Die Maschendraht-Community wird zunehmend auch von der Presse wahrgenommen – eine sehr erfreuliche Entwicklung! Neulich erschien ein TAZ.de-Bericht zum Thema Lehrer helfen Lernern, in dem auch eine Beschreibung der MdC enthalten ist. Zudem wurde ich gestern von Deutschlandradio Kultur zum Thema Web 2.0 in der Schule interviewt – der Beitrag kann online abgerufen werden: MP3-Datei.
Kommentare
Hallo Christian,
ich habe mir gerade das Interview angehört und habe – genau wie der Moderator ein Mal auch explizit bemerkte – sehr viel „Pädagogendeutsch“ wahrgenommen, z.B. in Bezug auf „schüleraktivierende Situationen“, „Schüler führen Diskurse“, „Schüler an komplexen Fragestellungen gemeinsam arbeiten lassen“, „Lehrer als Strukturierer von Lernumgebung“ usw.
Ich nehme dieses Vokabular sehr häufig gerade von denjenigen pädagogisch Tätigen wahr, die gar nicht in der Schule unterrichten.
Sicherlich bei weitem nicht immer, aber auch gar nicht so selten zeugen diese Wortschablonen meiner Erfahrung nach nicht von wissenschaftstheoretisch notwendiger Abstraktion sondern vielmehr von einer gewissen Distanz zum wirklichen Schulleben, soll heißen bezeugen geradezu, dass man keine wirklich erlebte, konkrete Situation vor Augen hat, sondern sehr vage Vorstellungen oder gar Ideale (ich würde z.B. nie auf die Idee kommen, von meinen Diskurs führenden Schülern zu reden; meine unterhalten sich).
Bei dieser zumindest suggerierten Praxisferne wird man dann als Lehrerin natürlich ein wenig stutzig und fragt sich: Wie weit ist das Gesagte tatsächlich unterrichtstauglich und der Fachdidaktiker wirklich „vom Fach“ und damit glaubwürdig?
Darf ich dich deshalb einmal fragen, wie viel schulische Unterrichtserfahrung du besitzt?
Gruß,
Claudia
Liebe Claudia,
ich habe nicht an einer Schule als Lehrer unterrichtet, ich arbeite aber sehr schulnah. So bin ich regelmäßig im Rahmen meiner Schulpraxis-Tätigkeit an der Schule. Bei den Situationen, die ich beschrieben habe, habe ich durchaus konkrete (wenn auch nicht selbsterlebte) Situationen vor Augen. Darüber hinaus tausche ich mich mit sehr vielen Personen aus, die solche Szenarien bereits in der Schule umgesetzt haben.
Ich kann deine Bedenken verstehen – obgleich ich dir versichern kann, dass die Begriffe nicht von Praxisferne zeugen, sondern von der theoretischen Beschäftigung mit diesen Inhalten. Theoretische Auseinandersetzung bedeutet nicht gleich Praxisferne. So sprechen meine Kollegen, die früher selbst an der Schule unterrichtet haben, „genau so“. 😉
Ich nehme die Kritik aber gerne auf und werde mir Mühe geben, in Zukunft weniger theorielastige Begriffe zu verwenden.
Im Übrigen bin ich sehr bemüht darum, die Verbindung von Theorie und Praxis in meiner täglichen Arbeit umzusetzen und eben gerade nicht praxisfern zu arbeiten. Hierzu kannst du (wenn du möchtest) ja mal einen Blick auf meine Seite zur Öffentlichen Wissenschaft werfen:
http://tinyurl.com/54b8g5
Noch als Ergänzung: Ich sehe durchaus einen Unterschied zwischen „Diskurs führen“ und „unterhalten“. Ersteres dient dem Austausch von Argumenten, letzteres nicht unbedingt. 😉
Hallo, natuerlich gibt es diesen Unterschied und er beschraenkt sich wahrscheinlich nicht nur darauf; Diskurs umfasst ja auch nicht nur gesprochene Kommunikationsformen, das ist schon klar.
Der Punkt ist nicht, dass ich dein Vokabular nicht verstehe oder fuer unpraezise halte, sondern, dass ich vermutete, es zeuge davon, dass du keine konkrete Situation vor Augen hast. Und zumindest damit, dass du keine eigene schulische Praxiserfahrung hast, hatte ich ja anscheinend auch Recht. Und ich muss gestehen, das finde ich fuer einen Fachdidaktiker bedenklich. Bei allen Kontakten, die du haben magst, fehlt doch mindestens die Komponente des erlebten Moments mit all den begleitenden Emotionen, vor allen Anspannungen, Überlastungen usw – die bestimmen aber den Schulalltag zu einem hohen Maße.
