Über radikale Vernetzung und radikale Ehrlichkeit

Veröffentlicht: Freitag, Mai 7, 2010 in Twitter, Web 2.0

Mein Ausstieg aus der radikalen Vernetzung hat zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Hiermit möchte ich mich ganz herzlich bei euch für alle Kommentare und Mails, die ich erhalten habe, bedanken. Im Folgenden möchte ich ein paar Gedanken zu meinem Austritt aus Twitter, Facebook und Co. loswerden (eigentlich hatte ich ein Video gedreht, allerdings hab ich Probleme mit der Konvertierung. Also doch als Text.)

Der Ausstieg aus der permanenten Vernetzung war ein wichtiger Schritt für mich (und nicht nur für mich – danke an Gonnie für den Link). Jahrelang habe ich propagiert, dass ein Vorteil von Twitter und ähnlichen Tools ist, dass man immer und überall mit all seinen Bekannten vernetzt sein kann: ehemalige Schulkameraden, Studierende, Kollegen, Gleichgesinnte. Als problematisch hat sich für mich persönlich allerdings herausgestellt, dass ich mich zu einem „prominenten Netzknoten“ entwickelt habe, zu einem „Hub“, wie Mo und Helge es ausdrücken. Rein netzwerktheoretisch betrachtet führte dies – wie Helge bemerkt – zu einer Knotenüberlastung. Zahlreiche Verbindungen wurden immer stärker, es kamen immer mehr Anfragen an mich, und ich fühlte mich verpflichtet, darauf auch zu antworten. Im sozialen Netz erlebte ich so etwas wie eine soziale Verpflichtung zur Kommunikation. Diese Informationsvielfalt kann man als einzelner nicht bewältigen.

Welche Bedeutung hat nun die Neuronenmetapher für mich? Ich empfinde sie immer noch als grandioses handlungsleitendes Bild für Lehr-Lernsituationen. So haben Studierende in der Mathematik oft die Angst, etwas Falsches zu sagen und als dumm zu gelten. Im Sinne der Neuronenmetapher ist jeder Beitrag wertvoll – auch wenn er falsch ist. Fehlerhafte Äußerungen werden somit zum Diskussionsgegenstand, und potenzielle Denkfallen können besprochen werden, weil sie durch das Neuronenverhalten erst sichtbar werden. Allerdings hat jede Metapher ihre Grenzen. Man kann nicht permanent als Neuron agieren, weil man dadurch seine Ruhe verliert. Ich hatte einen kurzen Mailwechsel mit Jean-Pol, der daraufhin seine Metapher durch eine 10. Regel ergänzt hat: „Achtung, hohe Suchtgefahr! Das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt werden.“

Genau das trifft den Punkt: Ich werden zukünftig das Web 2.0 zielgerichtet, situationsabhängig und punktuell einsetzen. Ich werde Web-2.0-Anwendungen selektiv nutzen: In meinem Weblog werde ich punktuell durchdachte Gedankeneinheiten äußern und mit euch diskutieren. Wikis werde ich einsetzen, um mit anderen gemeinsam an Texten zu arbeiten. Und Social Bookmarking u.ä. werde ich ebenso weiterhin verwenden. Die permanente Vernetzung in Twitter und in Communities funktioniert ab einem bestimmten Vernetzungsgrad allerdings nicht mehr. Darauf werde ich verzichten.

Interessant ist, dass ich ein paar Tage vor meinem Ausstieg noch ein Euroscience Tip Sheet verabschiedet habe mit dem Titel How an open scientist can use twitter. Dort beschreibe ich, welch großen Nutzen Twitter für die öffentliche Wissenschaft hat. Dies führte bei einer Bekannten von mir zu der Frage, ob ich denn meine Überzeugungen alle drei, vier Tage ändere. Selbstverständlich nicht: Es war nur ein ungutes Zusammentreffen zweier Ereignisse, und ich habe lange Zeit die im Tip Sheet dargestellte Position uneingeschränkt vertreten. Und ich bin auch immer noch der Meinung, dass Twitter einen Nutzen hat (so wie dargestellt). Allerdings gefällt mir nun überhaupt nicht, dass ich dort nicht auf die Gefahren und Grenzen eingehe. Ich werde ein zweites Tip Sheet erstellen, das diese Punkte aufgreift.

Letztlich habe ich ein jahrelanges Selbstexperiment durchgeführt. Die Erfahrungen, die ich dabei gesammelt habe, bis hin zum Abbruch dieser Aktivitäten können nun in meine weitere Lehr- und Forschungstätigkeit einfließen. Und nicht nur in die: Ich muss mich selbst wiederfinden und weiterentwickeln.

Mein letzter Twitter-Profilspruch war: „süchtig nach Komplexität“. War es eine Sucht? Das ist eine Frage, die ich wirklich nicht beantworten kann. Ich habe zumindest keine Entzugserscheinungen in dem Sinne, dass ich das Gefühl habe, jetzt unbedingt twittern zu müssen. Aber es war schon eine gewissen Abhängigkeit, in die ich mich da begeben habe. Lange Zeit habe ich die Position vertreten, dass im Netz nicht die einzelne Person mit ihrer Entwicklung wichtig ist, sondern das, was im Netz entsteht („kollektives Wissen“). Man selbst beginnt dann, sich über seine Wirkung im Netzwerk und über den Austausch zu definieren. Demnach muss der Ausstieg zu einer Identitätskrise führen.

„Man selbst ist nicht wichtig, sondern das Netz.“ – „Nicht der einzelne ist wichtig, sondern das Kollektiv.“ Ich bekomme hier – ohne viel von Politik zu verstehen – Assoziationen zu entsprechenden politischen Systemen. Der Vergleich mag übertrieben sein, aber das Hineinsteigern in einen – ja, in letztlich einen ideologischen – Gedanken bis hin zum radikalen Bruch erinnert mich schon an die im Buch „Die Welle“ beschriebene Entwicklung. Vielleicht sollten wir darüber mal intensiver diskutieren: Verbreiten wir eine „Vernetzungsideologie“? (Diesen Gedanken hat grade ein Kollege in einem Gespräch geäußert. Überhaupt muss ich sagen, dass ich seit meinem letzten Weblog-Eintrag so viele persönliche Gespräche wie schon lange nicht mehr geführt habe – offline und intensiv.)

Da ich die „Idee der Vernetzung“ wirklich mit Vehemenz vertreten habe, ist der Ausstieg durch entsprechende Emotionen begleitet. Die Begriffe digital suicide und Grabrede treffen es ganz gut.

Letztendlich bleibt die Frage, wie man eine solche fatale Entwicklung verhindern kann. Mir ist eines klar geworden: Richtig problematisch ist am Web 2.0 die selektive Wahrnehmung. Man vernetzt sich tendenziell mit Personen, welche dieselbe Einstellung wie man selbst hat, also mit Gleichgesinnten. Peter Kruse hat dies beim tazlab in einer analogen Situation kritisiert: Wenn Firmen Mitarbeiter einstellen, dann dürfen sie sich gerade nicht diejenigen heraussuchen, die „so denken wie sie“, sondern gerade diejenigen, die komplett anders denken. Nur so ist eine fruchtbare Entwicklung möglich.

Mir ist aufgefallen, dass alles, was ich mache, bejubelt wird. Wenn ich die permanente Vernetzung propagiere (und im Zusammenhang mit dem Ideologiebegriff von oben muss ich mich wirklich fragen, ob es sich um Propaganda handelt), dann finden es alle gut. Jetzt steige ich komplett aus, und wieder finden es zahlreiche Personen gut. Ich bin extrem verunsichert, ob ich das Richtige tue, weil ich nicht weiß, wie ehrlich das Feedback im Web 2.0 ist. Ich habe neulich mit einem Kollegen darüber gesprochen, und er hat mir gesagt, dass er sich bei meiner Kritik des Schulmeister-Artikels nicht getraut hat, meine Position öffentlich zu kritisieren, weil die entsprechende „Atmosphäre“ nicht da ist, und weil es schwierig ist, solche Kritik ohne Gesten und Mimik überhaupt so zu vermitteln, ohne dabei missverstanden zu werden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich seine Kritik auch tatsächlich verarbeitet hätte – vermutlich hätte ich nicht intensiv drüber nachgedacht.

