Tafel-Wiki

Veröffentlicht: Freitag, Februar 5, 2010 in Schule, Uncategorized, Web 2.0, Wiki

Wenn man Quellen in Arbeiten verwendet, dann sollte man kritisch mit diesen umgehen – egal, um welche Art Quelle es sich handelt. Man muss wissenschaftlichen Artikeln gegenüber ebenso „grundmisstrauisch“ sein wie Wikipedia-Artikeln. Zu diesem vernünftigen Umgang mit Quellen gehört auch das Wissen, wie diese entstehen: Wissenschaftliche Artikel werden in der Regel von einzelnen wenigen Wissenschaftlern geschrieben und oft auch von solchen begutachtet. Manches Buch wird geschrieben, ohne jemals begutachtet zu werden. Und in Wikipedia entstehen Texte durch kollaborative Schreibprozesse und gegenseitige Begutachtung.

Mich würde einmal interessieren, wie viele Menschen eigentlich wissen, wie Artikel in Wikipedia entstehen. Schüler wissen es oft nicht. Diese Erfahrung habe ich zumindest neulich gemacht: Sowohl die Schüler in der 5. als auch in der 8. Klassen waren sich nicht bewusst, dass sie selbst auch jederzeit Artikel ändern können. Ihnen ist also nicht bewusst, dass Wikipedia ein Wiki ist und was das bedeutet. (Woher sollten sie das auch wissen?)

Demnächst möchte ich mit meiner 5. Klasse in einem Wiki arbeiten. Daher habe ich in der letzten Stunde das Wiki-Prinzip eingeführt. Dabei wollte ich zunächst auf allen technischen Ballast verzichten. Ich habe mich daher entschieden, ein Spiel mit den Schülern zu spielen: Tafel-Wiki.

Tafel-Wiki funktioniert folgendermaßen: Die Schüler schreiben sich zunächst auf einen Zettel irgendeinen Satz zu einem Thema auf (z.B. „Piraten!“), den sie zunächst „geheim“ halten. An der Tafel steht ebenfalls die Überschrift „Piraten!“. Anschließend darf ein Schüler seinen Satz an die Tafel schreiben und einen anderen Schüler aufrufen. Jetzt kommt ein Schaumstoffwürfel ins Spiel: Jeder Schüler, der nach vorne kommt, wirft zunächst den Würfel. Je nach Würfelergebnis führt er eine bestimmte Aktion aus:

Anschließend wir der nächste aufgerufen usw. So füllt sich Schritt für Schritt das Tafel-Wiki. Zwischendurch wird mal was gelöscht, ein Fehler eingebaut oder ein Fehler wieder entfernt.

Dies ist das Ergebnis von 15 Minuten Tafel-Wiki:

Anschließend habe ich den Schülern erklärt, dass Wikipedia ähnlich funktioniert: Alle können an dem Text ändern. Manchmal werden Fehler gemacht, und Fehler können auch wieder korrigiert werden. Zum Schluss haben die Schüler bei einer Wikipedia-Seite ihrer Wahl versucht herauszubekommen, wie viele Personen an der Seite mitgeschrieben haben.

Ich denke, dass das Prinzip „Man schreibt gemeinsam an einem Text“ den Schülern klar geworden ist. Die nächsten Schritte werden das Anmelden in unserem Schulwiki und das Füllen des eigenen Benutzeraccounts sein.

Was haltet ihr von dieser Wiki-Einführung? Habt ihr vielleicht Unterrichtsideen, wie man nun vielleicht ein ähnliches Spiel in einem echten Wiki durchführen kann? Zeitgleich können die Schüler ja schlecht an einer Seite schreiben….

Kommentare
  1. Oliver Tacke sagt:

    Klasse Idee!

    Es gibt in vielen Städten Ortswikis, zum Beispiel http://www.wf-guide.de. Wenn es bei euch auch so etwas gibt, könntet ihr dort sicher an der einen oder anderen Stelle üben. Die Schüler könnten so an anschaulichen Beispielen arbeiten (Dinge aus ihrem Leben, Informationen über ihre Straße, ihre lokale Jugendfußballmannschaft, …).