Neben dem schulischen Unterrichten arbeite ich selber in der Lehrerfortbildung und habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man Wissen weitergeben will, es nahezu unabdingbar ist, Glaubwuerdigkeit durch das Aufzeigen eigener Erfahrungen zu schaffen.
Liebe Claudia,
ich kann das voll und ganz verstehen. Allerdings ist dein Urteil pauschalisierend. Ich denke bei manchem Fachdidaktiker genauso – weil ich weiß, wie er arbeitet. Du kennst mich allerdings zu wenig (würde ich einfach mal so behaupten), um das beurteilen zu können. Also: Generell würde ich deinen Bedenken zustimmen, aber nicht bei mir. 😉
Die Dinge, die ich in dem Interview erzählt habe, kommen natürlich nicht von ungefähr. Ich verwende die Werkzeuge selbst sehr intensiv (d.h. mit Leib und Seele) in meinen Seminaren. Ich weiß natürlich, dass das nicht das gleiche wie Schulunterricht ist. Ich kann meines Erachtens durch den recht intensiven Schulbezug, den wir an den PHen (zum Beispiel gegenüber den Universitäten) haben, aber relativ gut einschätzen, wie ich das auf die Schule übertragen würde und was ich dabei anders machen würde. Ich weiß auch, dass ich für dich mit diesen Beteuerungen das Glaubwürdigkeitsproblem damit nicht beseitige – aber vermutlich kann ich das auch nicht, weil du die entsprechende voreingenommene Meinung hast. Insofern ist das natürlich ok, die darfst du ja haben. 😉
Nichtsdestotrotz erlebe ich das selbst als einen Mangel, dass ich meine Ideen nicht tatsächlich kontinuierlich umsetzen kann. Daher plane ich schon seit einiger Zeit, mich um eine Schulklasse zu bemühen, in der ich zumindest einmal pro Woche ITG unterrichten kann (also zusätzlich zu meinem Job, so ähnlich wie das JPM macht). Das geht aus verschiedenen anderen Gründen nur momentan noch nicht, ich rechne aber damit, dass das innerhalb des nächsten Jahres klappen wird.
Wenn ich recht drüber nachdenke, finde ich es eigentlich schade, dass ich dich hier so schlecht vom Gegenteil überzeugen kann. Vielleicht hast du Lust, mit mir mal ein Projekt zu machen? Im nächsten Semester habe ich ein Seminar, in dem Studierende in Zweier-/Dreiergruppen Web-2.0-Projekte u.a. in Schulen durchführen. Vielleicht hast Du Lust, mit deiner Klasse an einem solchen Projekt mitzumachen? Das ist wirklich ernst gemeint. Wenn du ja sagst, kommen wir! 🙂
Das finde ich ja ‚mal ein konkretes Angebot. Evtl. sendest du die Details (per Mail)? Bereitschaft meinerseits ist da.
Gruss,
Claudia
Prima – mach ich. 🙂
[…] TAZ.de und Deutschlandradio Kultur « chrisp’s virtual comments via kwout […]
Hier nochmal das Interview in geschriebenem Wort:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/911685/
Manuelles Trackback:
Internet-Blogs im Unterricht auf TulgeyWood.
„ich würde z.B. nie auf die Idee kommen, von meinen Diskurs führenden Schülern zu reden; meine unterhalten sich“
das ist einer der Punkte die mir am besten gefallen haben …ach und: ist jemand schon aufgefallen das sich hier in diesem blog KEIN schüler beteiligt xD
evtl suchen die aber grad wiederliche pron videos raus oder spielen css …
gruß von einem ..naja
eigtl nicht mehr schüler
@Smiley Wie bereits gesagt: Ich sehe einen Unterschied in „unterhalten“ und „einen Diskurs führen“. Mir würde es nicht genügen, wenn sich meine Schüler „nur“ unterhalten.
Zur Schülerbeteiligung: Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass sich mehr Schüler hier an den Diskussionen (nicht Unterhaltungen 🙂 ) beteiligen (wobei man nie so genau weiß, wer sich hinter einem Kommentar verbirgt). Hast du Ideen, wie wir das hinbekommen könnten?
[…] klasse: Ein Projekt, das mit Claudia Börger in Bremen durchgeführt wird, und das im Rahmen einer netten kleinen Diskussion in meinem Weblog entstanden […]