Muss man eigentlich nix mehr wissen?

Veröffentlicht: Sonntag, März 10, 2013 in Internet, ITG

Demnächst darf ich für ein Themenheft einen Beitrag schreiben zum Themenkomplex „Wissen kann man googeln – eigentlich muss ich dann ja nix mehr wissen“ (grob). Ein spannendes Thema, insbesondere weil einem immer wieder Statements der folgenden Form begegnen:

  • Das gesamte Wissen der Menschheit steckt im Internet. Also braucht man vieles heute gar nicht mehr zu lernen, ich kann einfach eine Suchmaschine bedienen, wenn ich etwas wissen will.
  • Wesentlich wichtiger sind „Schlüsselqualifikationen“ oder „allgemeine Kompetenzen“ wie beispielsweise Sozialkompetenz und Methodenkompetenz.
  • Das bedeutet: Lernen in der Schule kann viel exemplarischer erfolgen als bislang. Es genügt, an ausgewählten Inhalten z. B. in Form von Projekten die wesentlichen allgemeinen Kompetenzen (im Sinne von „Wissensarbeit“) auszubilden. Wenn ich gelernt habe, mir selbst Wissen anzueignen, dann kann ich das in anderen Bereichen später auch einfach selbst tun.

Sicherlich sind kompetenzorientierte Sichtweisen auf Lernen ein erheblicher Fortschritt gegenüber der Vorstellung vom „Inhalte pauken“, und Inhalte und Prozesse (Denk- und Arbeitsweisen) sollten verschränkt miteinander betrachtet werden (Welche Inhalte lassen sich durch welche Prozesse besonders gut erarbeiten? Und welche Prozesse lassen sich anhand welcher Inhalte gut lernen?). Und es ist auch gut, beim Lernen einen prozessorientierte Sichtweise einzunehmen dahingehend, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, dass Schülerinnen und Schüler lernen, sich selbst Wissen anzueignen, Wissen gemeinsam zu erarbeiten, neugierig Fragen zu stellen, Methoden zur deren Beantwortung anzuwenden usw. Aber, all das sollte nicht „auf Kosten der Inhalte“ erfolgen. Ein Beispiel aus der Mathematik: Hier sollen Schüler (im allgemeinen Kompetenzbereich) lernen, Probleme zu lösen, zu argumentieren, Darstellungen gezielt einzusetzen, mathematisch zu kommunizieren usw. Der Erwerb dieser allgemeinen Kompetenzen soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass alle Schülerinnen und Schüler z.B. auch mit Prozenten (als Inhalt) umgehen können müssen. Und hierfür braucht man weitere Inhalte als Vorwissen (Dreisatz, Bruchzahlen, …). (Im Kontext des EduCamps in Bielefeld hatten wir über ähnliche Aspekte in einer Session von Felix Schaumburg intensiv diskutiert, siehe zum Beispiel die Blogbeiträge von Lisa Rosa und Hokey).

Doch was sind Argumente dafür, dass man trotz Internet, Google usw. vieles einfach wissen muss? (im Folgenden gehe ich mal von „Wissen“ im Sinne deklarativen Wissens aus;l letztlich manifestiert sich natürlich alles Gelernte sich in irgendeiner Form als Wissen, auch Schlüsselqualifikationen).

  • Es ist seit langem eine kognitionspsychologische Erkenntnis, dass Expertise sich durch Bereichswissen auszeichnet und weniger durch allgemeine Prozesskompetenzen. Wenn ich Experte in einem Bereich werden will, muss ich einfach viel wissen in diesem Bereich. Ein prototypisches Beispiel hierfür ist Schach: Schachexperten zeichnen sich aus durch ein profundes Wissen über Spielsituationen und weniger durch abstrakte Problemlösefähigkeit. Die Expertiseforschung zeigt (so Bromme, 2008, S.160 [1]): „Die erfolgreichen Problemlöser nehmen Problemsituationen anders wahr als Anfänger. Die Wahrnehmung und die Schlussfolgerungen daraus bauen auf umfassendem Wissen auf, das Experten durch langjährige und gezielte Übung und Erfahrung mit den spezifischen Problemstellungen ihres Expertisegebiets erworben hatten.“
  • Ein weiterer Aspekt, der mittlerweile ausgesprochen gut in der Kognitionspychologie (insbesondere im Rahmen der Cognitive Load Theory) untersucht wurde und der hier eine erhebliche Rolle spielt, ist die Begrenztheit des Arbeitsgedächtnisses. Das Arbeitsgedächtnis ist derjenige Part in einem weithin akzeptierten Gedächtnismodell, in dem die bewusste Verarbeitung von Inhalten stattfindet (also, letztlich neues Wissen produziert und gelernt wird). Problem: Das Arbeitsgedächtnis ist stark kapazitätsbeschränkt (7 plus/minus 2 Einheiten, sagt man – mittlerweile wurde das aber auch weiterentwickelt). Da passt nicht viel rein in Arbeitsgedächtnis – im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis, in dem all unser dauerhaft gespeichertes Wissen steckt und darauf wartet, ins Arbeitsgedächtnis geholt zu werden (sozusagen als „Erinnerung“), um dort weiter verarbeitet zu werden. Wenn man also eine Information wahrnimmt, dann kommt diese über die Sinneskanäle ins Arbeitsgedächtnis, ggf. werden bereits vorhandene Infos aus dem Langzeitgedächtnis geholt, alles wird verarbeitet und ins Langzeitgedächtnis abgespeichert (einfach gesagt). Für Nerds: Information wird in den Arbeitsspeicher geladen, gegebenenfalls werden Infos von der Festplatte geholt, alles wird verwurstet und wieder auf der Festplatte gespeichert. Die Informationen im Langzeitgedächtnis nennt man Chunks Schemata (ist der passendere Begriff). Bereits gespeichertes, reichhaltiges Wissen in Form von Schemata ist praktisch, weil dadurch nur eine Einheit im Arbeitsgedächtnis belegt wird, wenn man das Schema aus dem Langzeitgedächtnis holt. Beispiel aus der Politik: Wenn ich Peter, der noch keine Ahnung davon hat, erklären muss, was „Demokratie“ ist, dann muss er ziemlich viele einzelne Wissensaspekte im Arbeitsgedächtnis verarbeiten, sich daraus sein Wissen über Demokratie konstruieren und im Langzeitgedächtnis mit seinem bisherigen Wissen vernetzen (sich also ein Schema „Demokratie“ aufbauen). In dieser Phase hat er aber nicht viel Platz im Arbeitsgedächtnis, um sich mit weiteren Dingen rund um politische Modelle zu beschäftigen. Annette hingegen, die schon etwas über Demokratie gelernt hat (also einen entsprechendes Schema besitzt), kann mit diesem Schema und zahlreichen weiteren Wissenselementen im Arbeitsgedächtnis neues Wissen konstruieren. Fazit: Wer viel Wissen hat, kann wendiger auf höheren Ebenen mit diesem Wissen arbeiten.
  • Wenn man also (übertrieben gesprochen) keine Schemata im Langzeitgedächtnis hat, dann ist man mit den Informationen, die man ergoogelt, überfordert: Man muss letztlich „von vorne beginnen“ und sich mühsam Konzepte eines Bereichs erarbeiten, versteht viele Texte nicht usw. Diese Erfahrung macht man, wenn sich beispielsweise Schüler Inhalte ergoogeln sollen, bei Wikipedia landen (dessen Texte oft zu schwierig sind) und dann Inhalte unverstanden übernehmen (weil für das Verständnis einfach Grundwissen notwendig ist).
  • Wenn man sich den Begriff Wissen einmal näher ansieht, dann ist man schnell enttäuscht: Im Internet steckt gar kein Wissen! Also, die Annahme, man findet alles mögliche Wissen im Web, ist grundfalsch, denn: Man findet dort Daten und allenfalls Informationen, aber kein Wissen. Die DIKW-Pyramide (datainformationknowledgewisdom)  ist ein Modell für den Zusammenhang dieser Begriffe. Die Definitionen der einzelnen Begriffe sind nicht ganz einfach, aber grob gesagt: Daten sind „Rohmaterial“, das einfach existiert. Verknüpft man Daten und versieht diese dadurch mit Bedeutung, dann entstehen Informationen. Informationen werden zu Wissen dadurch, dass man sie verarbeitet und in einem bestimmten Kontext nutzt bzw. anwendet. Oder anders gesagt: Informationen werden zu Wissen, wenn man durch deren Verarbeitung etwas weiß. (Natürlich kann man  auch über all diese Definitionen streiten, wie immer. Und über Weisheit sprechen wir auch besser ein anderes Mal.) Das bedeutet aber auch: Mit Informationen kann man als verarbeitende Instanz nur etwas anfangen, wenn man sie  – basierend auf seinem bestehenden Wissensbestand – zielführend verarbeiten kann. Man benötigt also bereits Wissen, um Informationen in neues Wissen zu transferieren. Wissen findet man nicht einfach, wenn man googelt.