  2. herr larbig sagt:

    Meine Ausbilder sagten immer, sie wollten gerne kognitive Prozesse im Unterricht beobachten können. Deine Beschreibung klingt genau so, als ob hier ein Denk- und Verstehensprozess an- und eingeleitet worden sein.

    Die Idee gefällt mir richtig gut.

  3. portafoglia sagt:

    Ich schließe mich meinen Vorschreibern an – tolle Idee!!!

  4. deutschkunterbund sagt:

    Also wirklich toll!
    Auch in einem Fremdsprachenunterricht prima einsetzbar, ich versuche es gleich nach den Ferien zu tun – es ist eine schöne Möglichkeit für das Wieder-Eintauchen nach einer 2-wöchigen Pause.
    Bis zu dieser Zeit muss ich mir nur einen Schaumstoffwürfel zusammenbasteln:-)

    Vielen Dank für deine Idee!

  5. @ Oliver

    Danke für den Tipp mit der Webseite!
    Auch toll! Wir müssten nur einen entsprechenden WIKI auf Deutsch anlegen. Bei größeren Städten könnte man dann ein Stadtviertel beschreiben.

  6. Klaus Himpsl sagt:

    Hallo Christian,

    deine Idee ist wirklich in vielerlei Hinsicht spitze: kein Wiki, sondern die Tafel zu verwenden, und die Wiki-Regeln in ein Würfelspiel zu verpacken … war sicher eine tolle Stunde! Jetzt wär nur noch zu überlegen, wie man die Versions-History auf der Tafel abbildet 😉
    Zu den Einsatzzwecken: meine Schüler/innen waren zwar älter als deine (15-18 Jahre), aber vielleicht kannst du dir trotzdem ein paar Anregungen holen: http://himpsl.htldornbirn.vol.at/wiki/index.php/Master_Thesis (vor allem Kapitel 5). Was ich insbesondere festgestellt habe: in den meisten Fällen wurde nicht wirklich kollaborativ mit dem Wiki gearbeitet, sondern kooperativ – es ist also gar nicht so leicht, eine „wirklich gemeinsame“ Textentwicklung in der Gruppe anzustoßen.

    Ich bin jedenfalls gespannt auf deine weiteren Erfahrungen!

  7. Daniel Eisenmenger sagt:

    Tolle Idee! Ebenso einfach wie sinnvoll und anschaulich. Werd ich bei Gelegenheit gerne selbst mal ausprobieren.

  8. Jan-Martin Klinge sagt:

    Sehr cool!
    Wo bleibt die Kategorie: „Tolle Unterrichtsideen die andere nachmachen können“…?! 🙂

  9. Didaktisch hervorragend! Vielen Dank für den tollen Unterrichtseinstieg ins Thema Wiki, der sich nicht nur für Schüler/innen, sondern auch mit Studierenden und Erwachsenen genau so durchführen lässt. Ich würde keineswegs auf den analogen Tafel-Wiki-Einstieg verzichten. Ich lasse jeweils im Wiki meine Lernenden einen Wiki-Steckbrief von der eigenen Person ausfüllen, wobei ich jeweils meinen Steckbrief als Beispiel und von jedem Lernenden eine separate Wiki-Seite vorbereitet habe. Somit können die Lernenden sofort alle gleichzeitig im Wiki aktiv werden und bei Bedarf die Wiki-Befehle aus meinem Beispiel oder aus der Hilfe kopieren. Mit Lernenden in Wikipedia einen Artikel zu schreiben, ist eher frustrierend.

    Gruss Martin

  10. Nils Steinbrück sagt:

    Echt coole Idee 🙂

  11. Niederfuchs sagt:

    In der Tat – eine spannende Idee: Aber dennoch mal nachgefragt: Das Prinzip Wiki funktioniert ja an der Tafel, wie in im Software-WIKI – nur wenn mehr Personen richtig machen, als falsch – wurde das in deinem Tafel-Wiki berücksichtigt, indem auf dem Würfel mehr Zahlen dem korrigieren zugewiesen wurden, als dem verfälschen??!

    Und hatte der Begriff Piraten – etwas mit politischer Wilensbildung zu tun…?!

    Fragen über Fragen….