Ich habe es für einen Vorteil des Web 2.0 gehalten, immer positives Feedback zu bekommen, weil man dadurch motiviert wird, weiter zu machen, und in Flow geraten kann. Letztendlich ist dies aber ein fataler Trugschluss. Viel wichtiger ist die aufrichtige, manchmal auch harte Kritik, denn nur durch sie können wir uns wirklich (!) weiterentwickeln.

Ich war durch meine Einstellung zur permanenten Vernetzung nicht ehrlich zu mir selbst – und damit auch nicht zu euch.

Das Entscheidende, was ich in den letzten Tagen gelernt habe, ist: Radikale Ehrlichkeit ist wohl das wichtigste Gut, was wir einander schenken können. Online und offline.

Kommentare
  1. Lisa Rosa sagt:

    Hi Christian, Dein „Ausstieg“ und Deine Begründung dazu berührt mich. Ein Ausstieg aus Web 2.0 ist es ja gerade nicht, sondern eine offenbar fällige Modifikation des Verhaltens im Netz. Vielleicht hat es auch etwas mit dem Alter zu tun, dass mich solche Probleme, die Du „Sucht“ nennst, nicht ereilt haben. Ich habe mit den 2.0-Medien nie so extrem gedacht – entweder immer oder alles, oder aber gar nicht. Ich freue mich immer daran, dass ich allen Pseudoregeln (niemand stellt mir solche Regeln auf) zum Trotz, manchmal nur 1 mal im Monat blogge – eben dann, wenn mir danach ist – und manchmal tagelang gar nicht twittere, weil die offline-Kommunikation gerade so trubelig ist. Und trotzdem verliere ich weder meine Leser im Blog noch mein Netz.
    Der Begriff „Sucht“ passt glaube ich nicht. Die 10. Regel von Jeanpol scheint mir daher auch viel zu kurz geschossen. Ich glaube auch, dass das ewige „Feuern“ und das „ständige redundante Einspeisen“ und was noch immer, das in gewissen Kreisen zur Regel erhoben wurde, und das mir schon beim Gedanken daran den Blutdruck entgleisen lässt, nicht unbedingt dazu angetan war, ein menschenverträgliches selbstbestimmtes Medienverhalten zu fördern.

    Was stattdessen deutlich geworden ist – schon beobachtet vor Jahren bei Jugendlichen in MMORPGs: Mit neuen Medien müssen die Menschen immer auch ganz neue Kommunikationsgewohnheiten lernen. Man experimentiert mit ihnen und passt sie seinem Leben an ebenso, wie man auch sein Leben ihnen anpasst. Es geht nie um zweitwertiges „entweder/oder“ sondern um „sowohl als auch“, was man auch unter den Bedingungen des digital age wieder neu justieren muss. Wenn Du Dich als Hub verpflichtet fühltest, immerzu zu kommunizieren, wenn andere deine Kanäle vollstopften, kann ich gut verstehen, dass du diese Kanäle jetzt erst mal verstopfen musst. Ich glaube aber, dass sich Michael Seemanns Bejahung von Kontrollverlust, die ich unbedingt teile, nicht darauf bezieht, dass man selbst nicht mehr Herr seiner Entscheidungen sein kann und sich stattdessen vom „Kollektiv“ steuern lassen muss. Es bedeutet eher umgekehrt, dass auf allen Ebenen eingesehen werden muss, dass die Illusion, dass man (als Individuum oder als gesellsch. Institution) Kontrolle /Fremdbestimmung über andere ausüben kann, als eben Illusion deutlich geworden ist.
    Es wäre vielleicht mal gut, auch über das Verständnis von Kollektiv und Individuum und deren Verhältnis zueinander nachzudenken. Der Begriff autopoietisches psychisches System (für Individuum/Subjekt), dem alles andere Umwelt ist – also auch die Netze und Kollektive, in denen es sich bewegt – hilft vielleicht besser für ein sinnvolles Mediennutzungsverhalten als die Neuronenkiste.

  2. Jonathan sagt:

    „Ich bin extrem verunsichert, ob ich das Richtige tue, weil ich nicht weiß, wie ehrlich das Feedback im Web 2.0 ist.“

    Ob das, was Du tust, das richtige ist, musst Du für Dich selbst rausfinden! Nicht das Feedback, was Dir andere Menschen geben, ist entscheidend, sondern wie Du Dich fühlst.

    Andere Menschen können Dir dabei vielleicht insoweit behilflich sein, dass Sie Dich in irgendeiner Form dabei begleiten, herauszufinden, was Du möchtest.

  3. Lisa Rosa sagt:

    noch was:
    „Richtig problematisch ist am Web 2.0 die selektive Wahrnehmung. Man vernetzt sich tendenziell mit Personen, welche dieselbe Einstellung wie man selbst hat, also mit Gleichgesinnten.“
    Da beschreibst du sicher eine Tendenz, weil es erst mal angenehm ist, immer bestätigt zu werden, statt zu „streiten“. (Mir gefällt, wie du weißt das Markieren und Ausbuchstabieren von Differenzen.) Aber es ist nicht das Web 2.0, das die eine oder andere Tendenz hervorruft 😉 Man kann ja ebenso gut lauter Kontrastmenschen mit anderen Perspektiven in seinem google reader und in twitter haben! Genau wie im „richtigen Leben“ 😉 Die Mischung macht’s. Und das Gute an Web 2.0 im Unterschied zum „richtigen Leben“ in der Offline-Zufallsumgebung des Arbeitsplatzes und der Wohnumgebung: Man kann sich die Mischung genau so zusammenstellen, wie es einem guttut. Vorausgesetzt, man weiß, was einem guttut.

  4. Jörg Sommerfeld sagt:

    Lieber Christian,
    du forderst in deinem Schreiben harte und ehrliche Kritik ein, damit eine offene und effektive Diskussion erfolgen kann.
    Ich sehe genau da das Problem: Eine echte Diskussion auf dem schriftlichen Weg wäre zwar ideal, wird aber doch eigentlich kaum gewünscht… Ich nehme mal mich als Beispiel – ich bin „nur“ Lehrer und nicht in der forschenden Erziehungswissenschaft tätig. Mich interessieren Ideen und Eindrücke von Menschen wie dir, die sich die Zeit nehmen, sich Gedanken über Themen wie „Web 2.0“ zu machen und diese zu veröffentlichen.
    Ich lese deine Beiträge gerne – und nicht immer stimme ich zu. Dennoch reagiere ich dann nicht, denn ich habe meistens weder die Energie noch die Zeit dazu, eine solche Diskussion auch tatsächlich zu führen. So habe ich tatsächlich etwas Genugtuung empfunden, als ich von deinen anfänglichen Schwierigkeiten mit den Hauptschulklassen las, und ich hätte viel dazu sagen können – ich hatte dazu aber weder Lust noch Zeit. Ich halte deinen Ausstieg aus den vielen sozialen Netzwerken für weit übertrieben und bin der Meinung, dass man auch jeweils zwei Accounts haben darf – einen privaten und einen öffentlichen, den man auch mal ignorieren darf. Ich scheue aber die Diskussion und das Verfassen längerer Antworten – weil mir die Zeit und die Muße dazu fehlt.
    Auch diesen Kommentar habe ich mehrfach angefangen und wieder verworfen, weil ich mir dachte „Ach, was soll’s“ – aber darum geht es ja, deshalb habe ich mir trotzdem die paar Minuten Zeit genommen…
    … und währenddessen bin ich ans Telefon gegangen, habe ich die Tür geöffnet, habe ich das Babyphon gesucht, habe ich meine Tochter getröstet, habe den Hund beruhigt und mir gedacht, dass ich die Zeit und die Muße für eine Antwort eigentlich fehlt.

  5. ekirlu sagt:

    Wir saßen in der Sbahn. Von Weil der Stadt nach Ludwigsburg. Wir hatten gerade Geschichtsunterricht besucht in dem Blogs eingesetzt werden. Wir haben uns darüber unterhalten, worüber man alles forschen müsste und könnte. Du meintest, ich solle an die Hochschule, ich müsste forschen, weil Dich meine Einstellung begeistert hat. Ich meinte, dass ich sehr wohl weiß, dass ich das kann. Aber dass ich mich entscheiden muss und will, wo in meinem Leben die Schwerpunkte liegen und dass die im privaten liegen. Du meintest, dass Du Dich nicht entscheiden willst. Dass Du alles ausprobieren willst.

