erwähnt habe, das in den 90ern in der Physik aufkam, siehe etwa http://en.wikipedia.org/wiki/Just_in_Time_Teaching

    Lernende bekommen in diesem Modell ebenfalls Aufgaben vor einer Veranstaltung – ob das nun „Video schauen“ oder „Thema erkunden“ ist. Es schließt sich daran eine Self-Assessment-Phase an, die mit bestimmter Frist vor der Veranstaltung endet und typischerweise online stattfindet. Die Lernenden erhalten dadurch Rückmeldung, wo sie in etwa stehen. Das kann ein Multiple Choice Test sein, der bei gut gestellten Fragen das Verständnis von Konzepten prüft, das kann aber auch das Führen eines Beweises sein, für den man typischerweise die vollständige Induktion benötigt. Die Antworten sind den Lehrenden online schon vor der Veranstaltung zugänglich, so dass gezielt auf besondere Probleme eingegangen werden kann oder nur angenommene Probleme ausgelassen werden können (daher – nicht ganz korrekt – Just-in-Time). Zu diesem Zweck dürfen natürlich online auch Schwierigkeiten von den Lernenden konkret benannt werden. Die Motivation entsteht daraus, dass die Vorarbeit der Lernenden nicht „für die Katz“ ist, sondern ihnen tatsächlich genau dort geholfen wird, wo es hakt.

    Problematisch dürfte für dein Vorhaben aber sein, dass dieses Konzept (wie im „normalen“ Flipped Classroom) einen Takt vorgibt, der nicht unbedingt zum Entdecken passt. Du suchst ja eher etwas, was dem Flipped-Mastery Classroom (Bergmann/Sams) entspricht, aber die Videos durch andere Aufgaben ersetzt.

    Egal, „Novak et al. (1999): Just-in-Time Teaching: Blending active Learning and Web Technology“ kannst du dir im Januar hier abholen, falls du Bedarf hast 🙂

    Soviel zu Just-in-Time, Schluss damit. Du suchst speziell zu „help on demand“ noch in der vorgeschalteten Phase.

    Meine erste Idee war auch die, die Alexander hatte: Stelle Aufgaben so, dass zur Lösung die Videos zwar Tipps beinhalten, aber nicht den Lösungsansatz beschreiben oder darstellen. Weiter ging es dann mit: Stelle ein Problem, das gelöst werden muss und bei dem mehrere Konzepte/Verfahren/… benutzt werden müssen – aber nicht klar ist, welche. Das wäre wieder die Ecke Problemorientiertes Lernen, die ich im letzten Beitrag schon angesprochen habe. Es würde dann wenig helfen, sich alle Videos reinzuziehen, bevor man nachgedacht hat. Wenn man jedoch eine Idee hat, dann könnte ein Video noch den entscheidenden Kniff liefern. Wenn sich Lerngruppen finden, können sie sich auch aufteilen, „spezialisieren“ und dann zusammen an einer Lösung arbeiten. Möglicherweise ist die Lösung auch nicht auf eine Woche veranschlagt, sondern auf drei (wenn’s gut läuft, auch mal mehr). In den Präsenzveranstaltungen könnte dann „laut gedacht“ werden. Die bisherigen Gedanken zur Lösung könnten ausgetauscht werden, du kannst Hilfestellung geben, usw. Kann mit dem Aktiven Plenum geschehen, kann aber auch anders aussehen.

    Zunächst dachte ich, hmm, das ist blöd, wenn jemand nach drei Tagen tatsächlich das Problem löst, was macht der die restlichen 2,5 Wochen in den Präsenzveranstaltungen? Aber warum sollte er a) nicht zu Hause bleiben und die Zeit anders nutzen, wenn er wirklich so fit ist oder warum sollte er b) nicht gleich in die Rolle eines Lehrenden schlüpfen und dich in der Präsenzveranstaltung entlasten und auch (LdL-ig) eine moderierende Lernfunktion für kleinere Gruppen übernehmen? Er soll natürlich nicht einfach die Lösung vorgeben! Gerade für’s Lehramt vermutlich praktisch, da er sich in die Situation der anderen beim Mathematiklernen hineinversetzen muss.

