Sprosse um Sprosse

Veröffentlicht: Freitag, Juli 30, 2010 in Teaching

Eine sehr lange Leiter scheint es zu sein. Ich schaue nach oben und kann das Ende kaum erblicken. Ich ergreife die nächste Sprosse und setze meinen Fuß vorsichtig auf. Ich lasse mit meiner anderen Hand los und fasse wiederum eine weitere Sprosse der Leiter, ziehe mich ein Stück nach oben. So geht es ein ganze Weile lang. Es ist anstrengend. Diese Anstrengung befriedigt mich aber in einer gewissen Weise. Ich bin es, der die Mühe auf sich nimmt und die Leiter erklimmt. Ich bin es, der – Schritt für Schritt, Sprosse für Sprosse – seinem Ziel näher kommt. Ich habe den Eindruck, dass es eine Leistung ist, die ich selbst erbringe, und ich bin stolz darauf. Ich schaue wieder nach oben, kann das Ende nicht erblicken. Zweifel überkommen mich. Bin ich überhaupt auf der richtigen Leiter? Führt sie mich an mein Ziel? Wie kann ich sicher sein, wenn ich das Ende nicht sehen kann? Vielleicht stelle ich, oben angekommen, fest, dass ich die falsche Leiter gewählt hatte? Dann müsste ich wieder hinabsteigen und eine andere Leiter suchen… Diese Gedanken wurden dadurch unterbrochen, dass ich ins Leere griff. Ich bemerkte zu spät, dass die nächste Sprosse einen viel größeren Abstand zur vorherigen Sprosse hatte als bisher. Ich strecke mich, stelle mich auf die Zehenspitzen, wohl wissend, dass ich jederzeit abrutschen könnte. Erreichen kann ich die nächste Sprosse dennoch nicht. Ich mache einen erneuten Versuch, wieder vergeblich. Die Sprosse ist zu hoch, ich komme nicht ran. Plötzlich ergreift mich eine riesige Hand. Sie ist viel größer als ich. Ich weiß nicht, woher sie kam, und ich kann nicht die Person erblicken, zu der sie gehört. Sie nimmt mich sanft zwischen die Finger und zieht mich von der Leiter weg. Ich werde ein Stück nach oben gehoben. Es kommt mir vor wie ein Wunder, die Rettung im richtigen Moment. Ich versuche die Sprosse zu ergreifen, die eben noch unerreichbar schien. Doch nun bin ich zu weit weg von der Leiter, und die Hand hebt mich weiter hoch, an der Sprosse vorbei. Auch an der nächsten und übernächsten Sprosse werde ich vorbeigehoben, immer weiter, immer höher. Schließlich setzt mich die Hand oben, am Ende der Leiter, ab. Ich bin tatsächlich am Ziel. Es war die richtige Leiter, ich habe es geschafft. Ich… nein, nicht ich habe es geschafft. Die Hand hat mich hochgehoben. Ich habe nichts mehr beigetragen. Ich habe das Gefühl, dass die Hand es mir zu einfach gemacht hat. Es war nicht meine Leistung, ans Ziel zu gelangen. Ich bin oben, aber ich bin unglücklich darüber. Ich schaue nach unten und denke: Wie schön wäre es, wenn ich jetzt sagen könnte, dass ich es geschafft habe, die Leiter zu erklimmen. Wie schön wäre es.

Mathematische Probleme sind oft für diejenigen sehr schwierig, die sich gerade in ein mathematisches Teilgebiet einfinden. Sie kennen den Lösungsweg nicht, und vieles ist im Ungewissen. Erste Ideen führen oft nicht zum Ziel, und man versucht, einen passenden Ansatz zu finden. Wenn man schließlich nach viel Mühe und nach Irrwegen die Lösung vor Augen hat, ist man stolz darauf, die Aufgabe gelöst zu haben. Manches Mal kommt man aber nicht weiter, man findet keine Ansatz, sieht den nächsten Schritt nicht. Hier ist es die Aufgabe des Lehrenden, Hilfe zu geben und zu unterstützen. Oft wird dabei aber zu viel verraten, und nicht selten sogar die Lösung. Als Student habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass Tutoren mir zu viel verraten haben. Eine ernüchternde Erfahrung – ich wollte die Aufgabe doch selbst lösen! Darüber hinaus wird auch oft geholfen, wenn noch keine Hilfe notwendig ist. Lehrende laufen durch den Raum und geben den Lernenden Tipps, wo vielleicht noch gar keine notwendig sind. Als Lehrender sieht man oft direkt, wenn ein Student in die falsche Richtung läuft, und man kann sich kaum zurückhalten, ihn nicht auf den falschen Weg aufmerksam zu machen.

Hilfe sollte nur dann gegeben werden, wenn der Lernende auch die Hilfe wünscht (help on demand). Diese Hilfe muss dann aber auch minimal sein in dem Sinne, dass der Lernende auf die nächste Sprosse gehoben wird, an eine Stelle, von der aus er selber weitermachen kann.

