Archiv für die Kategorie ‘Forschungsmethodik’

Fazit meines Kurses in Mosambik

Veröffentlicht: Mittwoch, Oktober 5, 2011 in Forschungsmethodik, Maputo
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Der Workshop ist nun vorbei, und mein Aufenthalt in Mosambik neigt sich dem Ende zu. Zeit, ein Fazit zu ziehen, wie ich finde.

  • Alle Studierenden haben nun ein Forschungsthema und eine Forschungsfrage für sich gefunden, und viele haben auch schon ein gutes Stück des Exposés fertig gestellt. Einige der Fragen sind noch zu breit angelegt. Diese dürfen sich aber ohnehin noch in den nächsten Wochen ändern. Für die Problematik an sich sind die Studierenden aber sensibilisiert.
  • Die einfachste Art und Weise, Studierende auf die Unbeantwortbarkeit einer Forschungsfrage aufmerksam zu machen, ist die Frage nach der Methode, wie sie diese beantworten wollen. „What is your research question?“ – „Why do so many students fail in mathematics in secondary school?“ – “Okay. How do you want to answer it?” – “What?” – “How do you want to answer it?” – “I will ask the teachers.” – “Will you then get the reasons, or the teacher’s view on the reasons?” – …
  • Wieder einmal gelernt: Räume viel Zeit für Diskussionen ein. Am letzten Tag des Workshops haben Studierende ihre Frage und die Forschungsmethodik präsentiert, anschließend wurde lebhaft hinterfragt. In 4 Stunden Workshop haben wir 5 Präsentationen gehabt. Das ist nicht besonders viel, was aber zeigt, dass jede einzelne der Präsentationen äußerst kritisch diskutiert wurde. Während der Diskussionen ist mir ein Bild eingefallen, dass ich beim nächsten Workshop dieser Art verwenden werde: Die Zuhörer sollen während der Präsentation die Position eines Detektivs einnehmen. Wo sind mögliche Fehler? Wo steckt der Wurm im Forschungsansatz? Also: Detektivmütze aufsetzen, Lupe in die Hand nehmen und ganz genau hinsehen!

Darüber hinaus sind mir einmal wieder die folgenden Dinge bewusst geworden:

  • Weniger Sorgen machen. Alles klappt irgendwie, auch wenn es nicht eine Woche vorher bereits geplant wurde. DAS kann man wirklich in Mosambik lernen. Morgige Probleme lösen wir morgen, nicht heute. Denn es kann passieren, dass diese Probleme morgen keine mehr sind, weil sich irgendwas im Kontext geändert hat.
  • In Deutschland haben wir viel zu hohe Ansprüche. Wenn in Mosambik mal etwas langsamer geht, dann gedulden sich alle. Wenn hier mal etwas nicht funkioniert, dann macht man es eben irgendwie anders. In Deutschland hätte man längst genörgelt oder sich beim Chef beschwert. Die Menschen in Mosambik haben einfach eine ganz besondere Freundlichkeit den Menschen und dem Leben gegenüber. Ein mosambikanischer Student, der ein paar Wochen in Deutschland war, hat die Deutschen folgendermaßen charakterisiert: „They don’t smile.“ Das spricht Bände.
  • Ein guter Internetanschluss ist lebensnotwendig. 🙂

Darüber hinaus hab ich noch ein paar weitere Medien online gesammelt:

Welche Methode ist die effektivere?

Veröffentlicht: Sonntag, Februar 6, 2011 in Forschungsmethodik, LdL

Im Bildungsbereich stell sich immer wieder die Frage, welche Unterrichtsmethoden eigentlich effektiver sind als andere. Damit verbunden ist auch immer der Wunsch nach Vergleichsstudien. Eine schwierige Kiste.

Durch ein kurzes Twitter-Intermezzo mit jeanpol, otacke und herrlarbig über diesen Forenbeitrag fühle ich mich dazu angeregt, mal was darüber zu bloggen.

