Einstieg in Wikis: Erstellen eines Glossars

Veröffentlicht: Samstag, Oktober 23, 2010 in Wiki
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Ich frage mich immer wieder, wie man Studierenden in kurzer Zeit den Wert eines Wikis und dabei gleichzeitig die zu Grunde liegende Philosophie (Konnektivismus, Netzsensibilität, Partizipationskompetenz, Neuronenmetapher, verteilte Kognition, …) vermitteln kann. In Maputo habe ich etwas ausprobiert, das (so glaube ich zumindest wahrgenommen zu haben) ganz gut funktioniert hat.

Folgendes Szenario: Ich habe zwei Wochen lang in Maputo verschiedene Einheiten zu „Computer im Mathematikunterricht“ mit unterschiedlichen Inhalten gestaltet. Am Ende (das heißt am letzten Tag) galt es nun, die verschiedenen Inhalte nochmals zu rekapitulieren, zusammenzubringen und zu festigen. Die Studierenden sollten die wesentlichen Erkenntnisse zusammentragen. Hierfür habe ich eine Glossar-Seite in unserem Veranstaltungswiki angelegt, und die Studierenden sollten dort alle Begriffe, die sie kennen gelernt hatten, kurz definieren (auf die Idee des Glossars hat mich *m.g.* gebracht, der dies in ähnlicher Weise im GeoWiki versucht hatte). In Kürze die Stichpunkte hierzu:

  • Die Studierenden saßen in Zweier- oder Dreiergruppen vor Computern. Wir hatten ca. eine Stunde Zeit.
  • Jede Gruppe sollte sich selbstständig aus dem Glossar einen Begriff aussuchen, der ihnen besonders gut gefallen hat und den sie gerne definieren möchte. Die Gruppe sollte sich eine kurze, prägnante Definition überlegen und diese eintragen.
  • Wenn sie damit fertig sind, dann sollen sie sich entweder einen anderen Begriff suchen, oder sie sollen sich ansehen, was andere Gruppen geschrieben haben und dies ergänzen oder verbessern.
  • Studierende, die Probleme mit Englisch hatten, sollten den Text auf Portugiesisch einstellen. Andere Gruppen, die portugiesische Texte sehen, sollen diese dann verbessern.

Anschließend habe ich dann mit den Studierenden die Arbeitsweise in einem Wiki reflektiert und Analogien zum aktiven Plenum gesucht. Aus diesen Analogien haben wir die entsprechenden „philosophischen“ Aspekte herausgearbeitet: ein eigenes Wissen soll nicht zurückgehalten werden, verteiltes Wissen wird zusammengetragen, Emergenz, … Gerade das aktive Plenum als „offline-Variante“ und das Wiki als „online-Variante“ eignen sich gut, um in ganz unterschiedlichen Situationen gemeinsame Aspekte zu entdecken.

Ein großes Problem sehe ich noch: Es ist zwar gut verstanden worden, wie man mit einem Wiki arbeitet und wofür das gut ist. Allerdings sind die inhaltlichen Ergebnisse nicht sonderlich überzeugend. Problem: Was macht man jetzt? Die Studierenden arbeiten nicht mehr darin, und die Ergebnisse stehen nun mehr oder weniger halbfertig und halbkorrekt im Internet. Soll ich das als Dozent verbessern? Soll ich einen Kommentar auf die Seite schreiben, der die Inhalte relativiert? Any ideas?

Kommentare
  1. @spannagel
    Alle Versuche in diese Richtung, die ich mit Schülern oder Studenten – sogar mit einigen Studenten in Äthiopien – gemacht habe, führten dazu, dass einige ganz wenige Schüler oder Studenten voll auf diese Möglichkeiten einstiegen und monatelang sehr aktiv blieben. Wenn ich diese Schüler/Studenten betrachte, war es ein riesiger Erfolg. Die anderen interessierten sich nicht für diese tools und partizipierten nicht. Damit war ich insgesamt glücklich. Manchmal fand sich kein einziger, der weitergearbeitet hätte und im Netz stand eine Ruine mehr… Nicht so schlimm!:-)

  2. hi Christian

    ein vorteil dieses problems ist vielleicht der effekt, dass deine gruppe nun evtl. zum ersten mal die erfahrung gemacht hat, etwas im internet zu veröffentlichen ;:-)-

    du könntest das „produkt“ ja umbenennen, also weg vom inhalt hin zu dem prozess, als beispiel für die umsetzung der didaktisch-methodischen leitgedanken x unter den bedingungen y. dann können leser im netz das einordnen und profitieren.