    Wir haben danach noch weiter diskutiert. Obwohl Du mein Prof warst, hatten wir beide das Gefühl, dass ich Dir in Lebenserfahrung voraus bin. Du hast nun alles ausprobiert. Und Deine Grenzen kennengelernt. Und Du hast Dich entschieden. Willkommen im Leben.

    Ich halte Dich immernoch für begnadet. Du hast ein Gespür für die richtigen Dinge, Du bist eine Koryphäe auf Deinem Gebiet und ohne Dich wären einige von uns nicht das was wir sind. Und dafür danke ich Dir. Ebenso danke ich Dir für Deine Offenheit, Deine Ehrlichkeit.

    In offline Begegnungen haben wir oft diskutiert. Kritik kam von mir immer wieder. Doch mir schien das Medium Internet und Blog nie geeignet dazu. Das kam mir feige vor.

    Und auch jetzt bin ich mir nicht sicher, ob mein Kommentar angebracht ist.

  6. Filterraum sagt:

    @lisa

    die neuronenmetapher hab ich als für „hochleistungssportler“ verstanden.

    sicherlich kann man sich fragen, ob so ein weg (hochleistungssportler, berufsmusiker, oder sonst was wo man sich meist „unmenschlich“ quälen muss) für einen der richtige ist.

  7. Michael sagt:

    Meiner Meinung nach müssen wir höllisch aufpassen nicht (berechtigte) persönliche Gründe, Verallgemeinerungen, Einschätzungen, Hoffnungen, Befürchtungen, Kultur, Kommunikation, Pädagogik und was weiß ich noch alles, je nach Situation mit unterschiedlicher Ausrichtung und Schwerpunktsetzung, zu einem recht beliebigen ‚persönliche und gesellschaftliche Chancen und Risiken des Web 2.0‘ Brei zu mischen.
    Nicht nur meine Kollegen aus dem pädagogischen Dunstkreis tendieren allzu leicht dazu kulturelle Phänomene und Handeln im Web 2.0 als pädagogisches Handlungsfeld zu fassen, plötzlich wird Verhalten erklärt (das böse Netz), Konsequenzen werden gefordert (Sucht bekämpfen) usw.
    Ich finde Christians subjektive Begründungen nachvollziehbar und spannend, weil er seine persönliche Sicht in Beziehung zum Web 2.0 setzt und dieses Verhältnis reflektiert. Genau das Verhältnis von subjektiven Gründen, Begründungen und Web 2.0 Phänomen ist ja das spannende.
    Twitter&Co. machen nicht irgendwas mit uns (auch nicht süchtig), sondern wir haben Gründe Twitter so oder so zu nutzen, oder es eben ganz sein zu lassen.

  8. Hallo Christian,

    du spricht in deiner Ausstiegserläuterung mehrere interessante Punkte an, dir für Wissenschaft generell wichtig sind:

    (1) Selektive Wahrnehmung und Suche nach Gleichgesinnten: Ich behaupte einmal, das beschränkt sich keineswegs auf das Netz/Web 2.0: Das ist ein generelles Phänomen, das bis zu einem gewissen Grad wohl notwendig ist (immerhin entwickeln sich auf diese Weise erste Gedanken besser weiter), aber immer auch durchbrochen werden muss – was aber überall schwer fällt und eine Herausforderung ist, der Kraft kostet!

    (2) Ehrliche Kritik statt „Guru-Verhalten“ (so nenne ich das jetzt mal): Das ist DAS zentrale Merkmal von Wissenschaftlichkeit (also die ehrliche, an der Sache orientierte Kritik) – sonst könnte man ja gleich einer Sekte beitreten. Aber auch das funktioniert in der Umsetzung sicher nur bedingt – aber eben wiederum keineswegs beschränkt auf das Netz: Wie viel kritische Nachfragen gibt es denn bei klassischen Vorträgen, wenn eine bekannte Persönlichkeit spricht? Womit wir u. a. beim Thema Peer Review wären 😉

    (3) Die Qualität von Feedback: Emotional gefärbte Zustimmung oder Ablehnung ist nun mal schneller formuliert. Argumentativ gestützte Kritik ist mühsam und wer sich diese Mühe macht, zeigt zumindest, das er sich „ehrlich“ damit auseinander getsetzt hat. Ob es dann „richtig“ ist, ist eine ganz andere Frage – immerhin muss man im Kontext der Wissenschaft nicht immer der gleichen Meinung sein und eine Entscheidung, wer „Recht hat“, dürfte in den meisten Fällen schwierig werden.

    (4) Selbstexperimente: Ich ärgere mich oft darüber, dass wir es in der Wissenschaft heute nicht schaffen, diesem Aspekt (bleiben wir mal bei der Bildungswissenschaft) einen eigenen (sicher begrenzten, aber eben überhaupt existierenden) Wert zuzuschreiben und sinnvoll in die kladsischen methodischen Vorgehensweisen zu integrieren. Es wäre mal eine Herausforderung, dieses Thema ernsthaft aufzugreifen.

    Soweit meine ehrlich gemeinten 😉 Kommentare

    Gabi

  9. […] (08.05.2010): Christian hat seinen Ausstieg nun doch etwas näher erläutert (hier), worauf ich der Vollständigkeit halber noch kurz verweisen möchte. Tags » Ausstieg, Web […]

  10. martinkurz sagt:

    @Christian:

    Ich glaube, ich bin auch ein recht typischer Leser deines Blogs, auch wenn noch nicht so lange dabei und aktiv. Deine Beiträge waren und sind mir recht wichtig, sorry, dass ich jetzt „positiv“ bin.

    Und ganz offen: du bleibst – so sehe ich es – ein „Hub“. Nur einer, der nicht mehr so viel twittert. Wenn ich mal reflektiere: Auf dich aufmerksam wurde ich eben durch Twitter. Deine Beiträge haben mich neugierig gemacht, mich aber „inhaltlich“ nicht im Denken verändert. Ich habe nur gedacht: warum hat der denn so viele Follower? Dann bin ich auf dein Blog und andere Beiträge gestoßen. Diese haben mich zum Nachdenken gebracht.

    So, was ist eine (Entschuldigung: positive) Konsequenz: Ich studiere, als gestandener Lehrer ohne Zeit, jetzt seit neustem den Masterstudiengang „Bildung u. Medien“ an der Fernuni Hagen. Und du (und andere, wie Jeanpol, u.a.) haben daran einen nicht unerheblichen Anteil: ohne eurer Web2.0-Engagement hätte ich das nie entschieden, da bin ich mir sicher. Wir benötigen Pioniere, Vorbilder, Aktive. Aus dem Grund bleibst du wahrscheinlich ein Knotenpunkt. Und diese sind wichtig, sonst passiert gar nichts.

    Logisch, dass extremes Twittern, Facebooken und Xingen (sind das Verben?) auf Dauer nicht funktionieren kann. Das kann man doch pragmatisch sehen und einordnen.

    Und noch etwas: in Blog-Kommentaren wird dir (und anderen) inhaltlich doch häufig widersprochen. Emotional nicht, klar, aber das ist doch auch gut so und meistens im RL nicht anders. Man steht zueinander, Gott sein Dank.

  11. […] Ansprüchen nicht mehr mithalten konnte, da sie mehr und mehr Lebensenergie aufsaugten. Spannagel schreibt: Im sozialen Netz erlebte ich so etwas wie eine soziale Verpflichtung zur Kommunikation. Diese […]

  12. Mindjump sagt:

    Lieber Christian,

    wir kennen uns gar nicht wirklich, aber dennoch hab ich seit Deinem ersten Blogbeitrag zu Deinem Abschied das Gefühl, es wäre richtig, Dir zu antworten. „Du“ bist mir bekannt nicht nur durch Twitter, Bildungsreporter und Blog. Auch auf dem Educamp hab ich einige Menschen getroffen, die mit einer Begeisterung von Dir sprechen, die wirklich aufrichtig ist. Das ist nur ein Grund, warum ich hoffe, Dich in Aachen persönlich kennen zu lernen.

    Du sprichtst in diesen beiden Blog-Beiträgen zu Deinem Web 2.0.-Rückzug so viele wichtige Aspekete an und zeigst durch Deine Offenheit gleichzeitig so viel Größe: Das ist so genial krass gut, das lässt sich gar nicht in Worten kommentieren!