Methodenvergleiche sind schwierig: Man muss versuchen, einen Schulversuch so zu gestalten, dass die Methode als unabhängige Variable (bzw. als Faktor) eingeht und sich keine anderen „Schmutzvariablen“ einmischen. So kann man beispielsweise nicht Methode A von Lehrer X in Klasse i durchführen lassen und Methode B von Lehrer Y in Klasse j, weil hier viel mehr variiert wird als nur die Methode: Wenn Klasse j besser abschneidet, dann muss das nicht an Methode B liegen, sondern könnte auch an Lehrer Y liegen oder einfach daran, dass Klasse j besser ist. Okay, das wäre ziemlich offensichtlich nicht gut „designed“, aber – wenn man es besser machen will, wird’s schon ziemlich schnell ziemlich schwierig. Wie eliminert man denn z.B. den Einfluss der Klasse? Man benötigt vermutlich einige Klassen mehr, sodass mehrere Klassen mit derselben Methode unterrichtet werden. Dennoch sind die Versuchspersonen in Klassenverbänden organisiert, die Stichprobe ist „geklumpt“. Hier gibt es zwar zahlreiche statistische Methoden, mit denen dies berücksichtigt werden kann. So könnte man testen, ob Interaktionseffekte mit dem Faktor „Klasse“ auftreten, man macht Mehrebenenanalysen usw. Dennoch ist das mit einem erheblichen Aufwand verbunden: Zig mal muss derselbe (!) Unterricht in Klassen gehalten werden, die auf die verschiedenen Versuchsbedingungen zufällig verteilt wurden, und man muss alle anderen Einflussfaktoren möglichst konstant halten. Unterrichte also bitte nicht eine der Klassen in der 6. Stunde, während die anderen in der 1. Stunde unterrichtet wurden. Und sorge am besten dafür, dass Jonas den Micha in der Pause vorher nicht verkloppt hat, weil das Klassenthema sein wird. Ja, und stelle sicher, dass sich der Lehrer einer Klasse in der Stunde zuvor nicht abfällig über Unterrichtsforschung äußert. Oder am besten nicht mal nur eine abfällige Geste macht. Und sorge dafür, dass die Schüler alle gesund sind, damit dir kurz vor dem Versuch keine Schülerin vor die Tür kotzt und das für Aufregung sorgt (ist uns mal passiert). Am besten also, du schaffst möglichst künstliche Situationen, in denen all diese zusätzlichen Faktoren keine Rolle mehr spielen – und bewegst dich weit weg von realistischen Unterrichtssituationen. Mache dich darauf gefasst: Anschließend werden die Kritiker kommen und dir sagen, dass du zwar schöne Unterschiede in deinen künstlichen Stunden gemessen hast, aber wie ist denn die Relevanz deiner Studie für echten Unterricht? (Stichworte für die näher Interessierten: interne und externe Validität)

Nimmt man  für solche Stunden jetzt eigentlich den „richtigen“ Lehrer der Klasse oder einen „Pseudolehrer“, der zum Forschungsteam gehört? Besser den richtigen Lehrer, oder? Damit es möglichst realistisch bleibt. Dumm nur, wenn der vorurteilsbehaftet deine Methode anwenden – dann kannst du die Stunde gleich in die Tonne kloppen, weil so etwas mit Sicherheit auf die Schüler wirkt. Also doch besser einen Pseudolehrer? Dumm nur, dass der weiß, welche Methode wünschenswerterweise besser sein soll und somit evtl. subtile Signale aussendet und sich dementsprechend verhält.

Es ist ein echtes Kreuz mit Vergleichsstudien. All diese Punkte könnte man aber hinbekommen. Mit erheblichem Aufwand. Und dem Ergebnis, dass die Klassen, die mit Methode A unterrichtet wurden, in einem Lernerfolgstest um 4,5% besser abschneiden als die Klassen, die mit Methode B unterrichtet worden sind. Ein voller Erfolg also!

Man bekommt es hin. Allerdings gibt es noch ein weiteres, tiefer liegendes Problem, das nicht methodischer, sondern prinzipieller Natur ist: Es gibt nicht nur fachliche Lernziele. Oft wird aber nur an diese bei Methodenvergleichen gedacht (Die Schüler sollen anschließend z.B. mehr über das Mittelalter wissen). Oft bedingen andere Methoden aber andere Lernziele.