  12. Dogo sagt:

    Frage an den Fuchs: hat Dir die Politik die Piratengeschichten verdorben? Armutszeugnis. Wer einen Teufel sucht, der findet auch bestimmt einen.
    Wenn Du Deinen Fernseher abschaffst und wieder in der echten Welt eingetaucht bist, hast Du vielleicht wieder eine bodenständigere Perspektive 🙂

    Aber die Wiki-Idee will sich mir nicht erschließen. Kritisch mit Fremdaussagen umzugehen – klar. Ich nehme mal an, das sollte dazu dienen, die Kinder nicht alles glauben zu lassen, was schwarz auf weiß steht.

    Eine Unterrichtsstunde zu „Werbung“ wäre unter dem Aspekt bestimmt auch mal interessant.

    Und nochmal an den Fuchs: mehrere gleiche Satzzeichen direkt hintereinander zeugen von einem kranken Geist, hat meine Mama gesagt.

  13. sdinkel sagt:

    Haha: Piraten haben einen Elefant auf der Schulter 🙂
    Danke für den Lacher und für die Idee!

  14. landeskunde sagt:

    Gefällt mir sehr gut. Werde ich unbedingt ausprobieren. Gerade im DaF-Bereich ist die Funktionsweise von Wikis nicht immer leicht zu vermitteln.
    Deinen Artikel sollten wir in das ZUM-Wiki übernehmen. Was meinst du?

  15. […] funktioniert die Wikipedia? Mit seinem Tafel-Wiki hat Christian Spannagel in seinem Blog einen ebenso einfach wie anschaulichen Unterrichtsvorschlag vorgelegt, das Prinzip […]

  16. cspannagel sagt:

    Danke an alle für eure Kommentare!

    @Oliver Studenten haben mal bei mir im Seminar mit Schüler gemeinsam im Tübinger Stadtwiki gearbeitet: http://tinyurl.com/y8decoy
    Für meine Schüler habe ich ein Schulwiki bei ZUM.de einrichten lassen. Dort werde ich erst mal mit ihnen arbeiten (Link folgt).

    @Klaus Danke für den Link auf deine Arbeit – hab dadurch schon ein paar weitere gute Ideen bekommen! Danke!

    @Niederfuchs Nein, ein Würfelergebnis war „falsch machen“ und eins war „richtig machen“. Aber du hast natürlich recht – das ist eine gute Modifikation fürs nächste Mal: bei zwei Würfelergebnissen sollte man etwas „richtig machen“.

    @landeskunde Wir können ihn ja im ZUM-Wiki verlinken… mach ich gleich mal… 🙂

  17. Ribbon sagt:

    Spitzenidee! (Von dem abgesehen: Tafel schlecht geputzt, kein Lineal verwendet, keine Farben verwendet… ;))

  18. Hokey sagt:

    Mir gefällt, dass dir hier ein toller spielerischer Einstieg gelungen ist, dessen lustige Ergebnisse den Schülern hoffentlich lange helfen werden, sich zu erinnern, dass sie gemeinsam an diesem Text gearbeitet haben. Solch ein Einstieg wird dir den Übergang zu „saureren“ Arbeiten sicher erleichtern. („Erinnert ihr euch noch an den Piraten mit dem Elefanten, das machen wir heute im Wiki…“)

    Ansonsten: Form follows function. 😉

  19. Dogo sagt:

    Falls noch jemand seinen Kindern kritisches Lesen beibringen / vor Augen führen möchte, kann er mal diese beiden Artikel vergleichen lassen:

    http://www.wz-newsline.de/?redid=614176
    und
    http://www.wz-newsline.de/?redid=614563

    🙂

  20. cspannagel sagt:

    @Ribbon Der Putzzustand der Tafel ergab sich während des Spiels. 🙂

  21. […] virtual comments: Christian erklärt Schülern, wie Wikis funktionieren Generationenübergreifendes Lernen im Web III (mit Bezug zu Jean-Pol Martin) Bildungsreporter: erste […]

  22. Marco Bakera sagt:

    Vielen Dank für die schöne Idee.

  23. Tafel zum schreiben willnich!

  24. […] könnte folgendermaßen aussehen: Was ist ein Wiki und wie funktioniert es (z.B. in Form eines Tafel-Wikis, Idee von Christan Spannagel)? Welche Regeln gelten darin (Urheberrecht, Unterseiten) und wie kann […]

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