Wenn man weiter über dieses Bild nachdenkt, kommen einige Fragen auf: Gilt dieses Bild – neben der Lösung mathematischer Probleme – nicht für jegliche Lern- und Bildungsprozesse? Gilt es nicht immer dort, wo Hilfe gesucht und Hilfe angeboten wird? Sollte Hilfe nicht generell den Hilfesuchenden in die Lage versetzen, das Problem (was auch immer das Problem ist) selbst lösen zu können? Ist Hilfe, die dem Hilfesuchenden das Problem aus der Hand nimmt, nicht prinzipiell unpädagogisch?

Kommentare
  1. Jan-Martin Klinge sagt:

    Ebenfalls ein – wie ich finde *g* – schönes Bild, um die Mathematik zu beschreiben ist dieses hier:
    http://halbtagsblog.wordpress.com/2010/07/02/mathematik-ist-wie-dieses-bild/

  2. mons7 sagt:

    Ich frage mich sogar manchmal… ob das Ziel oben an der Leiter anzukommen das „richtige“ für mich/ Dich/ meine Studierenden ist.
    Manche wollen leiber zum Nachbarn (der Nachbarin) rüber.

    😉

    Beste Grüße

    @mons7

  3. CS sagt:

    Hallo Herr Dr. Spannagel,

    Ihr Text spricht mir aus der Seele. Ich stehe auch auf so einer Leiter fast ganz oben und frage mich oft, warum ich diese Leiter gegangen bin und habe Angst wieder runterzufallen, obwohl ich schon fast ganz oben bin. Ganz oben ist das 1. Staatsexamen. Das Fach Mathe vergrößert wohl auch die Abstände der Sprossen 😦 Die letzte erscheint so unerreichbar, bei noch so großer Anstrengung.

    Die richtigen Hilfen zu geben und zu bekommen scheint wirklich problematisch zu sein.
    Vor kurzem versuchte ich immer wieder eine Aufgabe zu beweisen, ich wollte es unbedingt alleine rauskriegen und investierte Stunden. Dann fragte ich doch jemand. Dieser erklärte mir Schritt für Schritt den Weg. Ich hatte mich so geärgert, dass ich es nicht selbst hinbekommen hatte :(, denn es war eigentlich total leicht. Ich hattte nur eine Kleinigkeit übersehen und vergessen einzusetzen und kam aber deshalb an der Stelle nicht weiter.
    Oft fehlen aber auch Beweisideen.

  4. hallo Christian 🙂

    geschichten sind einfach etwas wunderbares, sie schmiegen sich an und begleiten einen :-))

    ich überlege mir gerade, ob es bei einer lernbegleitung überhaupt jemals um fachliche hilfestellung geht ? oder eher um die aktivierung der jeweils spezifischen ressourcen ? die fachliche kompetenz des begleiters käme dann erst zum einsatz um das ziel als gewolltes zu bestätigen.
    naja, vielleicht doch etwas zu verwegen ;:-) aber in zentrum von diesem ansatz steht die stärkung der problemlösungskompetenz mit ihren vielen facetten. –

    ob es parabeln und animismen für mathematik gibt ? oder man sie erfinden kann ??…..

    oder ob es für den einen oder anderen hilfreich sein kann zwischendurch formeln zu verbildlichen ?

    ein anregender weg zu lehren könnte sein die lernenden den weg von der skulptur zur mathematischen sprache suchen zu lassen…nach komplexität angepasst natürlich.

    IMAGINARY – through the eyes of mathematics
    http://www.youtube.com
    http://www.imaginary-exhibition.com/

    dafür dass mein mathematisches verständnis noch eben bis zur 9. realschulklasse reicht, habe ich den mund ziemlich voll genommen. meiner fantasie hat dieser umstand aber nicht geschadet ;:-))

    lg Jutta

  5. „Ich hatte nur eine Kleinigkeit übersehen und vergessen einzusetzen…“

    das scheint mir so oft der fall zu sein. ich kenne es auch im umgang mit einer neuen software. ich WILL es unbedingt raus kriegen, versuche stundenlang. schaffe es nicht. lass es schliesslich ruhen über nacht. mache mich ausgeruht und absichtslos am nächsten morgen wieder dran..und siehe da: beim ersten versuch klappts, oft ohne dass ich benennen könnte, wo der haken lag. –

    es gibt einen interessanten podcast von Manfred Spitzer: „Warum wir Fehler machen“ (swr2 Wissen, direkt unter stichworten googlen) was ich gerade erinnere ist folgendes: unser gehirn registriert wenn wir fehler machen und macht sie trotzdem, ein interessanter vorgang…..

  6. Lisa Rosa sagt:

    Deine Erfahrung, dass nicht zu viel, zu früh oder ungefragt in Lernprozessen geholfen – oder besser gesagt „vorgesagt“, denn es ist ja gerade keine Hilfe – werden darf, teile ich unbedingt. Ich finde allerdings das Bild von der Leiter, die Sprosse um Sprosse nach oben in die eine Richtung führt, nicht so hilfreich. Eine Spirale, bei der es auch in die Horizontale geht – nicht nur in die Vertikale – und mit der dadurch verschiedene Lösungswege betreten werden, und auf höherem Niveau ehemalige Probleme neu gedacht werden, gefällt mir als Modell besser. Und immer: drei Schritt vor, zwei zurück … Lernprozesse leben auch vom Verarbeiten von Fehlern und dem Wiederherausfinden aus Sackgassen. Bei der Leiter gibt’s nur: rauf, rauf, rauf .. („aber vielleicht ist es die falsche Leiter?“ – eben! und dann ist sie ja auch dann falsch, wenn man hinaufgezogen wird!)