    in jedem fall ist die frage spannend, ob die teilnehmer die inhalte unter anderen bedingungen mit anderen medien hätten besser rüber bringen können. wenn ein wissen noch nicht gefestigt ist, und man soll es dann noch gleich in einer ungewohnten arbeitsform in ein ungewohntes medien schleusen ist das vielleicht eine kognitive oder/und emotionale überforderung….interessanter forschungsfaden 🙂

    zum üben finde ich mixxt überigens besser, da kann man die öffentlichkeitsstufen individuell einstellen etc.

    wie lange bist du noch dort ? ich glaube es geht schon langsam dem abschluss entgegen ?

    liebe grüsse

    Jutta

  3. apanat sagt:

    Umbenennung oder Kommentar mit Einladung an Leser, das Vorhandene zu verbessern, ist m.E. am besten.
    Ruine schadet nicht, wenn sie benannt und erklärt ist.

  4. Karl Kirst sagt:

    Den Stress, jetzt selbst ein „perfektes“ Ergebnis aus dem unfertigen Ist-Zustand zu machen, solltest du dir nicht antun. Ich schließe mich der Meinung an, dass durchaus etwas als Dokumentation eines Prozesses stehen bleiben kann:

    Ein kurzer Hinweis am Anfang der Seite würde genügen, um dem Leser zu ermöglichen, die Inhalte der Seite richtig einzuordnen.

  5. Maik Riecken sagt:

    Jedes Schülerheft – und sei es noch so gut geführt – ist im Prinzip eine Ruine. Jedes mühsam angefertigte Plakat im Unterricht, jede Mindmap an der Tafel usw. – all das ist oft unfertig, ruinös. Dennoch würde niemand behaupten (nun gut, einige fielen mir da schon ein…), dass Plakate, Tafelanschriebe und Hefte usw. sinnlos wären.

    Die Frage muss eher lauten, ob die Prozesse beim Erstellen ihren Sinn hatten, gerade dann, wenn du eine neue Methode einführst:

    Fahr‘ dein erstes Auto und halte die Kiste jetzt bitte für 100m auf zwei Rädern! Klappt nicht. Aber vielleicht ist es wichtig das Auto zu fahren, um es irgendwann 100m auf zwei Rädern halten zu können. Mit einem Stützrad macht das keine Spaß. Aber vielleicht mit jemanden, der mir immer wieder sagt: „Ach setz‘ dich mal hinter das Steuer…“

    Gruß,

    Maik

    PS:
    Ich würde sowas momentan eher mit einem Blog machen…
    http://riecken.de/index.php/2010/10/rambo-riecken-arbeitet-mit-blogs-online-%e2%80%93-folge-2/

  6. cspannagel sagt:

    Vielen Dank für eure Hinweise! Ich hab’s jetzt so wie von euch vorgeschlagen gemacht. Ich leite ein mit: „This glossary is still work in progress. There are many things which can be improved. So, be free to change things or add more key terms if you think that something is missing.“

    @Jutta Ich bin schon seit einer Woche wieder hier. 🙂

  7. […] hat – neben einigen anderen interessanten Berichten aus Maputo – in seinem Blog am Ende des letzten Beitrags über den Einsatz von Wikis auf ein aus meiner Sicht wichtiges Problem hingewiesen, zu dem sich auch einige Leser in […]

  8. @Jutta Ich bin schon seit einer Woche wieder hier. 🙂

    auwei, brauchst du eine zusätzliche uhr ?? ;:-)

  9. irgendwie bleibt bei den wikis das spannungsfeld von prozess und (gutem) ergebnis. mit dem kann ich persönlich prima leben aber nicht mit voller öffentlichkeit.
    nicht, dass ich irrnisse und wirrnisse nicht zeigen wollte, aber ich möchte nicht mit allen im netz konfrontiert werden.
    das hätte aber zur konsequenz, eine ständige mit laufende qualitätskontrolle zu machen, finde ich extrem aufwändig.
    mein gedanke (unbenennen) war übrigens so gedacht, dass es als ein beitrag für lehr-lernpraxis, also auf der metaebene, erscheint und einfach so stehen bleibt. also so etwas wie eine dokumentation einer wikiarbeit auf zeit. mit dem label achtung: sackgasse. allerdings auch mit einem unbehagen den ursprünglichen teilnehmern gegenüber und nicht eigentlich dem grundgedanken eines wikis entsprechend ….

  10. Nach meiner Erfahrung liegt der Kern des Problem mit dem Einsatz von Wikis darin, dass ein Wiki häufig nur für ein genau abgesteckten Bereich, als ein spezielles Werkzeug, genutzt wird. Zum Beispiel als ein Lexikon. Wikis werden nur in seltenen Fällen als ein wirkliches Informations- und Kommunikationsmedium genutzt, in dem man täglich interagiert. Das hat zur Folge, dass die Anwenderinnen in den allermeisten Fällen ein Wiki auch nicht als Kommunikationsraum verstehen und sich dort entsprechend unsicher verhalten. Woher sollten sie es denn auch besserr wissen, eine tägliche Nutzung eines Wikis wird nur in wenigen Unternehmen oder Universitäten tatsächlich vorgelebt, oder?