    Ist aber wirklich rein ins Blaue gedacht! Das hat sicher zigtausend Haken und Ösen, über die ich genauer nachdenken müsste. Aber vielleicht geht das in die für dich passende Richtung und es ist wenigstens eine Anregung dabei.

    Zur Frage mit der Unsicherheit, ob die Lernenden sich nun alle Videos ansehen müssen: Sag‘ doch einfach das, was du schon geschrieben hast – mehrfach 🙂 Es geht um die Beschäftigung mit den Aufgaben, die Videos verraten nicht unbedingt die Lösung.

    Mündliche Prüfung vs. Klausur: Kann ich von der Fachseite nicht beantworten, und allgemein brauche ich dir von den jeweiligen Stärken und Schwächen sicher nichts erzählen. Der Professor des Instituts, bei dem ich als Hiwi angestellt war, hat sich jedenfalls tatsächlich eine ganze Woche Zeit genommen und mündliche Prüfungen durchgeführt. Das wurde von seinem Nachfolger geändert, würde zu viel Zeit kosten – zumindest seine, die wissenschaftlichen Mitarbeiter haben nachher die Klausuren korrigiert.

  8. […] lautes Denken über das Flipped Classroom-Konzept und die dazugehörige Diskussion (hier und hier). Wenn ich das so lese, wie sich da der Gestaltungsprozess entwickelt, habe ich schon ein wenig den […]

  9. Thomas Eibel sagt:

    * Ich denke, es stellt kein wirkliches Problem dar, wenn (wie ich vermute) einige wenige sich vorher die Videos ansehen und dann die Beispiele lösen (immerhin werden in den Videos ja nicht die Beispiele selbst gelöst, oder?). Das Schlimmste, das durch das „vorher sehen“ passiert, ist, dass (für diese paar Studenten) der Unterricht auf der aktuellen Unterrichts-Entwicklungsstufe bleibt (also durchaus selbstständig, selbstbestimmt und teilweise konstruktivistisch -> immer noch besser als bei vielden anderen Kolleg/inn/en).
    * Ich denke, die Antwort „Du musst dich mit allen Aufgaben befassen.“ bzw. „Du musst am Ende alle Aufgaben lösen können“ sollte reichen, damit die Studierenden wissen, was zu tun ist. Manche werden schon so weit sein, dass sie damit gut umgehen können. Andere werden „in die Verwirrung gehen“ und im Laufe der Veranstaltung immer klarer und effizienter bei der Bearbeitung der Aufgaben werden – was ja (Teil)Ziel deines didaktischen Ansatzes ist. Denn so können sie den konstruktivistischen Ansatz wirklich (er)leben und können lernen, dass es schön ist, selbstständig und kreativ an mathematische Aufgaben heranzugehen …
    * Schriftliche Klausur oder mündlich ist im Endeffekt doch wirklich egal. These: mit einer gut ausgelegten Klausur lassen sich mathematische Kompetenzen genauso gut abprüfen, wie es mit einer mündlich Prüfung der Fall ist – und das fairer gegenüber den Studienkolleg/inn/en, reproduzierbarer und nachweisbarer.

    Liebe Christian, danke für deine Beiträge!
    Für mich ist das sehr anregend, deine Gedanken und Überlegungen mitverfolgen zu dürfen und mir meine eigenen dazu machen zu können.
    Schöne Weihnachtsfeiertage!
    Thomas

  10. cspannagel sagt:

    So, Weihnachten vorbei, Zeit zu kommentieren. 🙂

    @Alexander Zu dem Punktesystem: Einen ähnlichen Gedanken hatten wir auch schon, und ich glaube, das könnte auch eine Menge Spaß in die Sache bringen… „Gamification“ sozusagen? … mmh.. Badges? Highscore-Listen? Irgendwie bräuchte man da aber eine passende Plattform für…. den Gedanken find ich prinzipiell aber mal nicht schlecht.

    Zur Klausur: Das Grundproblem beim „neuen“ Ansatz ist, dass die Lernaufgaben (beispielsweise aufgrund ihrer Offenheit) nicht für Klausuren taugen. Man würde also mit anderen Aufgabenformaten lernen als diejenigen in der Klausur, und das geht natürlich nicht. Und wenn man in „Lernaufgaben“ und „Leistungsaufgaben“ teilt, dann werden nur letztere ernst genommen, weil sie „klausurrelevant“ sind.