  7. m.g. sagt:

    Hallo Christian, liebe alle,
    bei dem interessanten Thema bleibt es nicht aus, dass ich der Öffentlichkeit zum n+1 mal eine vor Jahren im Schulpraktikum erlebte Begebenheit zum Besten gebe: Es hatte mich mit den Studenten in eine Grundschule verschlagen (eigentlich nicht so mein Ding). Wir waren in einer zweiten Klasse. In der Stunde, über die es hier zu berichten gilt, ging es um das Lösen einer Sachrechenaufgabe. Den Wortlaut der Aufgabe habe ich vergessen, er ist in diesem Zusammenhang auch nicht so wichtig. Die Studentin, der die Durchführung der Stunde oblag, war sehr gut vorbereitet. Die Bearbeitung der Sachaufgabe ging ihr mit den Schülern gut von der Hand. Der Text wurde analysiert, die Schüler strichen zur Lösung der Aufgabe unwichtige Teile des Textes weg unterstrichen dafür die wichtigen Angaben. Der Text wurde von den Schülern mit eigenen Worten wieder gegeben. Eine Skizze zur Verdeutlichung des Sachverhalte rundete die Arbeit an der Aufgabe ab und machte diese zu einem Lehrstück der traditionellen Bearbeitung von Sachaufgaben.

    Was blieb war die Lösung der Aufgabe. Einer der Schüler seufzt: „Jetzt brauchen wir eine Eingabe!“ Mit diesen Worten blickt er zur Decke des Klassenzimmers.

    Recht hatte er der Schüler. Das Problem des Mathematikunterrichts ist allerdings, dass wir immer so tun, als ob dem Begabten von vornherein ohne jede Anstrengung alles klar ist.

    Irgendwie scheint es mir insbesondere daran zu liegen, dass der Mathematik in Deutschland (im Gegensatz etwa zu unseren östlichen europäischen Nachbarn) ein relativ geringer Stellenwert bezüglich der Erlangung von Allgemeinbildung zugerechnet wird.

    Während meines Studiums an der Humboldt-Uni zu Ostzeiten musste ich, wie damals üblich, auch 6 Semester ML (Marxismus/Leninismus) absolvieren. Ich meine mich an eine Passage von Marx erinnern zu können, in der ein Zusammenhang zwischen der Geringschätzung der gesellschaftlichen Bedeutung von Mathematik und dem Niedergang einer Gesellschaftsform hergestellt wird. Es kann aber auch sein, dass ich mir diesen Zusammenhang nur wünsche. Vielleicht kann mir ja jemand helfen, meine bisheriegen Recherchen waren nicht von Erfolg gekrönt.

    Wie auch immer, für mich als jemandem, der in einer anderen Gesellschaftsordnung groß geworden ist, ist es immer wieder erschütternd zu erfahren, wie wenig in diesem unserem nun vereinten Land auf mathematische Bildung geachtet wird.

    Mathematik, so scheint es mir, wird vor allem als ein Werkzeug angesehen. Dementsprechend unterrichten wir Mathematik vor allem in Form von Rezepten. Gib mir einen Algorithmus und ich werde ihn anwenden. Unter Pädagogen gilt Mathematik dementsprechend als nicht kreativer Raum. (Merke: Fingerfarbe an sich ist kreativ.) Mathematik ist halt Rechnen. Letzteres können Computer besser als wir.

    Trotzdem trimmen wir Generationen von Schülern im Abarbeiten von Algorithmen. Wenn das wirklich Mathematik wäre, dann wäre ich dafür, Mathematikunterricht spätestens ab Kasse 11 abzuschaffen. Es wäre sinnvoller, gute Bücher zu lesen, ins Theater zu gehen oder Mountainbike zu fahren.

    Was hat das mit Christians Leiter zu tun, die ich im übrigen auch lieber ersetzen würde, jedoch nicht durch eine Spirale, die ja eine ebene Kurve ist, sondern durch eine Schraubenlinie. Nun, wer über viele Jahre Mathematik als eine Art Rezeptwissen verstanden hat, wird sich damit schwer tun, auf einmal kreativ werden zu sollen.

    Lasst uns endlich der Mathematik auch in der Schule die Bedeutung zu kommen, die ihr zusteht: Mathematik ist Philosophie, Kunst, Linguistik, Schönheit (Aufzählung unvollständig) und etwas was sehr viel Spaß bereiten kann. Nebenbei darf sie auch Werkzeug sein.

    Wie weit wir von dieser Einschätzung entfernt sind, verdeutlicht der Name unserer Fakultät an der PH Heidelberg: Fakultät für Natur- und Gesellschaftswissenschaften. Die Mathematik ist weder eine Natur- noch eine Gesellschaftswissenschaft. Den Kollegen, die nicht zum Fach Mathematik gehören ist das grad egal gewesen als es um die Namensgebung ging. Der Kompromiss Fakultät III ging auch nicht.