Soviel zu meinen ersten Gedanken zum Thema. Was denkt ihr darüber? Genauer:

  • Kennt ihr Literatur, in der behauptet wird, man müsste nichts mehr wissen?
  • Gibt es noch andere Argumentationsansätze / Aspekte / …, die für oder gegen diese Annahme sprechen?
  • Oder seid ihr anderer Meinung?

Literatur:

[1] Bromme, R. (2008). Lehrerexpertise. In W. Schneider & M. Hasselhorn (Hrsg.). Handbuch der Pädagogischen Psychologie (S. 159-167). Göttingen: Hogrefe.

Kommentare
  1. Walter Spannagel sagt:

    Erste Reaktion: im Wesentlichen Zustimmung. Wissen (im Sinne von Verstehen) setzt Wissen (im Sinne von Information) voraus. Methodenkompetenz ist eine weitere Voraussetzung.

    Zweite Reaktion: Was muss „man“ wissen? Gibt es einen „Kanon“ von Wissen, der unumstritten für Jedermann/frau gilt, der unverzichtbar ist? Oder ist vieles davon subjektiv?

    Dritte Reaktion: Viel zu wissen, erleichtert meist das Leben. Von Fall zu Fall kann aber umfangreiches Wissen auch den Blick verstellen und/oder irreführen.

    Und schließlich noch der „Deutschlehrer“: “ beim Lernen einen prozessorientierte Sichtweise einzunehmen“?

  2. Herr Rau sagt:

    Vielleicht steckt das schon in deinem ersten Stichpunkt: Wer nichts weiß, kann auch nichts wiedererkennen – inbesondere weiß der dann nicht, dass es vielleicht etwas wiederzuerkennen gibt. – Es gibt sicher genug Dinge, die man früher auswendiger wissen musste als heute; nützlich wäre ein Aufzählung konkret der Dinge, die man heute – natürlich in einer gegebenen Rolle – nicht mehr wissen muss.

  3. dissidentch sagt:

    wer glaubt, weiss mehr (von irgend so einem alten Griechen)

  4. Abend!

    Ich glaube, keiner wird widersprechen, dass „Wissen“ dazu führt, eleganter und flexibler durch den Alltag zu gleiten. Vor-Wissen ist gut und notwendig, um den nächsten Baustein aufzunehmen oder – wie Du es schreibst – auf „höheren Ebenen“ zu arbeiten.

    Die Frage dahinter ist nur, ob wir ein zu benennendes „Wissen“ a) kanonisieren müssen und b) als unabdingbare Basis für das schulische Curriculum nehmen müssen.

    Ist nicht gerade das Wissen als Vor-Wissen relevant und wichtig, das ich für den nächsten Schritt brauche? Hier spielt die Sinn-Frage eine zentrale Rolle. Sich „Wissen“ anzueignen, ohne dass die Sinnhaftigkeit desselben für den Lernenden deutlich wird, funktioniert zwar, ist aber sehr, sehr mühsam. Das gleiche „Wissen“ eignet man sich schneller an, wenn der Sinn da ist und man es braucht, um ein Problem zu lösen.

    In ihrem Beitrag hat Lisa Rosa das ja treffend formuliert:

    „Ohne Sinn ist lernen nicht möglich. Aber im Unterschied zu früher, wo es im Großen und Ganzen noch möglich war, Sinn … gesellschaftlich vorzugeben, weil die Komplexität der Welt und die Heterogenität des sozialen Umfelds noch nicht so groß war, geht dies heute nicht mehr.
    Kein Lehrer kann für seine Schüler den Sinn für die Inhalte ihres Lernens konkret definieren, er kann nur helfen, dass die Schüler ihren Sinn stattdessen selbst bilden. Es geht also nicht mehr darum, einzelne Inhalte samt ihren Deutungen vorzugeben…“

  5. Leila Concetti sagt:

    Sich Wissen aneignen, also lernen, ist für mich eine Art Sport. Wichtig ist mir dabei, dass ich mit dem Gelernten dann auch ’spielen‘ kann. Ich lerne also, was ich für die Bewältigung meiner Arbeit brauche. Das kann dann mal eine Sprache sein, oder Programmieren (‚abgespeckte Inhalte‘), oder Mathe. Ist also nicht wirklich beschränkt auf eine Neigung. Ist mein Werkzeug für die Lösung meines Problems. Das macht mich schneller als andere und darüber habe ich wirklich Spaß und ich spüre, dass sich ’ne Menge in mir tut. Schöner als ein Wettrennen, sage ich!

    Jeder weiß, wie gut der echte Sport dem Körper tut. Und jeder weiß, was passiert, wenn man aufhört zu trainieren.

    Wer lernt (und mit dem Gelernten auch spielt ; ) eignet sich zwangsläufig Wissen an. Und wenn das auch andere tun, kann man kommunizieren.

    Ich stelle da eine mutige These in den Raum: Wissen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Scheinbar auch, andere daran teilhaben zu lassen, quasi Gleichgesinnte zu kreieren. Das kann man gerade am Internet sehen – es sind ja wir Menschen, die das Internet mit unserem Wissen füttern = )

    Wenn ich mir was wünschen würde, wäre es tatsächlich ein breit aufgestelltes, sinnvolles und gut strukturiertes eLearning-Programm, so dass jeder Mensch die Gelegenheit erhält, lebenslang zu lernen, was man so zum Leben braucht. Sei es, sein Abitur nachholen oder Studieninhalte zu erarbeiten. Eine Auswertung hierzu über mehrere Generationen wäre sicher interessant.

    Ich bin mir sehr sicher, dass wir genau dahin irgendwann einmal kommen werden.

  6. Hokey sagt:

    Ich finde „Sinn“ immer so schwammig. Wann ist etwas „sinn“voll? Wann nicht? Gibt es „Sinnvolles“, dessen „Sinn“ sich erst später in der Auseinandersetzung damit erschließt? Und ist es wirklich einfacher, komplexe Mathematik zu lernen, wenn man einen Sinn für sich darin erkennt? Ich zweifele. Aber vielleicht operiere ich hier gerade mit einem falschen Sinn-Begriff? Hrm… muss ich bei Lisa noch mal nachlesen…

    Den „Chunk-Aspekt“ finde ich da gerade bezüglich der Kanon-Frage viel spannender: Brauchen wir gesellschaftlich gleiche Chunks, auf die wir bei Bedarf zurückgreifen, an die wir andocken können und welche sind verzichtbar? „Demokratie“ist da doch schon ein gutes Beispiel… Grundrechenarten zu kennen ein anderes…

  7. Oliver Tacke sagt:

    Was denke ich darüber? Das sind Basics des Wissensmanagements – BWL lässt sich also doch zu was gebrauchen 😉 Wenn du aus einer „anderen“ Perspektive auf das Thema Wissen schauen möchtest, schau doch beispielsweise mal im Einführungswerk von Probst/Raub/Romhardt rein.