    Beim ersten Lesen der Kommentare auf Deinen ersten Blog-Eintrag hab ich die vielen Verständnis-Beiträge nicht verstanden. Warum gleich einen völligen Cut, wenn es doch reichen würde, mal Twitter & Co. nicht aufzurufen? Das ist meine Art, wenn es mir nicht gut geht, auf das Netz zu reagieren – nämlich gar nicht.

    Die folgenden Beiträge von Dir und vielen anderen haben mir eins ganz deutlich gezeigt: Wir haben alle eine ganz eigene, individuelle Art und Weise, mit den Kommunikations-Werkzeugen umzugehen, es lassen sich keine Regeln aufstellen. Zumindest sind Regeln dafür höchst kontraproduktiv. Wenn ich nicht kommunizieren will, weil es mir nicht gut geht, dann ist das halt so – und zum ersten mal hab ich deswegen in dieser Woche kein schlechtes Gewissen gehabt. Das hab ich Dir zu verdanken – Danke!

    Liebe Grüße & viel Spaß im Leben Deiner Wahl,
    Katja

  13. cspannagel sagt:

    @Jonathan Ja, du hast recht: Letztendlich muss ich wissen, was richtig ist. Es ist nur schwierig, sich selbst ein unvoreingenommenes Bild zu machen, wenn alle um einen herum alles ganz toll finden. Man baut sich im Web 2.0 eine Umgebung, die einem das erzählt, was man hören möchte.

    @Lisa Ja, man kann sich auch im Web 2.0 eine kritische Umgebung zusammensuchen. Aber das ist schwieriger, als man denkt. Denn schließlich ist man ja gerade an denjenigen Personen interessiert, die sich mit den gleichen Dingen und den gleichen Ideen beschäftigen. Und: Gerade im Web 2.0 sind ja eher Web-2.0-affine Menschen vertreten. Wen sollte ich followen, wenn es um Twitter-Kritik geht?

    @Lisa Ich werde mich mal mit dem Autopoeisis-Sache beschäftigen. Der Begriff ist mir schon ein paar Mal über den Weg gelaufen, ich hab ihn mir aber noch nie richtig angesehen.

    @Jörg Ja, es ist mühsam, zu kommentieren und dann auch Diskussionen zu führen, insbesondere wenn man eine kritische Haltung zu dem Gesagten einnimmt. Sollten wir uns aber nicht gerade hierfür Zeit nehmen? Ich meine: Sollten wir nicht lieber solche tiefen, ehrlichen Diskussionen führen als manch einer anderen Tätigkeit nachzugehen? Ich habe mich dazu entschieden und verzichte stattdessen auf das Gedanken-Ping-Pong in Twitter.

    @ekirlu Ja, es haben viele von euch vor mir gesehen. Und ich habe es nicht wahrhaben wollen. Aber jetzt habe ich es begriffen. Wirklich begriffen.

    @Filterraum Ich sehe den Wert der Neuronenmetapher auch außerhalb von Hochleistungssport, beispielsweise in einer Phase des Aktiven Plenums in Vorlesungen. Dies ist aber eben punktuell. „30 Minuten Neuron“ sein kann produktiv sein. 3 Jahre lang nicht.

    @Michael Ich will auf keinen Fall meine Situation verallgemeinern (falls du das meinst). Es ist eine persönliche Erfahrung, die ich teile. Und diese persönliche Erfahrung bringe ich zukünftig in meine Arbeit ein.

    @Gabi (2) Ja, Guru-Verhalten ist der Wissenschaft abträglich. Wir müssen dagegen radikal vorgehen. Die Frage ist nur, wie. Das Web 2.0 hatte ich gerade als Chance gesehen, Diskussionen „auf gleicher Augenhöhe“ stattfinden zu lassen und hierdurch traditionelle Guru-Phänomene zu durchbrechen. Nur leider scheint dies nicht mit Web-2.0-Gurus zu funktionieren.

    @Gabi (4) Zu Selbstexperimenten: Hierzu werde ich vermutlich meinen nächsten Weblog-Beitrag verfassen, und ich würde mich freuen, dort mit dir bzw. euch darüber zu sprechen.

    @martinkurz Du sprichst etwas Wichtiges an: Über Twitter aufmerksam werden, durch Weblogs zum Nachdenken angeregt werden. Das ist ziemlich genau der Wert der beiden Werkzeuge. Leider erfordert Twitter – so, wie ich es verwendet habe – zu viel Kraft, um andere aufmerksam zu machen. Ich lasse es bleiben und hoffe, dass meine Weblog-Artikel auch auf andere Weise Aufmerksamkeit erzeugen. (Ihr könnt sie ja twittern ;-))

    @Katja Ich habe den vollständigen Cut gemacht, weil ich gefühlt habe, dass genau das der richtige Weg für mich ist. Und ich bereue es nicht. Und es freut mich, dass mein Beitrag dir hilft, auch ohne schlechtes Gewissen mal alles liegen zu lassen. 😉

  14. Oliver Tacke sagt:

    Bin schon „angepöbelt“ worden, was ich manchmal für Schlechte-Laune-Tweets oder Misserfolgsmeldungen absondere. Unter dem Blickwinkel der Ehrlichkeit scheint das gar nicht so verkehrt zu sein. Das Phänomen des „Groupthink“ – die Konvergenz von Meinungen innerhalb einer Gruppe – ist schon länger bekannt; da kann Ehrlichkeit helfen.

    Was das geschilderte Problem der radikalen Vernetzung angeht, denke ich eher, jedes extreme Einsteigen in ein Thema kann bei bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen oder in bestimmten Situationen (oder bei unglücklichem Zusammentreffen) zum „Kollaps“ führen. Bin kein Psychologe/Arzt, aber ist das nicht schlicht ein Burnout-Syndrom, das immer dann entstehen kann, wenn man sich übermäßig für ein Thema engagiert und Warnsignale des eigenen Körpers oder aus der Umwelt missachtet? Manchmal muss man auch „nein“ sagen können – fällt mir auch schwer und ist natürlich immer leicht daher geredet.

  15. Ingrid Piltz sagt:

    Hallo, Herr Spannagel,

    es finden im Web 2.0 nicht immer alle alles ganz toll, was Sie tun. Und es wird auch nicht immer alles bejubelt.

    Ich denke da beispielsweise an meinen eigenen Kommentar zu Ihrer Auffassung, dass es vollkommen überflüssig ist, Schülerinnen und Schülern das 10-Finger-Schreiben beizubringen. Ganz im Gegenteil fand ich Ihre Auffassung ziemlich unmöglich. Meine Begründung, den Kindern das beizubringen, damit sie sich später selbständig entscheiden können, wie sie tippen möchten, wurde ja irgendwie einfach vom Tisch gewischt.

    Ich war auch nicht die Einzige mit Kritik an Ihrer Einstellung. Richtig diskutiert wurde das nicht. Im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, Sie haben Ihre Meinung einmal gefasst und fertig.

    Und auch Kerstins Beitrag zu Ihrem ersten Ausstiegs-Blog war ja nun ganz und gar nicht als Bejahung zu verstehen. Ich hatte den Eindruck, dass sie sogar ziemlich sauer war, jetzt das genaue Gegenteil von dem zu hören, was sie semesterlang bei Ihnen studiert hatte. Auf diesen Kommentar sind Sie nicht eingegangen.

    Sie suchen im Web 2.0 Diskussionen auf gleicher Augenhöhe? Ich bin sicher, dass das auch mit Web-2.0-Gurus funktioniert. Möglicherweise haben Sie nur nicht mit dem richtigen Auge hingeschaut.

    Bedenken Sie, dass Sie es im Netz mit denselben Menschen zu tun haben wie auch im „richtigen“ Leben. Man ist doch nicht oberflächlicher, nur weil man den Computerbildschirm oder das Handy vor sich sieht.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Ingrid Piltz

  16. Liebe Frau Piltz,

    das gehört vielleicht zu den Stressfaktoren im Netz, speziell auch in Blogs: der Druck, auf alle Kommentare eingehen zu müssen bzw. zu sollen. Ich lasse manche kritische Stellungnahme mitunter in meinem Blog auch mal unkommentiert stehen, weil ich das Gefühl habe, dass da eben zwei Meinungen sind, die man jetzt vor allem virtuell nicht auf einen Nenner bringen kann. Wichtig ist, dass man diese kritischen Kommentare (so lange sie weitgehend höflich bleiben) freischaltet oder stehen lässt, sodass jeder Leser sehen kann, dass es eben mehrere Ansichten zu einem Thema oder einer Aussage gibt. Ich finde nicht, dass man in Blogs alles ausdiskutieren muss – ich denke, das geht auch gar nicht. Ich sehe auch nicht, dass eine Art Verpflichtung besteht, die eigene Ansicht zu ändern, wenn es Gegenmeinungen gibt: Das KANN mal der Fall sein, MUSS es aber doch nicht. Schließlich: Ob Personen im Netz wirklich immer dieselben sind, sich also genaus geben, wie im „echten“ Leben, da habe ich auch meine Zweifel. Auch das mag speziell bei Bloggern durchaus oft genau so sein. Aber ich würde mich darauf nicht unbedingt verlassen.