Beispiel A: LdL. Wenn man LdL einsetzt, dann möchte man nicht, dass die Schüler anschließend mehr Fachwissen haben. Das ist zumindest nicht das erste Ziel, das man damit verfolgt. Ja, man ist sogar froh, wenn sie aus fachlicher Sicht gleich viel lernen wie ohne LdL. Man würde aber sogar vielleicht in Kauf nehmen, dass sie sich weniger Fachwissen aneignen, dafür aber anderes lernen: Sie sollen lernen, sich ohne Angst im Unterricht zu äußern. Sie sollen lernen, keine Angst vor Fehlern zu haben. Sie sollen lernen, dass es sich lohnt, wenn man sich für etwas mit ganzem Nachdruck einsetzt. Sie sollen lernen, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Sie sollen lernen, dass sie Teil von Gruppen sind, und dass der Erfolg der Gruppe mit von ihrem Einsatz abhängt (Netzsensibilität, Partizipationsfähigkeit, …). Und und und. Und das wichtigste: Eine solche Methode muss über einen längeren Zeitraum mit einer Klasse eingeübt werden, damit sie diese Früchte trägt. Etwas, das man gerne in Kauf nimmt, wenn man die damit verfolgten Lernziele für wichtiger hält als die „herkömmlichen“. Methoden über einen langen Zeitraum einsetzen ist allerdings auch etwas, das Forschern gar nicht gefällt: Was da alles für Störvariablen mit einfließen können… Außerdem muss der Lehrer von der Methode überzeugt sein. Manoman – ich würde sagen: Vergleichende Effektivitätsforschung? Vergiss es.

Beispiel B: Computer in der Schule. Eine so alte wie sinnlose Frage ist, ob man mit computerunterstützten Methoden besser lernt als ohne. Es hängt – wie bei allen Methoden – von Schülereigenschaften, Lehrereigenschaften und ganz vielen anderen Variablen ab. Aber natürlich setze ich auch (!) den Computer in der Schule ein, nämlich a) wenn es passt und b) weil ich auch andere Lernziele damit verfolge: Die Schüler sollen lernen, mit dem Computer umzugehen, Probleme unter Nutzung des Internets zu lösen, digitale Produkte zu erzeugen usw. Und, glaubt mir: Man lernt mit Methoden, in denen Informationstechnologie eingesetzt wird, einfach besser digitale Produkte zu erzeugen als ohne.

Fazit: Unterrichtssituationen sind komplex und machen es schwer, valide Vergleichsstudien zum Einsatz von Unterrichtsmethoden durchzuführen. Es ist schwer, es ist nicht unmöglich, aber man muss sich fragen, ob es sinnvoll ist.

Experimentelle Forschung und Aktionsforschung

Veröffentlicht: Dienstag, April 7, 2009 in Forschungsmethodik
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In bin an Projekten beteiligt, in denen verschiedene Forschungsansätze eine Rolle spielen: zum einen der experimentelle Ansatz, zum anderen der Ansatz der Aktionsforschung. Das Verhältnis der beiden Ansätze zueinander ist nicht ganz einfach zu fassen. Daher bin ich dankbar, dass ich heute im Workshop The Intro Programming Course in Dagstuhl einen Vortrag über beide Ansätze halten und dabei auch einiges für mich persönlich klären durfte.

Zum Kontext: In diesem Workshop geht es um die Verbesserung der Anfängervorlesungen in der Informatik an Hochschulen. Dozenten sind hier zusammengekommen, um über die didaktische Designentscheidungen zu diskutieren. Natürlich will man irgendwie wissenschaftlich ermitteln, ob diese Innovationen auch tatsächlich effektiv sind. In diesem Zusammenhang habe ich in einem forschungsmethodischen Vortrag sowohl experimentelle Forschung als auch Aktionsforschung vorgestellt. Ich bin gespannt, wie darüber in den nächsten Tagen in Dagstuhl weiter diskutiert wird.

Ich habe meinen Vortrag aufgezeichnet und online gestellt (in üblicher Podcast-„Qualität“). Diskutiert werden darf im Wiki (oder hier). 🙂