  8. Gute Zusammenfassung! Dass wirklich nichts mehr gewusst oder sogar gepaukt und durchgearbeitet werden muss, ob diese Extremauffassung wirklich um sich greifen wird? Ich glaub‘ es nicht, jedenfalls nicht jenseits der akademischen Debatte, so spannend sie ist (wenigstens für Akademiker). Warum? An Kindern sieht man (sehe ich täglich) etwas, das ich immer noch erfahre, wenn auch weniger als früher, weil ich schon mehr weiß: dass nämlich etwas zu wissen einfach toll ist. Geil, kann an auch sagen, aufregend, irgendwie übermenschlich. Der Unterschied zwischen Wissen und Nicht-Wissen (nicht als Prozesswissen) ist stark und einfach menschlich erfahrbar und wird auch erfahren—dafür kann man auch die pathologische Seite als Zeugen anführen (d.h. den Verfall des Wissens, als Resultat von Trauma, Krankheit, Alter usw.). Das ist nicht kulturabhängig und konstruktivistisch wegerklärbar—möglicherweise ein sehr alter Umstand, der uns weit gebracht hat.

  9. Ich untersuche im Auftrag der Industrie Probleme in technischen Systemen oder in Projektzusammenhängen. Diese Aufgaben nehme ich heute wahr- nach Abschluss meiner eigentlichen Berufslaufbahn. Zur Verfügung stehen mir meine breite praktische und theoretische Ausbildung (praktische Lehre, Fachhochschule, wissenschaftliche Hochschule) sowie Berufserfahrungen im technisch-industriellen Bereich erworben in sehr verschiedenen Firmen.(Nautik, Logistik, Marine-Systemtechnik, komplexe Software, Mensch-Maschinne-Systeme, Energieerzeugung, Projektmanagement.)

    Die Analyse eines neuen Problem beginnt mit der Befragung verschiedener Personen und deren unterschiedlichen Blickwinkel. Danach erfolgt eine Vertiefung durch Lektüre von technischen Handbüchern, Unfallberichten, Vorschriften und Normungen sowie Logbüchern oder sonstigen Berichten. Wenn sich der Problemkreis dann umreißen lässt, erfolgt eine Recherche zu Detailfragen im Internet – zum Teil auch zur Aktualisierung von nicht mehr sehr präsenten Wissensgebieten. Die Analyse schließt mit einer oder mehreren Thesen zur Erklärung des beschriebenen Fehlverhaltens. In einem zweiten Schritt werden gezielte Einzeluntersuchungen veranlasst, die zur Eingrenzung der Hauptursache erforderlich sind.

    Meistens enthält die genaue Beschreibung einer Fehlerursache dann bereits den Lösungsansatz zur Abhilfe des Problems. Das Internet spielt für die Fehlereingrenzung eine wichtige begleitende Rolle. Der geschilderte Analyseprozess ist aus meiner Sicht aber nicht lösbar unter ausschließlicher Nutzung der im Internet abrufbaren Daten. Insbesondere die Eingrenzung des Problems auf analysierbare Fragestellungen setzt Intuition und Erfahrung voraus und lebt von Wissen und ggf. vom Zugriff auf Fach-Experten, die über spezifisches Wissen verfügen. Künstliche Intelligenz, die blitzschnell viele Alternativen berücksichtigen könnte, ist meist auf sehr spezifische Fragestellungen begrenzt und damit unbrauchbar für offene Fragestellungen.
    Das Gesamts-System ist nun einmal viel komplexer als die Summe seiner Einzelteile.

  10. Jöran sagt:

    Danke für diesen Input. Insbesondere der Chunk-Gedankengang hilft mir sehr.
    Ich hatte mal das Buch „Why Do I Need a Teacher When I’ve Got Google“ http://goo.gl/jL0eF zu lesen begonnen, aber erinnere mich nicht mehr an viel. (Fehlte mir der Sinn? 😉 )
    Meine erste Ahnung beim Lesen Deiner Gedanken ist: Wissen bleibt wichtig. Angesichts von allgegenwärtigen Informationen werden Vorwissen / die Einordnung von Wissen wichtiger. Ob das jetzt als „Meta-Wissen“ oder als „Sinn“ zu verstehen ist, weiß ich noch nicht. Dahinter steckt aber der Umkehrschluss, dass es in der prä-google-Schule häufig um „kastriertes Wissen“ ging / geht. Kann man das in den verschiedenen Wissenskategorien abbilden? Wie nennen wir ein Wissen ohne Sinn, ohne Kontext, ohne Transfer, ohne Vernetzung, ohne Anschluss? Handelt es sich nach der oben angeführten Terminologie dann nicht einfach nur um Informationen und gar nicht um Wissen? Das wäre für die Fragestellung ja interessant, denn dann müsste es in einer post-google-angemessenen Schule ja *stärker* um Wissen gehen, nicht weniger.

  11. Die Erklärung der Datenverarbeitung im Arbeitsgedächtnis und des Vorteils, auf vorhandene Chunks zurückgreifen zu können, gefällt mir sehr gut.

    Es gibt eine ganze Menge Schüler, die der Meinung sind, für den Englischunterricht Wörter zu lernen, sei Energieverschwendung, denn man dürfe ja ohnehin ein Lexikon verwenden bzw. zu Hause oder über Mobilgeräte könne man ja im Internet nachsehen. Nach einer Weile kommt bei vielen die Erkenntnis, dass man das Wörterbuch (auch online) erst dann sinnvoll benutzen kann, wenn man eine ganze Menge schon vorher weiß – nur dann kann man beispielsweise mit einiger Sicherheit unter fünf Bedeutungen diejenige auswählen, die in dem gegebenen Kontext passt.

    Die Frage nach dem Wissen(-müssen) scheint mir, wie Felix schon sagte, auf die Frage nach einem Bildungskanon hinauszulaufen, eng verknüpft mit der Frage, was Zeugnisse leisten können. Wenn in zwanzig Jahren jemand ein soeben erworbenes Abiturzeugnis vorlegt – welche Informationen soll man daraus entnehmen können? Kann man davon ausgehen, dass ein Abiturient von 2033 weiß, welche Kennzeichen ein expressionistisches Gedicht als solches erkennbar machen? Darf man annehmen, dass der Abiturient einen längeren Text von Shakespeare gelesen (und verstanden) hat? (Ich bleibe bei den Fächern, von denen ich etwas verstehe)*

    Wenn Kultusbehörden in der Zukunft zu dem Schluss kommen sollten, dass solches Wissen nicht nötig ist – was wird an dessen Stelle treten?

    Einzig und allein die Vermittlung von Kulturtechniken und Kompetenzen kann es nicht sein – das wird ja schon durch deine Erläuterung der „Datenverarbeitung“ im Hirn plausibel. Ich bin überzeugt, dass ein gewisser Grundkanon unerlässlich ist, doch weniger umfangreich und verästelt als die heutigen Lehrpläne. Die teilweise Ersetzung von Lehrplaninhalten durch Freiräume zur Projektarbeit ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Lehrkräfte intensiv dazu ausgebildet werden.

    _______________
    *Ja, im Mathe-Abitur habe ich auch Vektoren berechnet, und ich habe etwas über den Braunkohle-Abbau gelernt und vieles mehr, woran ich mich nur schemenhaft oder gar nicht mehr erinnere. Ich bedaure aber nicht, mich mit diesen vergessenen Dingen beschäftigt zu haben. Ist die Schulzeit nicht auch ein Spiel? Man spielt mit diesem und jenem, um herauszufinden, was einem am besten gefällt.

  12. Möglichst umfassendes, bestehendes Wissen ist in meinen Augen, wenn es um neue, kreative Lösungsansätze für Probleme geht. Wie sollen Lösungen für neu aufkommende Probleme gefunden werden, wenn das einzige was man kennt Google-Wissen ist?

    Kreativ zu sein bedeutet doch, bestehendes Wissen neu miteinander zu verknüpfen und daraus neue Lösungen zu entwickeln. Wenn ich immer nur das wiedergebe, was andere schon gefunden haben, dann kann da nichts Neues entstehen.