    Gabi

  17. Filterraum sagt:

    @chris

    autopoiesis, da landest du höchstwahrscheinlich bei luhmann. der zur zeit populärste luhmannschüler, dirk baecker wird hier aktuell in der sendung „sternstunde philosophie“ zur schlagzeile „die krisen der computergesellschaft“ befragt. vielleicht sehenswert für dich

    http://bit.ly/d5CMvP

  18. jean-pol martin sagt:

    das war radikale, grandiose forschung. Eine klasse für sich. Nichts für vorsichtige. Ich gratuliere un hoffe auf weitere griffe nach den sternen.

  19. Jutta Dierberg / Naomi Greenberg sagt:

    Lisa Rosa: „Es wäre vielleicht mal gut, auch über das Verständnis von Kollektiv und Individuum und deren Verhältnis zueinander nachzudenken [..]

    ja, immer !! wieder !! neu !!

    […]Der Begriff autopoietisches psychisches System (für Individuum/Subjekt), dem alles andere Umwelt ist….“

    aber muss es gerade diese Theorie sein ? in der das Verhältnis von Individuum und „Umwelt“ ja immer wieder Anlass zu Kritik gibt, weil es nicht ohne theoretische Brüche gelöst ist ? Und schliesslich gar keine Individuen, keine „Subjekte“ mehr in der Gesamt der Systeme vorkommen ? wäre das nicht eher ein Versuch den Teufel mit dem Belzebub auszutreiben ;:-)-

    und überhaupt: müssen wir ein Verhalten denn sofort mit Konzepten legitimieren, die aus den Naturwissenschaften stammen, die Neuronen hier, die Systeme dort ?

    Jutta

  20. Anonym sagt:

    @Michael: „Twitter&Co. machen nicht irgendwas mit uns (auch nicht süchtig), sondern wir haben Gründe Twitter so oder so zu nutzen, oder es eben ganz sein zu lassen.“
    Wie meinst du das? Von Medien geht eine starke Suchtgefahr aus (Computersucht, Fernsehsucht, Internetsucht). Es ist zwar egal, welche Seiten, Programme man nutzt, aber süchtig kann man werden.
    Sicher ist es etwas anderes als Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, aber bestimmt nicht ungefährlich.
    Ich denke vor allem an Extrembeispiele, bei denen Jugendliche ihre Eltern abstechen wollten, weil diese versuchten ihnen den Computer wegzunehmen. Oder Vernachlässigung der Kinder, weil die Mutter den ganzen Tag im Internet hängt.

  21. jean-pol martin sagt:

    „Ich war durch meine Einstellung zur permanenten Vernetzung nicht ehrlich zu mir selbst – und damit auch nicht zu euch.“

    Als Wissenschaftler hast du erforscht, was es bedeutet, permanent vernetzt zu sein. Du hast also getan, wofür du bezahlt wirst, nämlich neue, für viele Menschen wichtige Erkenntnisse gewinnen. Und die Ergebnisse hast du Hunderten mitgeteilt. Stellvertretend für viele hast du ein Experiment ganz und radikal durchgeführt. Es war natürlich für dich sehr schmerzhaft, aber über dich haben wir alle viel gelernt und die Gefahren gesehen, die uns bisher verborgen blieben (wie du vielleicht merkst, geht mir das Ganze sehr nahe)… Die Denkprozesse, die du eingeleitet hast, sind gar nicht überschaubar! Wir verdanken dir alle sehr viel…

  22. Jutta Dierberg / Naomi Greenberg sagt:

    leben ereignet sich doch vor allem zwischen den polen aufnehmen und wahrgenommen werden, in welcher form auch immer und dann reflektieren, auswerten, sein instrumentarium und repertoire aus zu bauen.
    von sucht sprechen wir dann, wenn irgendein verhalten dazu missbraucht wird, wichtige bedürfnisse entweder so zu maskieren, dass sie nicht mehr befriedigt werden können oder sie samt und sonders zu verdrängen.
    manchem autistisch anmutenden schreibenden hätte es gut getan einmal nach seiner balance zu schauen und dem bedürfnis nach resonanz nach zu kommen. auch dann, wenn gerade keine genialen produkte zu verzeichnen waren. …

    was könnte nun „ehrlichkeit“ in diesen zusammenhängen bedeuten ? bin ich ehrlich wenn ich gerade mal wieder in balance bin ? bin ich ehrlich wenn ich es gerade nicht bin ? hm ?

  23. hallo Christian, zunächst danke, dass du deine Gründe näher erläutert hast. Nun, obwohl wir uns ja auch im RL schon begegnet sind, „kenne“ ich dich eigentlich mehr übers Netz. Da hattest du mir allerdings einen „radikalen“ Eindruck vermittelst, den ich bei den persönlichen Begegnungen überhaupt nicht spüren konnte.

    Also, zunächst deine totale Vernetzung, bei der auch ich mich gefragt habe, wie schaffst du das überhaupt. Es sei mir erlaubt aus Schulmeisters „Kommentarkultur“ zu zitieren: „… habe ich mich gefragt, welcher Wissenschaftler eigentlich mit dieser Informationsflut mithalten kann …“. Ich für meine Person würde es ja schon interessant finden, mich noch mehr zu vernetzen, weil ich daraus durchaus inhaltliche Impulse ziehe – es fehlt mir aber schlicht die Zeit dazu. Denn das ist wohl richtig, je mehr Vernetzung, je mehr Schalt- und Vermittlungsstelle (Hub), desto mehr Aufforderungscharakter, zu reagieren, den Informationsfluss aktiv am Laufen zu halten.

    Das hat mich aber an der Neuronenmetapher schon immer gestört. Wenn ein Neuron ein Signal erhält (zumindest über einem Schwellenwert), reagiert es, hat gar keine andere Wahl; außer es befindet sich in einer Refraktärphase (die aber auch nicht selbstbestimmt lang ist). Das hat Jean-Pol ja immer betont: Permanenz und Schnelligkeit sind wichtig (oops, fast hätte ich Penetranz geschrieben). Da wird man schnell zum Getriebenen.

    Und jetzt also eine ziemlich radikale Kehrtwende. Da lob ich mir doch das „Mittelmaß“ von mir und etlichen anderen 😉 aber das mit Konstanz …

    Um es positiv zu wenden: Deine Selbstexperimente, genauso wie die von uns, deinen Lesern und Netzpartnern, führen zu wichtigen (Selbst-) Erkenntnissen. Wenn sie über die hier Vernetzten hinaus bekannt werden und Weitere in den Reflexionsprozess einbeziehen sollen, müssten wir das vielleicht systematischer dokumentieren, als es in verstreuten Blogs möglich ist. Wichtig wäre es allemal, über die Form können wir noch nachdenken.

    Joachim

  24. @Ingrid Piltz
    Ihre Aussagen sind für mich sehr interessant. Christian wie ich ihn kenne ist sich selbst ein großer Kritiker und war auch immer von massiver Kritik umgeben. Das was ihn aber letztendlich ausmacht und auch hier wieder beweist ist Größe und eine gehörige Portion Mut. „Einfach machen, Dinge bewegen, nicht still stehen.“ – dass das exsessive Nutzen von Web2.0 nunmal an die begrenzten Ressourcen geht ist nun ein Erfahrungswert der sehr wichtig ist.
    Auf Kommentare nicht einzugehen bedeutet nicht, sie nicht wahrgenommen zu haben, in Archiven kann man viele Never-ending-Strories lesen, wo er sich aktiv mit Kritikern auseinandersetzt.
    Und wer sagt, dass ein Post nicht ausdiskutiert wurde? So viele Diskussionskanäle stehen offen, vor allem auch vis-à-vis. Müsste man dann einen Kommentar hinterlassen mit dem Hinweis, dass auf die Kritik in realer Diskussion eingegangen wurde? (oder Skype .. whatever.)
    Mit Christian immer einer Meinung zu sein wäre übrigens sehr langweilig – dafür steckt in den Diskussionen imho viel zu viel Potenzial. Gemeinsame Optimierung von Ideen bringen aber viele Menschen zusammen. Ohne ihn wären viele Aktionen einfach nur beredet und nie durchgeführt worden. Sprich, nur wer handelt kann Fehler machen, aus diesen Lernen und aus der Kritik mehr mitnehmen als aus den Lobhudeleien – die sind für die Seele Futter aber nicht für die Produkte. Ohne das Eine wohl aber auch nicht das Andere im Social Media Universum.
    In diesem Sinne: eine Kritik an der Kritik.