    @Kathrin Die Idee ist auch ganz gut (ham wir ja bereits auf Facebook besprochen, wissen die anderen hier aber nicht :-)), allerding: Der Typ Aufgaben, der mir vorschwebt, führt nicht unbedingt zu „quizmäßig abprüfbaren Aussagen“, die wahr oder falsch sein können… aber vielleicht doch, das muss man dann vermutlich einfach jeweils im Kontext sehen. Allerdings bräuchte man auch hier wieder ein System, das Videos „freischaltet“…

    @Thomas Wir zwei denken an unterschiedliche Aufgaben. Die Studierenden lösen keine Aufgaben, die zu „vorgemachten Beispielen“ passen, sondern sie erarbeiten sich Begriffe mit Hilfe geeigneter Aufgaben. Sie betrachten einen Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie versuchen, ihre vielfältigen Erfahrungen zusammenzuführen und zu systematisieren. Aber ehrlich gesagt ist mir auch noch nicht klar, wie hier entsprechende Video-Hilfen aussehen könnten… alles ist noch recht vage.

  11. cspannagel sagt:

    @Peter Die Diskussion ist für die Übungsgruppen und das Plenum gedacht. Ich denke dabei gar nicht an „online“ (das ist ja auch das Grundziel des flipped classroom: die Präsenzphase muss sinnvoll genutzt werden). Online-Austausch funktioniert zwar auch (siehe das GeoWiki), bringt aber seine eigenen Schwierigkeiten mit sich, die ich erst mal nicht „haben“ möchte…

  12. cspannagel sagt:

    @Oli Danke nochmal für den Hinweis auf „Just in Time Teaching“ – du hattest es tatsächlich schon mal erwähnt… irgendwie ist alles doch recht ähnlich und letztlich dasselbe 😉

  13. @christian Ja, da fehlt es imo an brauchbaren Tools, um so etwas umzusetzen. Ich hatte vor ein paar Jahren mal die Idee, mich mit dem RPG-Maker (http://www.rpgmakerweb.com/) an so etwas zu versuchen, aber das war noch die Zeit der 56k-Modems und möglicherweise sind heute Routinen im Einsatz, die schnell brauchbare Ergebnisse liefern und die Einbindung eigener medialer Inhalte gestatten — eine Recherche lohnt sich auf jeden Fall (http://www.youtube.com/watch?v=tEdcpn8V3JU).

  14. m.g. sagt:

    Lieber Christian,
    mir geht es ein klein wenig zu schnell, wie Du den Flipped Classroom flicken willst. Mach doch einen Schritt nach dem anderen. Du hast bisher richtig erkannt, dass es dringend notwendig ist, sämtlichste Inhalte Deiner Veranstaltung in dem von Dir oben genannten Sinne auf den Prüfstand zu stellen. Was dabei herauskommt, kannst Du jetzt noch nicht wissen. Wenn Du aber jetzt schon davon ausgehst, dass am Ende der modifizierte flipped classroom als Methode M zum Einsatz kommen muss, scheint mir Deine Vorgehensweise nicht ganz korrekt. Es bleibt die Gefahr, dass M die Inhalte beeinflussen wird, I also eine Funktion von M sein wird. Es kann doch aber nur so sein, dass erst die Inhalte klar sein müssen und dann schauen wir mal, welche Methode geeignet wäre, sie zu vermitteln. M muss doch wohl eine Funktion von I sein oder?
    M ist darüber hinaus wenigstens eine zweistellige Funktion. M ist auch eine Funktion von K_alt, den bisherigen Kenntnissen, Fähigkeiten etc. (Wenn Du willst, darfst Du Kompetenzen sagen.) unserer real existierenden Studierenden. Mach Dir doch einmal wirklich klar, was unsere Studierenden aus der Schule hinsichtlich mathematischer Kompetenzen mitbringen. Für die meisten von ihnen hat ein wenig Rechenunterricht aber weitestgehend kein Mathematikunterricht stattgefunden.
    (Kein Wunder in einem Land, in dem man damit kokettieren kann, von Mathematik nichts zu verstehen, während gleichzeitig ganze Fernsehprogramme sich mit der Wissenschaft Astrologie beschäftigen.)
    In Folge dessen haben unsere Studierenden erhebliche Probleme mit richtiger Mathematik.
    Hier eine kleine Auswahl von Problemen:
    * Viele Studierende haben Schwierigkeiten mit der mathematischen Idee der Variablen. Meist sind sie über den Platzhalteraspekt nur wenig hinaus gekommen. Sie werden selbst nicht wirklich erkennen können, warum Schüler mit den Variablen derartige Schwierigkeiten haben.
    * Funktionales Denken: Fehlanzeige, stattdessen willenloses, stupides kalkülmäßiges Rechnen (am liebsten mit Taschenrechnern).
    * Sprachlich logische Schulung:
    -„Mittelsenkrechte ist da, wo es in der Mitte senkrecht steht.“
    – Gebrauch von Relationsbegriffen ohne die Zweistelligkeit der Relation zu beachten. Wie in der Werbung: 97 Prozent würden das Haarausfallmittel „SträhnenEx“ ihrer besten Freundin empfehlen.