    Und nur etwas zu wissen oder zu kennen, heißt ja noch lange nicht, dass ich es auch benutzen kann. Nur weil ich die Definition der Kettenregel beim Ableiten kenne, kann ich es noch lange nicht – diese Erfahrung mache ich bei meinen Schülern jedes Jahr.

    Man muss in meinen Augen zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen unterscheiden. Deklaratives Wissen kann man – meines Erachtens – nur ergoogeln. Aber prozedurales Wissen lässt sich nur erarbeiten. Das weiß jeder Sportler, jeder Handwerker. Und auch jeder Referendar, der anfängt zu unterrichten und merkt, dass zwischen der Theorie der Pädagogik-Vorlesung und der Praxis des Unterrichtens, dann doch Welten liegen.

  13. Oliver Tacke sagt:

    @Christian Vielleicht eine doofe Frage, aber hast du bewusst (im Titel „Muss man eigentlich nix mehr wissen?“) schwarzweiß gemalt?

  14. Uwe Klemm sagt:

    Ich hatte kürzlich eine hochinteressante längere Diskussion mit einem älteren Mineralogie-Prof, der seine Problemchen mit der netzgestützten Arbeitsweise seiner Studenten hat (wohlgemerkt, der Mann ist kein verspitzerter Hardliner, sondern tatsächlich sehr, sehr offen, neugierig und kein digitaler Analphabet). Wie oft in solchen Situationen kam es zunächst zum Austausch eher stereotyper und eigentlich sattsam bekannter Positionen. Allmählich kamen aber Aspekte ins Spiel, die ich selbst in der Form noch nicht bedacht hatte: Es gibt tatsächlich so etwas digitales Vergessen. Im Netz zugreifbar sind halt tatsächlich nur ursprünglich digitale bzw nachträglich digitalisierte Informationen. Was diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist für sich vorwiegend netzgestützt Informierende schlicht nicht existent – damit klaffen je nach Wissensbereich zT erhebliche Lücken. In seinem Wissenschaftszweig jedenfalls sind diese Lücken offensichtlich nennenswert; er konnte eine ganze Anzahl von Beispielen nennen, die mich (der sich durchaus als Verfechter netzgestützten Lernens sieht) ziemlich überraschten: Da werden v.a. in amerikanischen Online-Fachjournalen zT umfangreiche Studien veröffentlicht, die Erkenntnisse mühsam neu erarbeitet haben, die bereits um 1900 veröffentlicht worden sind. Davon hatte er ne ganze Latte Beispiele. Und es stimmt natürlich, dass es die Gefahr gibt, dass quasi vordigitales Wissen für eine digital sozialisierte Generation schlicht vom Radar verschwindet; auch bei seinen Studenten ist es dann so, dass ihnen oft ein Bezugshorizont / Orientierungsgerüst fehlt, der selbst das Registrieren solcher Lücken ermöglichen würde.
    Nun mag man argumentieren, dass es lediglich eine Frage der Zeit sei, bis quasi alles digitalisiert sei – da bin ich mir nicht so ganz sicher, grad mit Blick auf die Urheberrechts- und vergleichbare Diskussionen in einem hochökonomisierten Umfeld (man erinnere sich an den Trubel rund um Google Books).
    Meine Überzeugung wäre, dass grad die leichte digitale Verfügbarkeit von Information und Wissensbeständen viel stärker als je zuvor ein einigermaßen verlässliches Orientierungswissen (Meta-Wissen?) und Fähigkeiten zur Evaluation verlangt: Also quasi ein stabiles Gerüst, in das ich dann bei Bedarf Informationen / Chunks (gern auch ergoogelt..) gewissermaßen einhängen kann. Das wäre auch ein Plädoyer für Peters Aussagen zu einem nach wie vor nicht überflüssigen Kanon.
    Zum „Einhängen“ und Evaluieren wären dann auch neue Qualitäten prozeduralen Wissens (siehe Ingo) nötig.
    IMHO wäre das Erarbeiten eines Orientierungs- und Evaluierungswissens dann auch die Aufgabe der in letzter Zeit gern gescholtenen institutionalisierten Bildung… Dass das im Moment nicht breite Realität ist, steht auf einem anderen Blatt.
    Alles ziemlich versimpelt dargestellt, aber macht vielleicht eine mögliche Grundposition deutlich.
    Just my 5 cents, Uwe

  15. Die Frage, ob wir nichts mehr wissen müssen, erscheint mir ziemlich theoretisch. Ich gehe davon aus, dass alle Menschen, die eine Suchmaschine bedienen können, ein gewisses Vorwissen haben. Die Frage zieht aber andere Fragen nach sich:
    1) Können wir auf Basis unseres Vorwissens die im Internet gefundenen Informationen verstehen?
    2) Verfügt das Internet über ausreichend viele kindgerechte Inhalte, Informationen also, die an ein eher geringes Vorwissen andocken können? Findet eine Suchmaschine diese Inhalte?
    3) Ist das Internet ein geeignetes Medium um effizient zu lernen?
    4) Benötigen wir einen normierenden Fächerkanon, damit wir Informationen aus dem Web verstehen?

    Der wesentliche Vorzug des Mediums Schule zum Lernen scheint mir im Unterschied zum Medium Internet-Suchmaschine, dass Informationen in der Schule altersgerecht selektiert und aufbereitet werden.

  16. Helen Knauf sagt:

    Das ist eine spannende Diskussion – danke für den Impuls! Mir sind dazu gleich einige Ideen im Kopf herumgegangen:
    Erstens: Die Unterscheidung zwischen Wissen und Informationen finde ich eigentlich zweitrangig, entscheidender finde ich die Abgrenzung von beidem gegenüber Bildung. Wendet man die Frage bildungstheoretisch, ist man schnell an dem Punkt, dass Wissen/Informationen ja nur eine Art Instrument, ein Material sind, dass in der Auseinandersetzung zwischen dem Einzelnen und der Welt genutzt, verarbeitet wird.
    Zweitens: Dazu passt dann doch eigentlich ganz gut die Taxonomiestufen von Bloom. da ist das Wissen nur die erste Stufe, es folgen Verstehend, Anwenden, Analysieren…mit dem Material muss etwas gemacht werden, als reine Daten ist das Wissen wenig wert.
    Drittens: Was ist eigentlich das wesentlich Neue? Google ermöglicht vor allem eine leichtere und schnellere Verfügbarkeit von Wissen, schafft aber kein neues Wissen. Vielleicht hätten die Menschen bei Erfindung es Buchdrucks ähnlich fragen können…

  17. @Oliver Tacke garantiert! Über dieses Thema sollten wir ein Buch schreiben, das wäre bestimmt spannend und auch sehr zeitgemäß. The mind boggles, was man da alles unterbringen kann…und je schwarzweißer um so populärer. „Digitale Demenz“ zeigt das ja. Und wenn das Buch dann noch gut ist und interessant und gut recherchiert, und nicht saublöd…dann kommt Christians Büste mit seinem Lockenhaar direkt nach Weimar, neben Goethe und Schiller.

  18. m.g. sagt:

    Ich hab am Wochenende einen neuen Spülkasten installiert und eine neue Kloschüssel eingebaut. Ich kann halbwegs gut Fliesen legen und bei Malerarbeiten macht mir so schnell niemand was vor. Das entsprechende Wissen und Können bräuchte ich nicht, weil es ja genügend Handwerker gibt, die sowas können. Trotzdem ist dieses Wissen und Können eine echte Bereicherung meines Lebens.
    Vielleicht muss man aber auch gar nicht leben, es gibt ja genügend andere die das machen können.