    Die Dinge sind so wie sie sind. Das Finden von Beweisen, das Lösen komplizierterer Aufgaben etc. kann man nur dadurch lernen, dass man es häufig macht. Dazu ist es auch hilfreich, wenn man die Gedanken anderer nachvollzieht. Ich persönlich bin mathematisch nicht sonderlich begabt. Nach meiner ersten Mathematikvorlesung (Existenz und Eindeutigkeit der n-ten Wurzel) war ich bereits auf dem Weg zum Studiensekretariat um mich exmatrikulieren zu lassen. Während meines Studiums hatte ich jedoch wunderbare Lehrer. Viel habe ich dadurch gelernt, deren Gedankengänge nachzuvollziehen. Irgendwann bin ich dann von selbst auf divere Beweise und Lösungen gekommen. Diesbezüglich bedarf es jedoch einer hohen Frusttoleranz. Wenn allein diese in der Schule vermittelt werden würde, wäre viel gewonnen.

    Grüße
    m.g.

  8. cspannagel sagt:

    @CS „Das Fach Mathe vergrößert wohl auch die Abstände der Sprossen“ – Das ist keinesfalls unsere Absicht. Ich habe hingegen das Gefühl, dass viele Studierende nicht bereit sind die Kraft aufzubringen, den Weg selbst zu gehen und sich helfen zu lassen in dem oben beschriebenen minimalen Sinn.

    @Jutta „oder eher um die aktivierung der jeweils spezifischen ressourcen ?“ Genau darum geht es: Aktivierung von Ressourcen.

    „mache mich ausgeruht und absichtslos am nächsten morgen wieder dran..und siehe da: beim ersten versuch klappts“ – Das ist ein bekanntes Phänomen, und für jeden, der Begriffe gerne mag: Man nennt es „Inkubation“.

    @Lisa Jetzt streiten wir uns wieder um Metaphern. ;-)))) Die Leiter ist für mich ein Bild eines einzigen Lösungsprozesses einer Aufgabe; selbstverständlich gibt es auch verschiedene Leitern, um zu der Lösung zu kommen, und manchmal schlägt man auch einen falschen Weg ein (d.h. man hat die falsche Leiter erwischt). Wenn man aber generell Mathematiklernen (oder was auch immer) betrachtet, dann trifft das Bild der Spirale oder der Schraubenlinie (@ m.g.) besser.

    @m.g. Dein Kommentar gefällt mir so gut, dass er eigentlich viel mehr Wert ist als ein Kommentar – er sollte zum Blog-Artikel werden. 🙂 Möchtest du nicht ein eigenes Weblog haben? 😉 Alternativ würde es mich freuen, wenn du einmal in meinem Blog einen Gastbeitrag schreiben würdest…

  9. CS sagt:

    @cspannagel: Ich meine damit nicht die Mathe-Dozenten, sondern die Mathematik selbst, weil sie so schwer ist bzw. mir so schwer fällt.
    Was sollte man denn Ihrer Meinung nach tun bzw. wie sollte man sich helfen lassen?
    Ich habe zwar jemanden, der mir Aufgaben erklärt und bei Schwierigkeiten hilft (leider nur zeitlich begrenzt), aber wenn dann ganz andere Aufgaben kommen als erwartet, dann sehe ich in vier Wochen schwarz. Ich weiß echt nicht, was ich noch machen soll.
    13 Jahre lang musste ich nicht viel mehr tun als nachvollziehen. Immerhin wurde mir die Freude an der Mathematik vermittelt, sonst hätte ich wohl kaum Mathe als Fach.

  10. cspannagel sagt:

    @CS Wenn Sie jetzt Staatsexamen machen, dann würde ich sagen, eine persönliche Beratung ist besser als ein Kommentar hier im Blog. Kommen Sie doch am besten in meine Sprechstunde:
    http://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:Cspannagel/Sprechstunde

  11. ixsi sagt:

    „Diesbezüglich bedarf es jedoch einer hohen Frusttoleranz. Wenn allein diese in der Schule vermittelt werden würde, wäre viel gewonnen.“

    Die Schule würde ja gern, aber man lässt sie nicht. Denn wenn der Schüler nicht sofort eine Eingebung hat, denkt er nicht weiter drüber nach, sondern verlässt sich darauf, dass er diese am Nachmittag mit seiner Nachhilfe algorithmenartig durchkaut. Das ist der leichteste, der bequemste Weg. Hauptsache, das Ergebnis und die Note stimmen am Ende.

  12. @m.g.
    „Mathematik, so scheint es mir, wird vor allem als ein Werkzeug angesehen. Dementsprechend unterrichten wir Mathematik vor allem in Form von Rezepten. Gib mir einen Algorithmus und ich werde ihn anwenden…“

    genau so war es bei mir und dieser art von lernen habe ich mich immer widersetzt, es klappte einfach nicht..

  13. @cspannagel #inkubation jaa, diesen begriff mag ich, man setzt einen reiz und lässt den „körpergeist“ arbeiten. vielleicht sind wir viel zu sehr davon überzeugt, dass lösungen nur aus bewusstem nachdenken entstehen können. aber wenn wir ein samenkorn in die erde stecken ziehen wir es auch nicht ans licht ;:-)

  14. m.g. sagt:

    @ Christian & ixsi
    Eine gemeinsame Antwort, weil es passt.