  25. […] Christian Spannagel: Über radikale Vernetzung und radikale Ehrlichkeit […]

  26. jean-pol martin sagt:

    @J.Wedekind
    „Das hat Jean-Pol ja immer betont: Permanenz und Schnelligkeit sind wichtig (oops, fast hätte ich Penetranz geschrieben). Da wird man schnell zum Getriebenen.“
    – Ja, auch Penetranz habe ich als zulässig beschrieben. Die von mir benutzte Metapher ist ein Modell, das ich selbst auch teste. Ich wurde deshalb nicht zum Getriebenen, weil ich nicht den Erfolg hatte, den Christian erzielte. Er hat es bis zur letzten Konsequenz geprüft. Aktionsforschung eben!

  27. Ingrid Piltz sagt:

    @ Gabi Reinmann
    @ Melanie Gottschalk

    Da bin ich mit meinem Kommentar aber gründlich missverstanden worden.

    Mir waren zwei Äußerungen von Herrn Spannagel aufgefallen:

    1) Mir ist aufgefallen, dass alles, was ich mache, bejubelt wird. … Ich bin extrem verunsichert, … weil ich nicht weiß, wie ehrlich das Feedback im Web 2.0 ist.

    2) Das Web 2.0 hatte ich gerade als Chance gesehen, Diskussionen „auf gleicher Augenhöhe“ stattfinden zu lassen … Nur leider scheint dies nicht mit Web-2.0-Gurus zu funktionieren.

    Ich bin der Meinung, dass beides nicht die Tatsachen trifft:

    – Es wird nicht alles nur bejubelt,
    – es gibt ehrliches Feedback im Web 2.0,
    – und es sind auch Diskussionen auf gleicher Augenhöhe möglich.

    Ich verfolge seit einiger Zeit Herrn Spannagels Blogbeiträge und auch die Kommentare. Und da sind mir etliche Kommentare aufgefallen, die genau das bieten, was Herr Spannagel anscheinend im Netz vermisst.

    Als Beleg habe ich zwei Beispiele genannt, wobei ich besser nicht meinen eigenen Kommentar genommen hätte. Das sehe ich jetzt in Nachhinein. Es gibt dem Ganzen eine Art nachtragenden Charakter.

    Also, ich wollte auf zwei Aussagen mit einigen Gegenbeispielen sachlich reagieren.

    Ich finde es toll, wie Sie zu Herrn Spannagel stehen und auf meine Kritikpunkte eingehen und sie richtigzustellen versuchen. Das ist ein erneuter Hinweis auf einen beliebten und kompetenten Professor.

    Ich selber finde viele seiner Ideen ebenfalls gut. Ich bin begeisterte Leserin des Blogs.

    Grüße,
    Ingrid Piltz

  28. cspannagel sagt:

    @Oliver „Groupthink“ – Genau. Die Situation, in der du mir den Begriff erklärt hast, war eine derjenigen Situationen, die mich darüber zum Denken angeregt haben…

    @Ingrid Piltiz Sie haben natürlich recht damit, dass nicht alles bejubelt wird, und das ist auch gut so. Es war auch mehr das Stilmittel der Übertreibung, das ich eingesetzt habe. 😉 Denn: Die Tendenz besteht schon dazu. Zu unserer Tipp-Kurs-Diskussion: Ich habe es gar nicht als „vom Tisch wischen“ empfunden, sondern ich habe versucht zu begründen, warum ich – aufgrund der enormen Zeitknappheit – anderen Inhalten den Vorzug gebe. Letztendlich habe ich (und das habe ich nicht dargestellt, das stimmt schon) die Kompromissauffassung aus der Diskussion mitgenommen, dass man den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben sollte, eine Tippschulung zu Hause zu machen. Kerstins Beitrag habe ich tatsächlich nicht kommentiert, wie auch alle anderen nicht. Ich hatte mich bei diesem Beitrag entschieden, lieber mit einem größeren, neuen Beitrag zu reagieren. Ich denke und hoffe, das Kerstin bei diesem jetzigen Beitrag deutlich geworden ist, dass ich nicht alle Prinzipien, die ich vertreten habe, über Bord werfe, sondern nur das Prinzip der permanenten Vernetzung. Ich freue mich außerordentlich, in Ihnen eine kritische Leserin meines Blogs zu haben, und würde mich freuen, wenn wir uns zukünftig noch mehr auf kontroverse Diskussionen einlassen würden.

    @Gabi Ich reagiere in der Regel schon und gerne auf die meisten Kommentare (wie auch hier), aber vermutlich ist es nicht „notwendig“, so wie du es beschreibst.

    @Filterraum Danke für das Video! Ich habe mir schon zwei Drittel angesehen, und es ist ein wirklich sehr gutes Gespräch mit tollen Fragen von Seiten des Interviewers.

    @Jean-Pol Vielen Dank für deine bestärkenden Kommentare. Ich denke, wir werden noch ein bisschen dran zu knabbern haben (im positiven Sinne, nämlich im Sinne von „Konzeptualisierung“).

    @Jutta Ich weiß nicht, ob Ehrlichkeit was mit Balance zu tun hat. Ist Ehrlichkeit nicht immer möglich und notwendig?

    @Joachim Zur systematischen Dokumentation: Ja, vielleicht mache ich mal einen größeren, zusammenhängenden Text daraus. Es wäre allemal wertvoll.

  29. Ingrid Piltz sagt:

    Hallo, Herr Spannagel,

    danke für Ihre ausführliche Antwort auf meinen Beitrag.

    Grüße,
    Ingrid Piltz

  30. jean-pol martin sagt:

    aus meiner sicht machst du nach wie vor das, was man von einem guten didaktiker als aktionsforscher erwarten kann, nämlich selbst eine klasse unterrichten. Davon hängt die ganze glaubwürdigkeit ab.

  31. Jutta Dierberg / Naomi Greenberg sagt:

    #ehrlichkeit

    hi Christian, ich wollte hinterfragen, in welchen zusammenhang du Ehrlichkeit gestellt hast. mir fällt jetzt vor allem die unterscheidung von ehrlichkeit zu sich selbst und ehrlichkeit zu anderen ein. wenn ich etwas excessiv betreibe, kann das stimmig sein, kann aber auch kippen, das heisst, anderes kommt zu kurz und ich verleugne das. das wäre dann unehrlich zu mir selbst. in bezug auf zustimmung und kritik gibt es so eine goldene feed back regel in kommunikationstrainings: etwa 2-3 positive zu 1 kritischen. so ähnlich wirst du das sicher auch mit deinen schülern handhaben 🙂 meine idee ist die, dass nur wenn der selbstwertpot voll ist, überhaupt kritik zugelassen werden kann, sonst verpufft sie. selbstverantwortung heisst hier auch wieder in einer möglichst guten balance zu bleiben. aber was hat das mit ehrlichkeit den anderen gegenüber zu tun ?

  32. Sputnik sagt:

    Kurz zur „Verunsicherung“ und dem „Jubel“ über gegenläufige Aussagen:

    Wir leben nicht in einer Welt die aus schwarz und weiß besteht. – Du hast nun zwei Aspekte der selben Sache beinahe extrem propagiert. Und tatsächlich können andere aus beiden Aussagen Positives ziehen. Beide sind auch „wahr“. Der beste Weg liegt vermutlich nicht in einem Maximum, in einer „reinen Wahrheit“, sondern in Suche nach dem Optimum.

    These und Gegenthese: Du hast sie beide geliefert und hast Dich stark persönlich damit identifiziert. – Die Synthese ist die nächste Hürde! – Viel Erfolg bei der Suche danach! 🙂

    Wo die optimale Nutzung liegt, ist dabei letztlich gar nicht fix, sondern variabel. – Sie richtet sich unter anderem in ihrem Verhältnis nach weiteren Kraft-Ressourcen aus.