  19. cspannagel sagt:

    Hiho zusammen,

    danke für eure Beiträge! Hier und in anderen Diskussionsbereichen (Google+, FB, …) wird immer wieder auf einen interessanten Gedanken aufmerksam gemacht, den ich wirklich gut finde: Man benötigt natürlich Wissen, weil: man Google-Results verstehen, bewerten, einordnen muss. Und das geht nur, wenn man entsprechendes Wissen besitzt (in einigen Beiträgen scheint dies als „Orientierungswissen“ bezeichnet zu werden; ich bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich von der Definition her passt, aber es gibt eine Tendenz ganz gut wieder). Und bei der Fülle an Informationen, die das Web liefert, liegt sozusagen die Vermutung nahe, dass man noch mehr wissen muss als früher, damit man den Output dieser riesigen Informationsmaschine gescheit verarbeiten kann…

    Zur Frage des Kanons: Ich will weiterhin den Kanon nicht der Beliebigkeit überlassen. Natürlich müssen alle Menschen ein gewisses Grundwissen haben, das alle teilen. Natürlich wäre es gut, wenn alle Menschen auch den Sinn darin sehen, das alles zu lernen. Aber gegebenenfalls muss man auch einsehen, dass sich nicht bei allem notwendigen Wissen der Sinn jedem sofort erschließt.

    @Leila „Wissen ist ein Grundbedürfnis des Menschen.“ In diese Richtung geht auch Marcus Spehs Beitrag… und es erinnert mich gewaltig an Jeanpols „Informationsverarbeitungsbedürfnis“…

    @Helen Vielen Dank für den Hinweis auf die Taxonomie von Bloom – während „Wissen“ in der DIKW-Pyramide eher in den höheren Sphären ist, ist es bei Bloom ganz am Boden – interessante Kombination zweier Modelle.

    @Marcus So ein Quatsch! 🙂 #weimar

    Noch ein Gedanke: Ich habe diesen Beitrag hier offensiv in allen Möglichen Ecken (Google+, Facebook, …) geposted, und ziemlich viele Menschen haben ihr Wissen dazu in Kommentaren geäußert. Dies führt zu folgendenÜberlegungen: 1) All die Kommentatoren haben auf Basis ihres eigenen Wissens kommentiert. Erfahrungen, Konzepte, Theoriewissen, all das wurde bislang eingebracht (und ich hoffe auch noch weiterhin :-)). Das war nur möglich, weil alle dieses persönliche Wissen bereits hatten – ich vermute, keiner hat sich seine Position dabei zusammengegoogelt. 2) Ich selbst brauche Wissen, um die ganz unterschiedlichen Beiträge einschätzen zu können: Was davon möchte ich weiter verfolgen? Was sind interessante Aspekte, die mir (in meinem Kontext) zurzeit aber nicht weiterhelfen? Was klingt plausibel, was muss ich nachrecherchieren, ….? 3) Alle Beteiligten haben durch die Diskussion vermutlich in verschiedener Hinsicht und Intensität wiederum ihr Wissen modifiziert / erweitert / gefestigt / revidiert / …. 4) Ich habe neben dem Googeln durch das Anzapfen (m)eines Expertennetzwerks einen ganz anderen (bewerteten) Blick auf den Gegenstand erhalten, der mich eine andere Verlässlichkeit empfinden lässt als die Google-Suche. Diese Experten-Einschätzungen haben einen qualitativ anderen Wert.

  20. cspannagel sagt:

    @otacke Ach so, ja: Absichtlich schwarz-weiß. 🙂

  21. jeanpol sagt:

    Ja, informationsverarbeitung ist eine lebensnotwendigkeit und gehört zu den grundbedürfnissen. Ohne permanent informationen zu verarbeiten würden wir in kürzester zeit (ein paar stunden?) nicht mehr lebensfähig sein. Damit wir informationen verarbeiten, muss es spaß machen, und die informationsverarbeitung wird mental belohnt (durch kleine kicks). Das steht bereits bei Portele, 1975. Den gedanken habe ich 1985 aufgegriffen und zur basis meines anthropologigschen modells (1986, 1994) gemacht. Als ich es bei Portele gelesen habe, war es für mich zunächst nur eine information. Wissen wurde es erst dann, als ich diese information in einen größeren, didaktischen zusammenhang einordnete (motivation über angebot relevanter informationen). Aber wirklich entscheiden wurde es, als ich diese erkenntnis zu HANDLUNGSWISSEN umformte. Ab diesem zeitpunkt sah ich die menschen um mich herum als informationsverarbeitende systeme an und handelte auch entsprechend. Ich wusste: wenn du als lehrer erfolgreich sein willst, muss du permanent nach feldern suchen, die für die schüler lebensrelevante, reichhaltige informationen bieten, und meist konnte ich das im rahmen von projekten realisieren. Damit es wirklich handlungsrelevant wird, muss das erworbene wissen als handlungsdisposition automatisiert werden. fRelfexartig behandele ich schüler als informationsverarbeitende siysteme und versuche reflexartig ihr grundbedürfnis nach information zu befriedigen. LdL beurht voll und ganz auf diesem wissen, das ich zu handlungswissen umgeformt und habitualisiert habe. Und mein ganzes bestreben ist es, dieses handlungswissen durch permanentes, redundantes einspeisen in diverse felder zu verbreiten. Aber bevor mein handlungswissen zum handlungswissen meiner lehrerkollegen wird, werden mehrere generationen dran arbeiten müssen. Und das meine impulse nicht ganz untergehen, verdanke ich im augenblick Spannagel, Tacke, Gzega/Klüsener. Möglicherweise wird dieses wissen am ende doch nicht verbreitet (wie es Portele erging, der allerdings nur in der theorie und im verborgenen blieb). Aber das ist auch ein kennzeichen von wissen. Es wird nicht sofort und linear verbreitet, sondern muss immer wieder diffundiert werden, bis es eines tages tatsächlich zum kollektiven, überall verinnerlichten handlungswissen wird. Merkt euch das bitte: wir sind alle informationsverarbeitende systeme und informationsverabeitung wird im gehirm belohnt, sofern diese informationen eine bestimmte beschaffenheit hat. Aber das wäre eine vertiefung des themas, und jetzt sind meine ausführungen schon mal abgeschlossen!:-)

  22. jeanpol sagt:

    LdL beruht ganz und gar auf dem prinzip, dass menschen informationsverarbeitende systeme sind und permanent informationen zu wissen umformen und wenn der prozess wirklich erfolgreich ist, dieses wissen zu handlungwissen wird! http://books.google.de/books?id=J6kI0Tt3GRoC&pg=PA21&lpg=PA21&dq=Lange+inkubation,+pl%C3%B6tzliche+emergenz&source=bl&ots=0PJcDG3k48&sig=0LKYvvLYFW-rZibwnBKH7qAxI94&hl=de&sa=X&ei=Ld4-UZfwMMzMswbKl4CADg&ved=0CFoQ6AEwBg#v=onepage&q=Lange%20inkubation%2C%20pl%C3%B6tzliche%20emergenz&f=false

  23. Theo Byland sagt:

    Kann man Goethe „wissen“? Soll man ein Celan-Gedicht als Chunk verankern? Kann Wissen helfen beim Geniessen von Mozarts „Ave verum corpus“?
    Worum geht es eigentlich?

  24. Marion sagt:

    Schön wäre es aber, überhaupt zu wissen, dass es Goethe gab und einen Einblick in sein Werk zu bekommen, damit man sich vielleicht weiter damit beschäftigt und vielleicht auch die Literatur genießt.
    Nicht bei allen Familien findet sich eine gut aufgestellte Bibliothek. Allein darauf zu hoffen, dass der „neugiere Mensch“ es im Netz schon finden wird, ist illusorisch und verschließt u.U. eine spannende Welt.

  25. […] Christian S. Spannagel stellt Überlegungen an zum Themenkomplex “Wissen kann man googeln – eige… Unter anderem geht es um die im bibliothekarischen Bereich auch bekannte Unterscheidung zwischen Daten, Informationen und Wissen sowie im das Spannungsverhältnis von Inhalten und Kompetenzen. Lesens- und überdenkenswert! […]

  26. mdeimann sagt:

    Sehr schöner Beitrag und volle Zustimmung zur These, dass im Internet kein Wissen steckt. Das wird ja gerne von Anhängern des Connectivismus behauptet.

    Zur Frage, wer das noch behauptet fällt mir Günter Dueck ein. Ich bin darauf in diesem Beitrag eingegangen und gezeigt, dass wir heute nicht ohne weiteres von „Humboldt 2.0“ sprechen sollten.