    Christian, die Probleme beim Lernen von Mathematik sind zum einen zeitlos und zum anderen geht es natürlich um das Lernen hier und jetzt. Mit letzterem haben wir es täglich in unserer Arbeit zu tun. Du wirst keine Antworten auf deine Fragen finden, wenn Du die gesellschaftliche Komponente ausklammerst. Pädagogische und didaktische Fragestellungen beinhalten auch immer einen gewissen gesellschaftswissenschaftlichen Aspekt.

    ixsi deutet dieses damit an, dass es heute legitim ist, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Die Attributierung „legitim“ beschönigt die Wirklichkeit.
    Wenn es denn selbst nach dem Besuch des Nachhilfe“instituts“ nicht klappen sollte, kommt ein Vertreter einer mächtigen Spezies ins Spiel: der Rechtsanwalt. Rechtsanwälte können alles: Sie können im TV-Trash gewichtige Rollen spielen und Sie können natürlich die Arbeit von Mathematiklehrern einschätzen.

    Ein guter Unterricht ist die Voraussetzung für gute Leistungen der Schüler. Weil der Schüler keine guten Leistungen erbracht hat, war der Unterricht schlecht. Zum Studium der Rechtswissenschaften sollte ein Semester Aussagenlogik gehören. Liebe Freunde nichtmathematischer Studienrichtungen: Der Umkehrschluss ist nicht die Umkehrung sondern die Kontraposition.

    Rechtsanwälte tummeln sich in der Poltik. Daneben ist auch Frau Schawan eine Politikerin. Politik kann etwas, was Lehrer nicht können. Politik kann uns alle per Dekret schlauer machen. Wenn es trotzdem nicht klappen sollte, so war der Lehrer Schuld. Die diesbezügliche Beweisführung des Rechtanwalts habe bereits dargelegt.

    „Ich habe hingegen das Gefühl, dass viele Studierende nicht bereit sind die Kraft aufzubringen, den Weg selbst zu gehen und sich helfen zu lassen in dem oben beschriebenen minimalen Sinn.“

    Wundert Dich das, vor diesem von mir beschriebenen Hintergrund? Wo stehen wir eigentlich? Wenn ein Schüler in der Grundschule aus dem Ruder läuft, dann hat er wahlweise ADHS oder er ist hochbegabt. Wir finden ständig neue Worte für alte Sachverhalte. Früher war man schlecht erzogen, heute ist man hochbegabt.

    Die Bundesjugendspiele kennen nur Gewinner. Sollte noch ein Gewinner fehlen, die Eigenschaft, dass die Menge der natürlichen Zahlen zu gewissen ihrer Teilmengen gleichmächtig sein kann, hilft.

    Stellt ein Schüler einen Ghettoblaster auf den Boden und stammelt dazu üble Reime, so haben wir ein tolles Projekt. Wir sind so toll weil wir so toll sein wollen.

    Sogar im öffentlich rechtlichen Fernsehen wird die deutsche Sprache verhunzt und wir brüllen im Chor „Ich kann Kanzler“ .

    Vielleicht sollten wir es den vielen amerikanischen Tschaka- Tschaka-Kursen gleichtun und gemeinsam brüllen „Ich kann Mathematik“. Eine Wirkung werden wir jedoch nur erzielen, wenn wir pro Teilnehmer 100 Euro verlangen.

    Damit hätten wir dann auch das Haushaltsloch der PH gestopft.

    Wahrscheinlich hast Du recht mit meinem eigenen Weblog.

    Viele Grüße

    m.g.

  15. […] lernt man in der Schule überhaupt Mathematik? Michael Gieding schreibt dazu in einem Kommentar in Christan Spannagels Blog: “Mathematik, so scheint es mir, wird vor allem als ein Werkzeug angesehen. Dementsprechend […]

  16. mv sagt:

    @m.g.
    „Wahrscheinlich hast Du recht mit meinem eigenen Weblog.“

    Lieber Micha, mach‘ das, würde mich sehr freuen! Deine Beiträge lese ich mit am liebsten, mit Deiner Erfahrung und klaren Sprache (manchmal bis zur Schmerzgrenze 😉 – aber eine klare substanzielle Ansage finde ich besser als einen unverbindlich fomulierten Text, bei dem man gefühlte 5 Stunden braucht, um herauszubekommen, was eigentlich gemeint ist, bzw. im schlechtesten Fall herauszubekommen, dass nichts Wesentliches oder schlicht nichts gesagt wurde) bringst Du die Dinge auf den Punkt – muss nicht immer exakt mein Punkt sein, aber auch gerade dann ist die Lektüre Deiner Gedanken besonders „reiz-voll“ im besten Wortsinn.

    Liebe Grüße von ein paar Türen weiter
    mv

  17. m.g. sagt:

    @mv
    Lieber Markus, das Kürzel mv passt für Dich, ist aber leider negativ besetzt (m.v. wäre besser). Ich erinnere mich insbesonders an einen MV, der als Bildungsminister lieber Polizisten denn Lehrer eingestellt hätte und dem Fußballverein aller Schwaben diverse Bärendienste geleistet hat.

    Ich weiß noch nicht, ob ich das mit dem Weblog wirklich machen soll. Momentan bin ich noch am Korrigieren der Klausuren. Es macht keinen Spaß! Dein obiger Beitrag legitimiert mich, die Fließbandkorrektur zu unterbrechen.