  33. Ingrid Piltz sagt:

    Hallo, Frau Reinmann,

    mir geht der folgende Satz, den Sie in Ihrer Antwort auf meinen ersten Kommentar geschrieben haben, nicht aus dem Sinn:

    – Schließlich: Ob Personen im Netz wirklich immer dieselben sind, sich also genaus geben, wie im „echten“ Leben, da habe ich auch meine Zweifel. –

    Worauf gründen sich Ihre Zweifel? Ich kenne niemanden aus dem realen Leben, die oder der sich anders verhält im Netz. Und diejenigen, die beispielsweise in Kommentaren der Blogs von großen Zeitschriften oder Fernsehsendern Gift sprühen und herumpöbeln, kenne ich nicht. Möglicherweise sind sie ja im wirklichen Leben genauso.

    Haben Sie hier konkrete Erfahrungswerte? Gibt es andere Gründe für Ihre These? Ich würde mich freuen, hierüber noch ein bisschen mehr zu erfahren.

    Grüße,
    Ingrid Piltz

  34. @Ingrid Pilz
    Auch wenn Sie mich nicht ansprechen und ich auch nicht direkt auf Ihre Frage antworte: ein Problem des Internets ist, dass vor allem Winner-Geschichten präsentiert werden. Auch wenn diese Winner-Berichte und Winner-Tweets der Realität entsprechen, ensteht insgesamt das Bild von permanent erfolgreichen Menschen und Projekten. Das ist von den Akteuren nicht unredlich, entspricht aber nur eine Seite der „Wahrheit“. Klar, dass man auch Probleme beschreibt, aber erst, wenn man sie wieder in den Griff bekommen hat, oder in den Griff bekommen kann. Definitives Scheitern, gravierende Problem werden nicht getwittert. Vielleicht ist es (auch), was Frau Reinmann meint…

  35. Raventhird sagt:

    Danke für den Artikel, der mir zum Teil aus der Seele spricht. Vor allem das zu erwartende „Feedback“ in allen diesen Kanälen (von Favs über Likes und Co.) ist eines meiner Hauptprobleme mit der Nutzung von Social Media-Kanälen. Es fördert langfristig populistische Verhaltensweisen, so meine Vermutung, selbst wenn man das gar nicht will. Wenn ein Text, eine Meldung, ein Tweet von mir 20 Favs bekommt und die nächste Null, dann sagt das im Grunde nur aus, dass der erste statistisch gesehen eine breite Masse (eben den Durchschnitt) von Menschen irgendwie erreicht hat, der zweite nicht. Letztendlich aber wird das, wenn es oft und über einen langen Zeitraum passiert, dazu führen, dass man tendenziell „durchschnittlicher“ agiert (so zumindest meine Befürchtung), denn diesen kleinen virtuellen Feedback-Belohnungsinstanzen kann wohl niemand wirklich komplett widerstehen.

    Allerdings machst Du in der Radikalität Deines Ausstiegs meiner Meinung nach einen Denkfehler: Du steigst aus, weil Du glaubst, dass Du im Social Web ständig kommunizieren musst. Dem ist nicht so. Die Geschwindigkeit und Frequenz von Posts, Statusmeldungen, von der Antwort auf Nachrichten oä. wird von niemand anderem als Dir bestimmt. Es gibt keine „Verpflichtung zur Kommunikation“ und ich persönlich bin auch lieber mit Leuten befreundet, die alle paar Tage einen substantiellen Tweet aus den Hirnwindungen rauskramen, als mit solchen die permanent belanglosen Mist absondern. Insofern: Social Web ja, aber nicht von irgendwem dazu drängen lassen, wie oft man wann und wo etwas schreibt.

  36. […] kompletten Ausstieg aus der permanenten Vernetzung und in Verbindung mit den damit einhergehenden Zweifeln an liebgewonnenen Prinzipien habe ich begonnen, alles zu hinterfragen, was mir bislang […]

  37. cspannagel sagt:

    @Jutta Schwierige Frage. Ich habe schon länger „gespürt“, dass die permanente Vernetzung in der Form, in der ich sie betrieben habe, nicht gut ist. Wahrhaben wollte ich es aber nicht. Deshalb war ich nicht ehrlich zu mir selbst. Auch nach außen hin habe ich munter die permanenten Vernetzung propagiert. Dies war unehrlich zu anderen. Das alles war keine böse Absicht; es war vielmehr das Unvermögen, rechtzeitig einen klaren Blick zu bekommen.

    @Sputnik Genau: Jetzt geht es um die Synthese aus den gemachten Erfahrungen, und das ist extrem spannend.

    @Ingrid Piltz Ich denke auch, dass es das Phänomen gibt, dass sich Personen im Netz anders verhalten als im Offline-Leben. Denken Sie nur einmal an den Soziophobiker, der aufgrund geringerer Hemmschwellen im Internet anders kommunizieren kann als sonst, oder Personen, die sich in Foren als andere ausgeben.

    @Raventhird Ja, du hast recht. Ich hätte auch in Twitter bleiben, aber mein Kommunikationsverhalten ändern können. Für mein momentanes „Seelenheil“ war es aber wichtig, einmal einen klaren Schnitt zu machen.

  38. Lisa Rosa sagt:

    “ Ja, man kann sich auch im Web 2.0 eine kritische Umgebung zusammensuchen. Aber das ist schwieriger, als man denkt. Denn schließlich ist man ja gerade an denjenigen Personen interessiert, die sich mit den gleichen Dingen und den gleichen Ideen beschäftigen. Und: Gerade im Web 2.0 sind ja eher Web-2.0-affine Menschen vertreten. Wen sollte ich followen, wenn es um Twitter-Kritik geht?“

    Also 1. heißt, am selben Problem/Gegenstand zu arbeiten, ja mitnichten, dass man dieselbe Perspektive drauf hat und die gleichen Meinungen dazu vertritt. Ganz im Gegenteil finde ich eine multiperspektivische Auswahl von Kommunikationspartnern über Twitter ganz einfach! Ich habe eine Menge Leute drin, die vieles ganz anders sehen als ich – Du gehörst doch auch dazu!
    2. Es geht nicht um Kritik/Nichtkritik, schon gar nicht bloß um Twitter. Mir jedenfalls geht um verschiedene Theorierahmen, Verständniskonzepte, Horizonte, Erfahrungen, zu allem, was mit Lernen 2.0 zu tun hat. Die kann man schlicht zur Kenntnis nehmen, oder in Diskussion mit ihnen geraten, oder sie auch ignorieren – wenn man sie zu abwegig findet.
    3. Im Grunde ist es in Twitter auch nicht anders als im „RL“: Wir bringen unseren Kommunikationsstil mit und verändern ihn passend zum Medium. Aber die vorwiegende Lust am Auseinandersetzen oder die vorwiegende Lust am Sammeln von Jasagern und Beipflichtern hat nix mit dem Medium zu tun, sondern mit der psychischen Gestricktheit, die man selbst mitbringt.

  39. Tamim sagt:

    Hallo Christian,

    Hui. Ich fand deinen Ansatz und Einsatz immer Äußerst spannend. Hat ja auch sicher dazu geführt dass du viel gelernt hast.

    Ich glaube hier ist es wie mit allen Dingen. Zuviel davon ist nicht gut. Zu viel laufen, zu viel telefonieren, zu viel chillen, zu viel arbeiten…

    Also alles mal sacken lassen. Ich finde den absoluten Bruch als Konsequenz aus der Erkenntnis richtig. So kann man etwas Abstand zu den Dingen bekommen.

    Meine Meinung ist immer noch: Die Neuronenmetahpher funktioniert nicht. Wir Menschen sind Menschen. Wir brauchen ein richtiges Menschenbild und keine Metapher die uns zwingt etwas zu sein was wir nicht sind. Wir sind keine Maschinen, wir sind keine Gehirne, wir sind keine Neuronen. Wir sind Menschen mit einem Gehirn, einem Herzen, vielen Hormonen, einem Geschlecht, vielen Muskeln einem Skelett und einer Seele.

    All das braucht auf seine Art und Weise Aufmerksamkeit. Ansonsten verkümmert es und darunter leidet der ganze Mensch.