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  27. […] Auch wenn ich an die anderen Dinge in meiner Schulzeit denke, die ich damals gelernt habe. Schon allein in den 15 Jahren hat sich das Wissen in vielen Bereichen revolutioniert. Ganz speziell trifft das  auf alle Dinge zu, die mit Computer und Programmen zu tun haben, aber auch von Dingen aus der Biologie usw. Ganz besonders fällt es mir auf, dass ich (leider) mein Lateinwissen verliere, was ich zwar schon in der Oberstufe erahnen konnte (weil ich Latein eher selten spreche ), mich aber damals trotzdem nicht daran gehindert hat in Latein zu maturieren. Was braucht der Mensch also an Wissensbildung, das für sein (zukünftiges) Leben relevant ist? Keine Ahnung!!! (Vergleich dazu eine sehr guten Artikel von Ch .Spannagl https://cspannagel.wordpress.com/2013/03/10/muss-man-eigentlich-nix-mehr-wissen/ […]

  28. […] Christian Spannagel schreibt recht unterhaltsam über den Unterschied zwischen Daten, Informationen und Wissen und darüber, ob man eigentlich nix mehr wissen muss, weil: steht ja alles im Internet. […]

  29. Thomas Eibel sagt:

    *** Grundsätzliches:
    Das gegenseitige Ausspielen oder Priorisieren von Daten-Wissen und Prozess-Wissen bzw. Wissen und Kompetenz ist meiner Meinung nach wenig hilfreich.
    Für mich stellt sich die zentrale Frage: Was brauche ich, um ein konkretes Problem erfolgreich zu lösen?
    Um z.B.: über ‚Ave Verum‘ von W.A. Mozart zu debatieren; die #Fliesenpakete zu berechnen, die ich brauche, um meinen Keller zu fliesen; einen Ausflug mit meiner Freundin zu organisieren; einen Termin beim Zahnarzt zu vereinbaren; …
    Brauche ich sofort und auswendig abrufbares Wissen, dann werde ich ‚Wissen‘ trainieren.
    Kann ich mir das Wissen mit geringem Aufwand immer und überall abholen, dann ‚verzichte‘ ich auf dieses Wissen.

    Als Beispiel verweise ich auf Telefonnummern: in meiner Jugend wusste ich alle Nummern meiner Freunde auswendig, heut gerade mal meine eigene.
    ——————————————————————————————————————————
    *** Essentielles:
    Möglicherweise geht es in dieser Diskussion und den Beiträgen in Wirklichkeit gar nicht um die Wertigkeit von Wissen im Vergleich zu Kompetenz, sondern um die höchst-persönliche Frage (mit eventuell schmerzhafter Antwort), die sich jeder von uns (Lehrern) immer wieder stellen muss:

    Wie hilfreich/notwendig/wichtig ist MEIN Wissen in dieser Gesellschaft?

    Und es tut weh zu sehen, dass vieles von diesem Wissen, dass ich vor 25 Jahren noch hoch geschätzt und mir schwer erarbeitet habe, heute einfach bereits obsolet ist (und ich mich dadurch selbst nicht mehr so gebraucht/wichtig in dieser Gesellschaft fühle).

    Ein Beispiel: Ich habe in der Schule Latein gelernt. Heute zaubert mein Latein-Restwissen gerade mal ein eher mitleidiges Lächeln auf die Gesichter in meiner Umgebung (außer auf die Gesichter jener, die damals auch Latein lernen mussten … q.e.d.).
    ——————————————————————————————————————————–
    *** Folgerungen:
    1. Das Schöne ist, dass beim Lösen eines Problems (also beim ‚Wissen‘ suchen, finden, verarbeiten und anwenden), immer auch „Wissen“ im Aktiv-„Tuenden“ dauerhaft gespeichert wird.
    Ich glaube, viele nennen dieses Tun „Konstruktivismus“ 😉

    2. Die Kleinheit des Arbeits- und die Großheit des Langzeitgedächtnisses ist wohl ein Fakt. Und genau dieses Fakt rechtfertigt den Beruf des Lehrers: er muss dem Lernenden (so kleine) Probleme stellen, die ihm das erfolgreiche Durch- und Erleben von 1. ermögichen. Das hinterlässt im Gehirn der Preson Wissen, so dass im nächsten Schritt eine Wiederholung von 1. mit einem etwas größeren Problem möglich wird.
    Ich glaube, viele nennen diese Schleife „Didaktik“ 😉

    Beispiel: Ich habe meinen Keller gefliest. Dazu musste ich die #Fliesenpakete für die Bestellung der Fliesen ermitteln. Im Laufe des Problemlösungsprozesses habe ich mir selbstständig(!) Wissen über *die Größe meines Kellers, *die Vorgangsweise zur Ermittlung der #Fliesenpakete und *die mit einem Paket verfliesbare Fläche erworben.
    (=> Ich nenne das „event-gesteuertes“ Lernen – und es ging praktisch nebenher.)
    Glücklicherweise hatte ich bereits Basiswissen über die Grundlagen der Mathematik und dort v.a. über die Flächenberechnung, so dass ich das Problem rasch und ohne Umwege lösen konnte.
    (=> Im Gegensatz zum anderen hatte ich mir dieses Wissen bereits in der Vergangenheit durch „präventives“ Lernen angeeignet – und es ging mühsam.)
    In Zukunft kann ich nun auf dieses (neu) erworbene Wissen zurückgreifen und bin so beim nächsten Keller (noch) eleganter unterwegs 🙂

    — Thomas 🙂

  30. Fontanefan sagt:

    @Martin: Der Beitrag gefällt mit gut; aber er beantwortet noch nicht die Frage nach „Ave verum“, Goethegedichten und Stéphane Hessel.
    Ich werde im Internet, wenn ich Probleme lösen will, auf sehr vieles nicht stoßen, was ich gebrauchen kann, wenn ich nicht ein umfangreiches Vorwissen und dazugehörige Fähigkeiten habe. Und es gibt genügend Situationen, wo man für Problemlösung keine Zeit hat, sein Smartphone zu befragen.
    Warum brauchte Hessel so viele Gedichte in seinem Gedächtnis (!) („Ô ma mémoire. Gedichte, die mir unentbehrlich sind.“), um auch mit KZ-Erfahrung, Altersmalaissen und Empörung über den – seiner Meinung nach – entfesselten Kapitalismus so fröhlich zu sein?

  31. Fabian Glötzner sagt:

    Wenn ich Schüler ein mathematisches Thema im Internet suchen lassen, dann sind sie meistens ganz schön am knabbern, weil ihnen oft Wissen fehlt, um das zu verstehen, was z.B. in Wikipedia steht. Ganz einfach deshalb, weil ihnen Wissen zu den Grundlagen fehlt. Das könnte ein schönes Besipiel sein, dass ohne genügend Wissen die Daten aus dem Internet manchmal nichts nützen.

  32. Oliver Tacke sagt:

    Ich möchte der Diskussion vielleicht noch einen anderen Schlenker geben. Ich bin nämlich sehr wohl der Ansicht, das Wissen im Internet steckt. Es könnte bloß sein, dass diese Gedanken in eine ähnliche Richtung führen wie beim Thema künstliche Intelligenz.

    Es wurde zweifelsfrei viel Wissen in das Internet gesteckt. Damit meine ich gar kein expliziertes Wissen, das irgendwo als Text in der Wikipedia schlummert oder in Datenbanken lagert. Es steckt in den Prozessen, die durch das Internet ermöglicht werden und in der gesamten Infrastruktur, auf der diese Prozesse arbeiten und mit Menschen verknüpft sind. Als Beispiele nehme ich ganz bewusst die von Herrn Dueck. Ich denke, wenn wir ihn auf die plakative Frage aus seinen Vorträgen reduzieren – „Wissen Sie mehr als jemand, der zwei Stunden lang gesurft hat?“ – tun wir ihm unrecht. Das seine Gedanken viel tiefer gehen als das Abrufen von Informationen (oder von mir aus Daten) aus dem Netz, machen seine Bücher „Aufbrechen“ und „Professionelle Intelligenz“ deutlich.