    Das allergrößte Problem ist jedoch, dass die Studierenden nicht wissen, wie man sich Mathematik aneignet. Mathematik zu erlernen ist vor allem harte eigene Arbeit, die bei normal begabten Menschen eine gewisse Frusttoleranz erfordert. Frusttoleranz lernt man heute leider nicht mehr in der Schule.

    (Du magst keine Mathematik? Dann sing doch ein Lied. Du magst nicht singen, na dann rappst du halt: Schule is Schei.. alter eh, wenn ich groß bin verkaufe ich Tee, der schwarze Paschtune der bringt uns groß raus, den verkaufen wir dann in Berlin sogar dem Klaus…)

    Das Problem: Ich meine etwas verstanden zu haben. Es klang so logisch aus dem Munde des Dozenten. Gefährliches Halbwissen ist nicht nur ein Bühnenprogramm von Herrn Pocher, es ist täglicher Alltag in unseren Hörsälen.

    Unsere Studierenden brauchen Dich und viele gute Lehrer, die wirklich Lehrer sind und das zunächst von Anfang an. Mittendrin statt nur dabei ist die Devise für einen guten Lehrer und das von Anfang an also unmittelbar beim Prozess der ersten Aneignung.

    Später kann ich mich dann immer mehr raus nehmen.

    Grüße
    Micha

    PS: An alle Studierenden: Ich bin sauer auf den Mathematikunterricht wie er derzeitig ist, nicht auf Sie.

  15. Oliver Tacke sagt:

    Beim Stöbern zu SoTL drüber gestolpert und könnt für dich interessant sein…

    Huber, M. T.; Hutchings, P. (2005): The Advancement of Learning. Building the teaching commons. A Carnegie Foundation report on the Scholarship of Teaching and Learning in Higher Education, San Francisco.

    Der Teil, den ich meine, ist online unter http://myweb.lmu.edu/cbennett/carnegie/sotl/teacing%20commons.pdf zu finden. Ab Seite 37 geht es um das „Learning to think like a mathematician“ und wie speziell künftigen Lehrern durch „open-ended research projects“ dabei geholfen werden soll.

  16. SilviaCS sagt:

    Ich finde die Idee super und war schon in Amiland,wo ich sie an einer Highschool kennengelernt habe, begeistert. Die Fragen welche Sie hier angeführt haben, hatte ich mir auch gestellt bzgl. des Einsatzes in der Schule. Mich würde interessieren, ob es in Deutschland bereits dazu Pilotprojekte an Schule gab oder gibt oder ob Schulen schon so arbeiten. Für Hinweise wäre ich dankbar. Wenn es an meiner Schule machbar wäre, würde ich meinen Unterricht sofort darauf umstellen.

  17. dunkelmunkel sagt:

    @Silvia Es gibt ein paar Lehrer, die das ausprobiert haben, z.B. Daniel Bernsen und Birgit Lachner. http://geschichtsunterricht.wordpress.com/
    http://wiki.zum.de/Benutzer:BirgitLachner
    Auch im ZUM-Wiki wirst du fündig:
    http://wiki.zum.de/Flipped_classroom

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