    Was ich aber bei deinem Handeln gesehen habe war dass du deine Studis angesteckt hast. Vieles wäre ohne diesen Einsatz und diese Offenheit sicher nicht entstanden. Viele haben sich ermutigt gefühlt und hatten keine Angst etwas zu machen und zu lernen bzw. haben ihre Angst überwunden.

    Das ist das was ich bei dem Experiment für bisher wirklich am beachtenswertesten halte. Und das ist auch das was ich an dem LDL Konzept so schätze. Der Einzelne wächst durch den Dienst für die anderen. Und das ist klasse. Und so wie ich dich einschätze wird dies auch in Zukunft nicht verlorgen gehen.

    Liebe Grüße und bis bald mal.
    Tamim

  40. Debora Weber-Wulff sagt:

    Ich habe diesen Blog erst über Gabi Reimanns gefunden. Ich finde den Schritt zu radikal – warum muss man alles kappen? Man kann ja alles erst mal langsamer angehen.

    Früher habe ich mehrmals am Tag getwittert – jetzt recht selten. Meine Blogs haben kein regelmässiger Betrieb – mal ein Beitrag im Monat, mal drei am Tag (i.e. heute, wo ich kein Unterricht habe und viel Zeit zum nachdenken und schreiben).

    Bei Xing bin ich überhaupt nicht in irgendwelche Foren aktiv – ich nutze es lediglich als offener Adressbuch, und akzeptiere nur Kontakte von Leute, mit dem ich in Kontakt war.

    Facebook ist für mich immer klar privat gewesen. Ich hoffe, ich habe nichts wesentliches übersehen, aber auch da gibt es Tage, wo ich mehr mache, und Tage, wo ich nichts mache. Und mit Farmville habe ich gar nicht erst angefangen.

    Ich finde den radikalen Schnitt problematisch – jetzt folge ich den Xing-Link auf der „About“ Seite dieses Blogs, und bekomme die Meldung „Fehler – Die gesuchte Seite konnte nicht gefunden werden.“ Schade, wenn ich gerade mal nachsehen wollte, an welche Hochschule der Autor weilt, oder ob der Person nicht doch dieser Typ ist, mit dem ich neulichst auf einer Konferenz in Berlin sprach 😉

    Aber man muss machen, was man meint, muss gemacht werden.

  41. cspannagel sagt:

    @Lisa Ja, auf die geistige Haltung kommt es an. Vielleicht bin ich mit der falschen rangegangen.

    @Tamim Die Neuronemetapher soll kein Menschenbild sein. Ich halte sie immer noch für wertvoll – in einem begrenzten Rahmen. Ich setze sie beispielsweise im Rahmen der Methode „Aktives Plenum“ in Vorlesungen weiterhin ein. Sie ist dort ein Bild für die Studierenden, wie sie sich – im Rahmen dieser Methode! – verhalten sollen.

    @Debora Der radikale Schritt war notwendig, und zwar aus emotionaler Sicht. Ich habe „Seelenfrieden“ gesucht. Es ist wie mit dem Rauchen aufhören (ohne jetzt nochmal den Sucht-Vergleich einbringen zu wollen): ein bisschen mit dem Rauchen aufhören geht nicht. Ich habe „zu tief“ in der Vernetzungsgeschichte dringesteckt, als dass ich einfach hätte reduzieren können. Ich muss mich jetzt erst einmal neu ordnen.
    Danke auch für den Hinweis bzgl. der About-Seite – ich habe sie aktualisiert.

  42. Mathias sagt:

    Ein sehr interessanter Artikel. So vorteilhaft Twitter zum Meinungsaustausch sein kann, so negativ wirkt es hinsichtlich dem Anspruch an die Begründungstiefe. Umso mehr ist Deine Begründung zu schätzen!
    Mir ist in Deinem Artikel die Betonung des Verpflichtungsgefühls aufgefallen. In meinem vorletzten Blogeintrag findet sich ein mglweise charakteristisches Zitat…

  43. cspannagel sagt:

    @Mathias Wie lautet denn die Adresse deines Blogs?

  44. […] der Bildungsreporter anvisiert hatten, diesen heftig diskutierten und bedauerten Schritt. In seinem Blog, den er weiterführen […]

  45. […] die Ressourcen werden dann durch das Integral repräsentiert; ist aber auch wurscht). Mit meinem Ausstieg aus der permanenten Vernetzung (Twitter, Facebook und Co.) habe ich die Quantitätsseite gekürzt und Raum geschaffen für eine […]

  46. […] ausgesetzt sind, die von den jeweiligen Personen nicht immer ausgehalten werden, hat jüngst der öffentliche Rückzug des Wissenschaftlers Christian Spannagel aus zahlreichen Sozialen Netzwerk… sehr plastisch […]

  47. […] oder Favs, sondern weil er die Hoheit über sein eigenes Kommunikationsverhalten verlor. Er beschreibt sein vormaliges “Ich” als “Hub”; als jemand, der wie ein Relay Informationen filterte und weiterleitete. Das ist etwas, an dem man […]

  48. SmallAl sagt:

    Also ich habe für mich festgestellt das meine Internetaktivität schnell zunahm und noch schneller abbaute.
    Als mich jemand bei wkw einlud wollte ich schnell viele Bekannte haben (warum ? – keine Ahnung, vielleicht um anzugeben …) und nun habe ich einige aber viel schreiben tun wir uns auch nicht wirklich.

    Ähnliches bei Facebook – kaum jemanden wiedergefunden – allerdings muß ich zugeben darüber war ich sehr erfreut da es sich um KlassenkameradInnen handelt die nicht mal in der Nähe von Deutschland sind – erst intensives „Hallo da bist Du ja“ jetzt wieder fast nix. Ach ja Facebook hatte ich nur durch mein Handy entdeckt.

    Meine Homepage ist seit Jahren nicht aktualisiert und mangels Zeit und auch wegen „Rechtsunsicherheit“ nicht mal auf meiner „todo“.

    Aber abmelden – nö wozu.

  49. […] weiter aufrecht erhalten kann. Dieses Problem führte vor einiger Zeit mal bei mir zu einem Abbruch bestimmter Netzaktivitäten (und es ist für mich interessant, jetzt nochmal den Artikel von damals zu lesen; eine z.T. […]

  50. […] habe ihn auf seiner Bildungsexpedition in Hamburg persönlich kennen gelernt und mich von seinem vorrübergehenden Ausstieg aus dem Social Web berühren lassen. Christian vertritt mit Leib und Seele die Idee des öffentlichen […]

  51. […] – jedenfalls nichts, was in meinem Hirn präsent war. Spannend war dann der Artikel zu seinem digitalen Ausstieg. Er hat sich von seinem Twitter-, Facebook- und-was-ich-noch-für-Accounts getrennt und betreibt […]

  52. […] size that matters. Gerade George Siemens weiß, wovon er spricht und einigen Lesern werden auch die Erfahrungen von Christian Spannagel bestens bekannt sein. Der Punkt ist: man braucht kein großes Netzwerk, man braucht ein […]

  53. […] sozialen Verwahrlosung entgegen. Anfangs fühlte es sich wie ein Flow an, jetzt muß ich schon Maßnahmen ergreifen. Nein, ich habe noch nicht mal annähernd das, was als Netzsensibilität beschrieben […]

  54. […] und Krise gleichzeitig erlebt, dazu Gegenmittel und Unterstützung von Kommilitonen und Betreuerin in Moodle […]

  55. […] mit seiner Neuronenmetapher eine nahezu radikale Vernetzung. Das hat aber wohl auch Grenzen, wie dieses interessante Beispielzeigt. Fragen Mit welchen Themen sollte ich mich am Web 2.0 beteiligen? Muss ich in Weblogs […]

  56. Fun Games sagt:

    A fantastic post, and one which players just like
    me like to read week in and day out!

  57. […] du dich kurzzeitig nahezu komplett aus dem Social Web zurückgezogen und deine Gründe in einem sehr persönlichen Blog-Artikel dargelegt. Was hat dich dazu bewogen, wieder […]

  58. […] ACHTUNG, HOHE SUCHTGEFAHR: das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt […]

  59. […] HOHE SUCHTGEFAHR: das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt […]

  60. […] HOHE SUCHTGEFAHR: das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt […]

  61. […] HOHE SUCHTGEFAHR: das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt […]

  62. […] ACHTUNG, HOHE SUCHTGEFAHR: das Neuronenverhalten muss kontrolliert und situationsabhängig eingesetzt […]

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