    Es steckt also viel Wissen im Internet. Was meine ich damit? Wenn ich vor 20 Jahren selbst einen guten Webserver aufsetzen wollte, musste ich viel wissen. Wen muss ich ansprechen, damit ich eine schnelle Anbindung bekomme? Welche Hardware-Komponenten harmonieren gut? Wie konfiguriere ich das Betriebssystem, damit alles flott läuft? Wo musste ich was anmelden? Das war nicht trivial. Dafür musste ich viel wissen! Heute gehe ich in den nächsten Kwik-E-Mart, kaufe eine kleine Kiste für ein paar Euro und stöpsele sie zu Hause an meinen ganz normalen Netzanschluss. Einschalten. Läuft. Und das ist vermutlich besser konfiguriert, als ich es mit Normalwissen könnte. Das liegt daran, dass das Wissen anderer in der Hardware gebündelt wurde und mir zur Verfügung steht. Es steckt da drin. Ich kann darauf zurückgreifen. Dass wir heute einfach eine Waschmaschine benutzen können, ohne dass die Wäsche verfärbt, einläuft oder stinkt, liegt nicht nur an den Waschmaschinen, sondern auch an die daran angepassten Waschmittel, die Kleidung, die auf kleinen Schildchen Hinweise zum Waschen enthält, usw. Das ist eine Infrastruktur rund um die Waschmaschine, und diese Infrastruktur ist auf sie abgestimmt. Da steckt Wissen drin.

    Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Internet. Ich kann darüber extrem komplizierte Prozesse in Gang bringen, die früher das Zusammenspiel und Wissen von vielen verschiedenen Menschen benötigt hätten. Ihr versteht, was ich meine? Das Wissen steckt nicht in irgendwelchen Datensätzen, sondern in dem, was mit Eingabe- und weiteren Daten von irgendwo angefangen wird. Damit lassen sich in Verbindung mit einer entsprechenden Infrastruktur viele Dinge anstellen, für die früher viele Menschen nötig gewesen wären.

    Ja, aber was sind das für Aufgaben? Einfache, standardisierbare. Genau. Aber gerade weil so viel Wissen im Internet steckt (als Erinnerung, ich meine nicht Daten, Zahlen, Fakten), können damit nach und nach Dinge erledigt werden, für die bisher Menschen benötigt wurden. Das „einfache Wissen“ wird ins Netz ausgelagert, das „schwierige Wissen“ verbleibt bei den Menschen, der Mist.

    Was bedeutet das nun für das Lernen? Kann ich alles aus dem Netz ziehen? Nein! Der Mist ist ja immer noch da. Aber der Mist vom Kleinvieh ist doch schon ganz gut im Internet angekommen. Wir bekommen doch ständig neue Möglichkeiten dazu, mit denen Dinge erklärt, visualisiert, veranschaulicht werden können. Erst gab es im Netz eigentlich nur Text und ein paar krude, kleine Bildchen. Damit ließ sich manches einfache Wissen anderen vermitteln. Für andere Sachen war es zu unanschaulich, dafür brauchte es jemanden, der es besser erklärt. Und heute? Im Internet gibt es Ton, Video mit einfachem Wissen, darauf aufbauende Prozesse, in denen schon ganz anderes Wissen von anderen drinsteckt UND obendrein auch noch die Möglichkeit, andere Menschen zu kontaktieren. Die Möglichkeiten zur Aufbereitung und bereitgestellten Prozesse zum Durchdringen sind doch enorm, finde ich. Und auch da steckt Wissen von anderen drin, mit dem es mir einfacher gemacht wird, Wissen zu erlangen.

    Das soll nicht heißen, man müsse nichts mehr wissen und könnte alles aus dem Netz ziehen. Wir bekommen doch aber Tag für Tag neue Möglichkeiten hinzu, weil Leute ihr Wissen in Prozesse stecken, mit denen wir unser bereitgestelltes Wissen ganz anders aufbereiten und verzahnen können. Das „einfache Wissen“ wird ins Netz verlagert, für den Mist bleiben Menschen – die dann womöglich ganz andere Dinge können müssen als bisher.

    So, Zugfahrt gleich vorbei. Zeit, meine morgendliche Laut-Denk-Aufschreib-Übung zu beenden.

  33. Sara sagt:

    Hallo,
    eine schöne Diskussion hat sich hier um das Thema entsponnen.

    Ich bin Master of Education-Studentin mit der Kombi Poltik/Latein.
    Gerade bei Latein stellt sich immer wieder die Frage nach dem „Sinn“ oder der Relevanz des Lateinunterrichts in der heutigen Zeit. Ebenso kann man dies bei den Fächern Kunst oder Alt-Griechisch fragen. Auch Schüler und Eltern fragen immer wieder.
    Eine Antwort darauf habe ich noch nicht in Gänze gefunden. Ich bin aber dran.

    Zur Frage ob man Wissen kanonisieren soll:
    Dazu gibt es eine interessante Diskussion in der Politikdidaktik. Durch die Kompetenzorientierung und die Erstellung von Bildungsstandards musste das politische Wissen festgelegt werden. Daraus entspann sich eine Diskussion was das relevante politische Wissen ist bzw. ob politisches Wissen überhaupt festgelegt werden kann.
    Der Aufsatz von Wolfgang Sander (2010: Kompetenzorientierung in Schule und politischer Bildung – eine kritische Zwischenbilanz) gibt einen guten Überblick über die Probleme in der politischen Bildung bezüglich der Kompetenzorientierung (bei anderen Fächern gibt es ähnliche Probleme). Abhilfe leisten nun Konstrukte wie Basiskonzepte.
    Die Frage nach einem Kanon stellt sich also auch mit der Kompetenzorientierung nun in der Schule.

    Meiner Meinung nach wurde der Begriff „Orientierungswissen“ in der ZEIT zu so einem Bildungsquiz sehr treffend illustriert:
    „Nun ist allerdings die Rede vom Orientierungswissen durchaus schönfärberisch. Zusammenhänge kann ich nur begreifen, wenn gewusste Dinge da sind, zwischen denen ich einen Zusammenhang herstellen kann. Wir können uns den Schüler als jemanden vorstellen, der einen Bach trockenen Fußes überqueren soll und sich vorsichtig von einem Stein zum nächsten bewegt. Werden die Abstände zwischen den Steinen zu groß, weiß er nicht weiter und fällt ins Wasser“ (Greiner 2012). (Ich find den Artikel gerade nicht mehr online).

    Ich denke, dies lässt sich ziemlich gut auf Google beziehen. Google bietet sozusagen diverse Steine an, doch können diese entweder sehr wacklig sein oder unereichbar bzw. nicht verstehbar. Man braucht ein gewisses Wissen um die richtigen Google-Steine auzuwählen und zu verstehen.

    Ich hoffe, ich hab dir weitergeholfen.

  34. cspannagel sagt:

    @Oliver Okay, einverstanden. In dieser Sichtweise steckt „Wissen“ im Internet. Nichtsdestotrotz löst dies nicht den folgenden (Fehl)-Schluss (und um den geht es mir vornehmlich): 1) Ich kann mir fehlendes Wissen jederzeit aus dem Internet holen 2) Also sollte man in BIldungskontexten den Fokus verstärkt auf diejenigen Prozesse legen, die man nicht aus dem Internet holen kann (Soft Skills, …). 3) Mit dieser Haltung wird des öfteren dazu geneigt, Wissen komplett abzuqualifizieren (Wissen ist heute nichts mehr wert, Wissen ändert sich eh alle zwei Jahre, …) … also verschieben wir doch den Fokus komplett auf die allgemeinen Kompetenzen….