    Anscheinend fällt es auch vielen Menschen (in Deutschland) schwer, eine komplette Wikiseite bearbeiten und verändern zu können. Beim Kieler BarCamp im August dieses Jahres zum Beispiel meldete man sich an, indem man auf der Wikiseite http://www.barcampkiel.de/Teilnehmer seinen Namen hinzufügte. Es war schon sehr erstaunlich, wie viele Rückmeldungen von Leuten gekommen sind, die sich nicht getraut hatten, diese Wikiseite zu »verändern« (das geht doch nicht, das darf man nicht …).

    Vielleicht ist es ja ein kulturelles Problem, dass wir speziell in Deutschland mit der Wikiidee haben. Manchmal glaube ich, dass dem so ist.

  11. […] 2 Aufrufe Christian Spannagel beschreibt in seinem Blog, wie er ein Wiki relativ erfolgreich in der Hochschule eingesetzt hat. Allerdings ist er auch auf ein Problem […]

  12. Bernd Dörr sagt:

    Hallo Christian,
    befremdet: die Diskussion um wikis ist immer dieselbe: keine Weiterarbeit nach Seminar-/Kurs-/Unterrichtsende, Qualität auf DIY-Level, Sinnhaftigkeit?
    Ich sehe es – inzwischen – ähnlich wie oben bereits geschrieben: der Prozess und die Bedeutungs- und Kontextvermittlung ist wichtig, zu 100% werden es die Rezipienten/Schülers/Studierenden nicht umsetzen, aber es bleibt immer etwas ‚hängen‘. Da setze ich auf das träge und implizite Wissen, bei dem evtl. erst Jahre später Ergebnisse zutage treten, die auf dieser Erfahrung, ein wiki geschrieben zu haben, basieren. Diese Erfahrung ist wichtig, dazu die Qualität der Vermittlung, die Du oben selber beschrieben hast, und entweder die Resultate siehst Du sofort (Begeisterung, aktive Mitarbeit…) oder erst später. Prinzip Hoffnung (,dass etwas hängengeblieben ist). Was hilft ist die Explizierung der Kriterien und des Aufbaus, dann ist wenigstens die Basis geklärt.

  13. Oliver Tacke sagt:

    Kannst du aus der Not nicht eine Tugend machen für einen anderen Kurs? Gerade für Lehrämtler könnte es doch ganz spannend sein, reale Ausarbeitungen zu einem Thema zu lesen und Schwachstellen aufzudecken, versuchen, die Gedanken dahinter zu verstehen, … – wie später vielleicht bei Arbeiten in der Schule. Und ergänzen und verbessern könnten sie es natürlich auch, quasi als Vorschlag an den Schüler.

    Habe natürlich keine Ahnung, ob das a) inhaltlich hinhaut und b) es Probleme gäbe, weil die Texte nicht in Deutsch verfasst sind.

  14. cspannagel sagt:

    @Bernd Danke – das stimmt wohl.

    @Oliver Gute Idee, das Ganze in anderen Seminaren aufzugreifen. Zurzeit habe ich aber keins, in dem das passen würde. :-)))

  15. gegen langeweile sagt:

    Dann haben die Studenten es wohl doch noch nicht vrstanden worum es geht. Denn an meiner Uni habn wir eine Wiki eingeführt weil es unsere ide war das Lernen zu erleichtern, so gibt es Beispielsweise die Möglichkeit für nicht anwesende Studenten Inhalte leichter nachzuholen über die WIKI. Darüberhinaus ist es wesentlich einfacher sich auf Klausuren oder mündliche Prüfungen vorzubereiten. selbst nach dem studium bin ich noch dankbar darüber wenn ich etwas nachschauen muss gehe ich auf die Wiki und kann es noch mal nachvollziehen. Und es erspart ne menge Papiermüll!

  16. […] Möglichkeit geben, weiterzuarbeiten und zu diskutieren. Ein Bericht aus der Praxis findet sich hier. An den Beispielen kann man erkennen, dass Wikis besonders beliebt sind, wenn es um das […]

  17. […] auch schon an anderer Stelle berichtet (C. Spannagel zu wikis), schläft das Wiki nach getaner Arbeit (Unterricht) ein und existiert nur als Datenhaufen. Diese […]

  18. […] die grundsätzlichen Potenziale, interessante Erfahrungsberichte und Tipps gibt es hier, hier, hier und […]

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