    Gut, irgendwann wird Zeit sein. An der Nordsee werde ich mich dann entscheiden. Mein Problem: Ich glaube nicht an Schwarmintelligenz (außer bei Ameisenhaufen und Bienenvölkern). Seriöse Wissenschaftler bezeichnen das Phänomen auch besser als Schwarmwissen. Eigentlich sind Blogs etc. so angelegt, dass möglichst viele ihr Wissen einbringen. Ein Blog ist von der Idee her offen für alle. Es zeigt sich in der Praxis jedoch, dass Blogs eher zum geschlossenen System werden. Das Wissen, das zum schriftlichen Vortrage gebracht wird, bleibt damit recht begrenzt. Jetzt übertrage ich einfach mal eine thermodynamische Vorstellung: In einem abgeschlossenen System verlaufen die Prozesse immer in Richtung maximaler Entropie.

    Der Umkehrschluss: Möchtest Du, dass bei deinem Blog Klarheit und Struktur des zu erörtenden Gegenstandes herauskommt, so brauchst du möglichst Störung von außen. Nach einer gewissen Zeit scheinen mir Blogs jedoch eher zu Geheimbünden zu mutieren.

    @alle
    Da wir gerade wieder beim Umkehrschluss waren. In meinem Beitrag vom zweiten August habe ich die Grundlagen rechtanwältlicher Beweistechniken ein wenig verkürzt dargestellt:
    Aussage p: L macht guten Unterricht
    Aussage q: S hat Lernerfolge
    Implikation: aus p folgt q
    Kontraposition: aus nicht q folgt nicht p
    Damit hätte der Rechtsanwalt recht, wenn er aus dem Versagen des Schülers den schlechten Unterricht von L folgert.
    Allerdings nur falls die Implikation wahr ist. Diesbezüglich wird mal gleich auch die Umkehrung der Implikation zur wahren Aussage gemacht. Wenn q dann p. Zusammen ergibt das jetzt p genau dann wenn q. Jetzt ist die gute Lehrtätigkeit von L ein Kriterium für den Lernerfolg von S. Damit haben wir dem Lehrer endgültig den schwarzen Peter zugeschoben.

    Ihr merkt: Ich hab Erfahrung im Umgang mit Rechtsanwälten.

    Hier ein paar Ausführungen von früher:
    „Aus der hohen Durchfallquote wird kühn folgende Schlussfolgerung gezogen:
    „Entweder war die Lehrtätigkeit ungenügend oder aber die Klausur war keine Leistungskontrolle aus dem vermittelten Stoff.“
    Betrachtet man die Schlussfolgerung rein mathematisch, dann wäre es wohl auch möglich, dass beides zutrifft: schlechte Lehrtätigkeit und nicht adäquate Aufgaben in der Klausur. In diesem Fall wäre die logische Verknüpfung „Exklusives Oder“ durch ein einfaches „Oder“ zu ersetzen. Das was mir als Didaktiker vielleicht in gewisser Weise noch zur Ehre gereicht (ich habe nur einen der beiden schwerwiegenden Fehler gemacht) kann ich als Mathematiker bei aller persönlicher Eitelkeit nicht ignorieren. Ich werde die für mich persönlich noch schlimmere logische Verknüpfung „Oder“ im Folgenden verwenden.
    Die Einspruchsbegründungen bauen auf einer Implikation auf, die ich im Folgenden auf das Wesentliche reduziere:
    Wenn: das Klausurergebnis ist schlecht, dann: vorangegangene Lehrtätigkeit war schlecht oder Prüfungsaufgaben waren nicht adäquat ausgewählt.
    Eine jede Implikation ist zu ihrer Kontraposition äquivalent:
    Wenn die vorangegangene Lehrtätigkeit gut war und die Prüfungsaufgaben adäquat ausgewählt wurden, dann wird das Prüfungsergebnis gut.
    Nun ist es sicherlich so, dass eine gute Lehrtätigkeit und eine entsprechende Auswahl der Prüfungsaufgaben eine notwendige Bedingung für ein gutes Klausurergebnis sind. Allerdings ist das gleichzeitige Auftreten beider Bedingungen noch lange nicht hinreichend für ein gutes Klausurergebnis.
    An dieser Stelle wird der bei Rechtsanwälten übliche Trick zur Anwendung gebracht: Die notwendige Bedingung (gute Lehrtätigkeit und adäquate Aufgabenauswahl) wird per Dekret auch zu einer hinreichenden Bedingung erklärt (Rechtsanwälte dürfen das, Mathematiker nicht.).
    Im Ergebnis dessen haben wir ein Kriterium (eine notwendige und zugleich hinreichende Bedingung) für gute Klausurergebnisse und können die Implikation, die zur Einspruchsbegründung verwendet wird, als Äquivalenz formulieren:
    Gutes Klausurergebnis genau dann, wenn zuvor gute Lehrtätigkeit und adäquate Aufgabenauswahl.
    Leider ist diese Äquivalenz keine wahre Aussage. Weder kann man aus einem guten Klausurergebnis gute Lehrtätigkeit folgern (der Dozent entwirft einen Multiple-Choice-Test, den jeder mit halbwegs gesundem Menschenverstand bestehen muss oder der durch stochastisches Ankreuzen mit großer Wahrscheinlichkeit bestanden wird) noch implizieren gute Lehrtätigkeit und adäquate Aufgabenauswahl ein gutes Klausurergebnis, sie machen es nur wahrscheinlicher.
    Rechtsanwälte dürfen darüber hinwegsehen.