    Du hast natürlich völlig recht damit, dass wir heute bestimmte Dinge nicht mehr wissen müssen, die in der Technologie selbst stecken… dafür muss aber anderes gewusst werden… und es gibt zahlreiches Wissen, das von dem technologischen Fortschritt überhaupt nicht betroffen ist! (also trotz Entwicklung im IT-Bereich nicht weniger relevant geworden ist)

  35. cspannagel sagt:

    @Oliver evtl. können wir uns auf folgende Sprechweise einigen: Im Internet steckt Wissen (ziemlich viel sogar). Aber: Man findet dort fehlendes Wissen nicht, das man benötigt, sondern man findet nur Informationen, auf deren Basis man sich selbst das fehlende Wissen konstruieren kann…

  36. cspannagel sagt:

    @Sara Danke für das Bild mit den Steinen – das illustriert sehr schön, dass singuläre Informationseinheiten (die vielleicht auch noch „weit“ auseinander liegen) nicht weiterhelfen, wenn ich sie nicht miteinander „vernetzen“ kann . Wen ich aber ein eigenes selbst mitgebrachtes Steinchen dazwischenlegen könnte…

  37. cspannagel sagt:

    Für den Artikel hier die Übersicht über alle Diskussionsumgebungen, in denen dieser Beitrag hier diskutiert wurde (ggf. benötigt man einen Account in der jeweiligen Umgebung, um diese einsehen zu können):

  38. Auf die Gefahr hin, dass dieser Vorschlag schon gemacht wurde (ich habe nur einen Teil der Kommentare in einem Teil der Kanäle gelesen):

    Wie sich das Wissen durch Digitalisierung und Internet verändert, hat David Weinberger in seinen Büchern „Everything is Miscellaneous“ (teilweise) und „Too Big to Know“ (vollständig) zum Thema gemacht. Ich kenne nichts Anregenderes zum Thema. Unter anderem geht es auch darum, dass die im Originalbeitrag angeführte Pyramide (Daten – Information – Wissen – Weisheit) irreführend ist. Beide Bücher sind zwischenzeitlich auch in einer deutschen Übersetzung erschienen.

  39. Oliver Tacke sagt:

    Mir war klar, dass mein Kommentar am Kern deiner Aussage vorbei ging, aber ich fand es so spannend, darüber nachzudenken 🙂

    Bei deiner Sprechweise kann ich durchaus mitgehen. Und ich denke auch nicht, dass jegliches Wissen komplett irgendwohin ausgelagert werden kann oder sollte. Ich denke aber auch, dass sich durch die Verfügbarkeit des ins Internet gesteckte Wissen die Gewichtung etwas verschoben hat – von mir aus auch hin zu Soft Skills.

  40. jfenn sagt:

    Hinweis auf den nachstehenden Vortrag, den Gunter Dueck auf der Republica 2011 gehalten hat mit der These „Das Wissen ist in der Gesellschaft“, man müsse es nur noch googeln und z.B. aus Wikipedia entnehmen. Deshalb verschwänden auch die meisten bisherigen Berufsbilder. Kompetenzen seien wichtiger als Wissen.

    Ältere Lehrer erinnert diese These mitunter an die Einführung des Taschenrechners im Matheunterricht oder an die Frage, ob Rechtschreibregeln noch gelernt werden müßten, wenn sowieso alle schreiben, wie es die Rechtschreibprüfung von MS Word empfiehlt. Dann könne man sich doch auf anderes verlegen und endlich „richtige Mathematik“ unterrichten usw.

    Als ich noch Rechtsberatung bei einem Mieterverein gemacht hatte, saßen mir diese gegoogelten Mandanten ein paar Jahre lang gegenüber, die bei stundenlangem Googeln letztlich nichts verstanden hatten, aber meinten, sie wüßten schon alles und müßten jetzt nur nochmal vorsorglich bei mir nachfragen, um sich wegen der paar Einzelheiten zu erkundigen.

    Und trotzdem erfährt man doch etwas, wenn man googelt oder wikipediert. An diesem Paradoxon müßte man ansetzen.

  41. cspannagel sagt:

    @jfenn Das Paradoxon ist vielleicht gar keins: Durch googeln und wikipedieren erfährt man etwas, wenn man ausreichend Vorwissen hat, um das zu verstehen. Anders herum: Je weniger Vorwissen man hat, desto schwieriger kann man durch googeln selbstständig etwas erarbeiten… In diesem Sinne ist (Vor-)Wissen ganz zentral für das Verständnis und die Bewertung derjenigen Dinge, die man im Web so findet…

  42. jfenn sagt:

    Ja, klar. Aber auch wer weniger Vorwissen hat, erfährt durchs Googlen etwas Neues. Die Frage wäre doch wohl, unter welchen Voraussetzungen das zu einer Vermehrung seines Wissens führt, wann man also auf diese Weise etwas Neues lernen kann und wann nicht? Ich glaube, das ist vor allem eine Frage der allgemeinen Intelligenz, weniger der formalen Vorbildung. Die weniger Begabten/weniger Schlauen werden sich schwerer damit tun, durch bloßes Googlen ihr Wissen zu erweitern.

  43. Man hört ja ab und zu so Aussagen wie (sinngemäß): „Ja, früher, da konnte man als Einzelner noch alles Wissen, aber heute schafft man das nicht mehr, wegen der Wissensexplosion!“

    Dann kam dieser Artikel zur antiken Bibliothek von Alexandria:

    http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/antike-schriften-jaeger-des-verlorenen-wissens-a-644238.html

    Ich habe den Artikel zum Anlass genommen, mal eine (vereinfachte) Rechnung aufzustellen:

    In der antiken Bibliothek von Alexandria lagerten ungefähr 500.000 Papyrusrollen. Umgerechnet sind das (nach meinen Recherchen) etwa 100.000 Bücher.

    Ein durchschnittliches Menschleben dauert etwa 30.000 Tage. Selbst wenn man ab Geburt jeden Tag ein Buch liest (und versteht…) schafft man maximal 30.000 Bücher.

    Auch in der Antike war es daher ausgeschlossen, dass ein einzelner Mensch „Alles“ Wissen konnte.

    [Des Problems der Definition von „Wissen“ bin ich mir bewusst und auch das vieles in Büchern natürlich redundant ist. Aber als grobe Richtung ist die Rechnung ja vielleicht ganz interessant.]

  44. dunkelmunkel sagt:

    Der Artikel ist jetzt erschienen:

    Spannagel, C. (2013). Allwissendes Internet? Warum man trotz Google & Co. etwas wissen sollte. Pädagogik, 13(7-8), 58-61.

    Danke nochmals an alle, die im Internet mitdiskutiert haben! Vieles davon habe ich aufgreifen können mit entsprechenden Hinweisen auf die Mitdiskutant(inn)en. Insofern ist der Beitrag ein schönes Beispiel für #openscience geworden ganz nach dem Motto: von der gemeinsamen Wissenskonstruktion bis zur Publikation. Danke!

  45. Frank Morgeneyer sagt:

    Literatur: „Erfindet euch neu! Eine Liebeserklärung an die vernetzte Generation“ von Michel Serres, französischer Philosoph. Für mich ein Ausgangspunkt in diese Diskussion, der ich im Schulalltag immer noch ohne Ergebnis bin.

  46. […] man eigentlich nix mehr wissen?”, hat Christian Spannagel kürzlich in seinem Blog gefragt. Weiter meint er: «Ein spannendes Thema, insbesondere weil einem immer wieder Statements der […]

  47. Anita sagt:

    Dein Blogeintrag ist zwar nicht mehr taufrisch aber nachhaltig alleweil. Es sind Fragen und Aussagen, die täglich aktueller werden. Du hast 2 Sätze geschrieben, nichts an Aktualität verloren haben ganz im Gegenteil. Ich zitiere:

    „Wissen findet man nicht einfach, wenn man googelt – Man findet dort Daten und allenfalls Informationen, aber kein Wissen.“

    Ich kopier dir ein ganz kurzes Video rein von jemandem der sich darüber auch Gedanken macht. Ich finde, sie passen ganz gut zu deinen Gedanken

  48. […] [Update 01.06.2019] Inzwischen bin ich auf einen Beitrag von Prof. Christian Spannagel gestoßen, den er bereits 2013 veröffentlich hat und der sehr prägnant einige wichtige Punkte anspricht: Muss man eigentlich nix mehr wissen? […]

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