    In gewisser Weise ist das nachvollziehbar. Kulturgeschichtlich gesehen haben wir es nur mit einer Wiederbelebung des Jahrhunderte alten Wunsches nach dem Nürnberger Trichter zu tun.
    Es wird einfach unterstellt, dass es diesen wirklich gibt, heute natürlich in der Light-Pädagogik-Variante. Jeder Schüler und jeder Student wird ihn sich gern ansetzen lassen. Wenn das Ergebnis danach nicht stimmt, dann beherrscht der Lehrende entweder den Trichter nicht richtig oder aber er ist bösartig und/oder faul, was in beiden Fällen dazu führt, dass dem Probanden der exakte Gebrauch des Trichters vorenthalten bleibt.
    Es liegt in der Natur der Trichteridee, dass der Proband keine eigene Verantwortung bezüglich der Lehrstoffaufnahme trägt. Auch in Fällen da er nicht pünktlich zur Vorlesung/Übung kommt (20 Minuten später ist durchaus üblich), die Vorlesung/Übung früher verlässt, während der Vorlesung nicht mitdenkt (entspricht ja auch nicht wirklich der Trichteridee) und ggf. die Vorlesung/Übung durch laute Privatgespräche stört (ein guter Trichter funktioniert auch unter solchen Bedingungen), ja in all diesen und weiteren möglichen Fällen muss das Übel einfach beim Dozenten liegen, denn die Idee, dass man Bildung eigentlich ohne eigene Anstrengung bekommen kann, ist natürlich motivierend genug.
    Das Wort Rechtsanwalt klärt seine Bedeutung: Anwalt für das Recht. Als solcher hat er es insbesondere mit der Abwendung von Unrecht für seine Mandanten zu tun. Unrecht wäre es nun, vorausgesetzt es gibt den Trichter, diesen irgendjemandem vorzuenthalten. Da die Existenz des Trichters aber offenbar ein ungeschriebenes Gesetz ist (der Mathematiker würde Axiom sagen) handelt jeder, der diese Vorenthaltung betreibt (Mathematiker scheinen diesbezüglich prädestiniert), schlicht und ergreifend rechtswidrig. Im speziellen Fall meiner Klausur kann das nur heißen:
    „Solche Durchfallquoten sind immer ein Anzeichen für fehlerhaftes und damit rechtswidriges Verhalten des Lehrpersonals.“
    Kein emotional nicht verrohter Mensch möchte natürlich ein solches Unrecht begehen. Wir unterstellen, dass ein PH-Dozent emotional normal ist. Damit befindet er sich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite hat er den Trichter nicht. Da es den Trichter offiziell aber offenbar gibt und er seiner als Dozent auch habhaft sein müsste (sonst dürfte er ja gar nicht Dozent sein) bleiben ihm nur zwei Auswege:
    1. Er tut so als wenn er ihn hat und winkt die Studierenden durch die Prüfungen. Da alle, außer dem Dozenten vielleicht, jetzt glücklich sind, fällt es überhaupt nicht auf, dass er den Trichter nicht hat. Mehr noch: Je mehr Dozenten mitmachen umso mehr ist scheinbar der Beweis geführt, dass der Trichter existiert.
    2. Er versucht, mit extremem Engagement und äußerster Hingabe den Trichter ersetzen zu können.
    Variante 2 ist zum Scheitern verurteilt.“

    Viele Grüße
    m.g.

    PS: In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Rechtsanwälte in Deutschland wohl verdoppelt …

  18. cspannagel sagt:

    @Micha „Ich glaube nicht an Schwarmintelligenz“ – Ich auch nicht. Ich glaube aber daran, dass auf einen Weblog-Artikel der ein oder andere wertvolle Hinweis als Kommentar geposted wird, der mich und andere im Denken anregen kann.

    „Eigentlich sind Blogs etc. so angelegt, dass möglichst viele ihr Wissen einbringen.“ – Nicht möglichst viele, sondern möglichst die richtigen. In der Regel abonnieren Menschen nur dann Weblogs, wenn sie in einem inhaltlichen Zusammenhang zu ihren eigenen Interessen stehen, oder wenn man den Autor persönlich kennt. Von daher ist es nur logisch, dass eine gewisse automatische „Selektion“ eintritt. Das hat aber nicht nur Nachteile, im Gegenteil: Ich finde es ja gut, wenn überwiegend Menschen kommentieren, die auch was von der Sache verstehen. Von „Geheimbünden“ kann allerdings nicht die Rede sein. Immerhin ist ja alles potenziell für alle öffentlich sichtbar. Und sinnvolle „Störungen von außen“ kommen nicht von möglichst vielen, sondern von möglichst inhaltlich kompetenten Personen. Problematisch ist aus meiner Sicht oft nur, dass manche Personen sich nicht getrauen zu kommentieren, weil sie denken, sie seien nicht kompetent genug, und so wertvolle Gedanken „verloren“ gehen.

  19. Nach diesem vorangegangenen Austausch fällt es auch sehr schwer irgendwie kompetent zu wirken. 😉 Dennoch, eine zum Nachdenken erregende Kommentarkultur.

    Ein Gedanke der bisher nur wenig in den Fokus geriet – als Pädagogenweisheit manifestiert in der Praxis fast ignoriert: die Lernenden da abzuholen wo sie sind.

    Die Leitermetapher von Christian unterstellt einen gewissen Ehrgeiz, worauf er schließt, dass manche Hilfe allein deshalb wegrationalisiert gehört, weil dieser Ehrgeiz vorhanden ist.
    Gerade im mathematischen ist der Frust imho sehr groß…
    Nehmen wir an ein Schüler versteht einen Sachverhalt nicht. Der hilfereduzierte Pädagoge versucht den Lernenden in eine richtige Richtung zu schubsen. Der Funke springt nicht über. Der nächste Versuch des Lehrenden… erfolglos. Umso länger nun in dieser Situation und an dieser Aufgabenstellung verharrt wird, desto höher wird der Frust desjenigen, der die Aufgabe lösen möchte. Am Ende der Geschichte im worst case haben wir wieder einen Menschen „belehrt“, der Mathematik nach seinem eigenen Empfinden per se nicht kann. Ehrgeiz?!

    Deshalb finde ich ebenso wie meine Vorgänger dass eine höhere Frustrationstoleranz ein Schlüssel ist zur positiven Mathematik.

    Nicht umsonst haben wir als Studierende irgendwann gesagt: Bis wir die Mathematik studiert haben, haben wir sie geliebt.

    Mutmaßlich ist das Fach Mathematik nicht Mathematik. Und nun? Gilt es die Spreu vom Weizen zu trennen im Lehramtstudium, damit eventuell doch Mathematik Einzug in die Lehre erhält und für viele in Zukunft der Begriff Mathematik klar definiert ist? (für das Feld, gibt es aber viel kompetentere Kommentatoren als mich.)

    Wir müssen doch davon ausgehen, dass Ressourcen und Kompetenzen, sehr individuell sind. Zu schnell driftet man in der Theorie von der Realität im Klassenraum und in der Vorlesung vom Ist-Zustand ab.

    Der Ansatz ist interessant, dennoch würde ich ihn nicht verallgemeinern und behaupte, dass „Hilfe, die dem Hilfesuchenden das Problem aus der Hand nimmt“ nicht auch hilfreich sein kann um folgende Probleme zu lösen.

  20. cspannagel sagt:

    @Melanie Danke für deinen Kommentar. Du hast damit recht, dass man das Prinzip „nicht bis zum Exzess“ durchhalten sollte. Wenn der Funke nicht überspringt, dann „muss“ man irgendwann mehr zeigen als nur den nächsten Schritt.

    „Nicht umsonst haben wir als Studierende irgendwann gesagt: Bis wir die Mathematik studiert haben, haben wir sie geliebt.“ – Ernsthaft? Das fände ich tragisch. Wir wollen ja gerade das Gegenteil bewirken. Woran lag das bei euch?

  21. Imho ist das sehr individuell. Wir sind im Abitur bis zur Kurvendiskussion gekommen … keine Beweise, Logarithmen und und und. Es dauerte bei mir trotz steten Lernens 2 Semester bis ich die Sprache einigermaßen verstanden habe und einsetzen konnte. Das war alles so anders, so abstrakt so wenig das, was man bisher von der Mathematik kennengelernt hatte. Es hat halt sehr wenig miteinander zu tun… und ich denke da liegt der Knackpunkt. Der Graben zwischen dem reinen Abitur und dem Studium ist sehr tief und breit.
    Das gilt sicher nicht für alle, aber wenn man wie ich über den zweiten Bildungsweg das Abitur erlangt, dann muss man schon immenses Glück haben, dass in der Schulzeit nicht nur rechnen und rudimentäre Analysis vermittelt wird.
    Ihr Dozenten habt dann ein sehr breites Spektrum vor euch sitzen… ob ihr diese „Tragik“ händeln könnt liegt vor allem an der individuellen Einstellung von allen Beteiligten.

  22. cspannagel sagt:

    @Melanie Hier müssen wir (als Hochschule) uns überlegen: Was können wir voraussetzen, was müssen wir voraussetzen? Das ist wirklich ein Dilemma, in dem die Hochschule hier steckt (und dies wird oft wahrgenommen): Abiturienten bringen immer weniger mathematische Kenntnisse und Fähigkeiten mit ins Studium. Wie soll man darauf als Hochschule reagieren? Die Anforderungen herunterschrauben? Dann würde man bei der Abwärtsspirale mitwirken. Meiner Ansicht nach muss sich stattdessen etwas im gymnasialen Mathematikunterricht ändern (auch beim zweiten Bildungsweg). Im Abitur bis zur Kurvendiskussion zu kommen ist schon wirklich hart. (Und dabei zweifle ich auch den Wert dieser an.) Das kann man dir und anderen, denen es ähnlich geht, natürlich nicht vorwerfen. Aber gewisse Dinge muss man voraussetzen dürfen (letztlich die Inhalte und Kompetenzen, die in den Bildungsplänen für die Oberstufe stehen).

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