Gastbeitrag: Haben schlechte Vorlesungen eine Zukunft?

Veröffentlicht: Montag, April 22, 2013 in Gastbeitrag, Vorlesungsaufzeichnung
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Hat ein ehemaliger Offizier der Bundeswehr, der jetzt Mathematik studiert, einen speziellen Blick auf sein Studium? Stephan Goldammer schaut durch den universitären Pulverdampf. Schon seit längerer Zeit beschäftigt er sich mit dem Thema eLearning, und zur Ergänzung für sein vor Ort stattfindendes Studium nutzt er Vorlesungsvideos aus dem Internet. Vor einiger Zeit hat Stephan eine Mail mit zahlreichen Ideen an mich gesendet. Ich habe ihn gefragt, ob er diese Ideen nicht als Gastblogbeitrag verfassen möchte. Und was soll ich sagen: Oberleutnant Goldammer erstattet Lagebericht! Jetzt heißt es: Still gestanden! 🙂

Wir schreiben das Jahr 2063. Dank eLearning sind schlechte Vorlesungen ausgestorben und nur noch im Museum zu finden. Historiker berichten über vergangene Zeiten, über monotone, langatmige Vorträge, unverständliche Folien und verworrene Präsentationen, aber man kann es nicht glauben. So habt ihr früher studiert? Wie habt ihr das ausgehalten?

Zurück in die Gegenwart. Erste Abschnitte auf der eBaustelle sind fertig, aber ein nüchterner Blick reicht, um zu sehen: Bis zum Paradies ist es noch weit. Viele Fragen sind offen. Kann man durch eLearning aus einer schlechten eine gute Vorlesung machen? Kann technisch intelligent konstruiertes eLearning zu einer fortwährenden, automatischen Verbesserung der Lehre führen? Kann eLearning die Basis für lebenslanges Lernen schaffen, und wie kann die Politik hilfreiche Unterstützung leisten? Einige Antworten auf diese Fragen mögen vielleicht als Spinnerei erscheinen, könnten aber schon bald Wirklichkeit werden. Die helle Seite der dunklen Seite, ein bisher gänzlich unbekannter Prof. Spinnagel, hat mich gebeten, mal auf den synaptischen Putz zu hauen und allen Spinnereien freien Lauf zu lassen.

eVorlesung: Wahrscheinlich wird es an der Hochschule vorerst auf das Modell „Klassische Vorlesung plus Videoaufzeichnung“ hinauslaufen. Lehrmethoden wie die umgedrehte Vorlesung werden dem Großteil der Dozenten wohl noch zu exotisch sein. Der Dozenten-Tanker hat gern ruhiges Fahrwasser und bewegt sich nicht so schnell. Vorteil der (rein passiven) Videoaufzeichnung: Der Vortragende braucht erst einmal gar nichts zu ändern (psychologisch geschickt), bekommt aber über Jahre hinweg beweiskräftiges Feedback (Kollegen, Studenten, Externe, YouTuber, Klick-Rankings) und kann dann nach und nach sich und seine Vorlesung anpassen. „Der X aus Y erklärt das aber viel besser!“, dürfte wohl keinen Dozenten kalt lassen. Fehlerhafte Begriffsverwendungen oder schwammige, ungenaue Definitionen im jeweiligen Fachgebiet fallen viel leichter auf (und würden möglicherweise als lange mitgeschleppter „Ballast“ abgeworfen). Steter Tropfen höhlt den Stein, so gesehen kann ein sanft vor sich hin plätschernder Strom aus Online-Kommentaren hilfreicher sein als der gute alte pädagogisch-ballistische Ratschlag. Hält ein Dozent auch dieses Feedback in homöopathischen Dosen nicht aus, bleibt ihm natürlich der psychologische Notausgang: Stecker raus.

FAQ: Die folgende Idee stelle ich mir vor wie einen Feedback-Regelkreis, der sich selbst steuert und verbessert. Für jedes Vorlesungsvideo wird ein Frage-Button angeboten. Dadurch wird man direkt mit einem Chatpartner (Tutor) verbunden, der die Frage live beantwortet (eine Art 24-h-Hotline). Der Tutor formuliert anhand aller eingehenden Fragen eine FAQ-Liste. Diese wird unter dem Video zur Verfügung gestellt, wodurch die häufigsten, immer wiederkehrenden Fragen direkt beantwortet werden. Am Ende des Semesters schaut der Professor über die FAQs und versucht diese offenen Fragen in die Vorlesung mit einzubauen und zu beantworten. Im Idealfall würde nach endlich vielen Durchgängen die (aus Studentensicht) perfekte Vorlesung herauskommen.

Feedbackstatistik: Die nächste Idee ermöglicht eine einfache und effiziente Auswertung einer Videoaufzeichnung. Für jedes Vorlesungsvideo werden zwei Buttons angeboten: ein roter und ein grüner oder wahlweise auch die Tasten Plus und Minus. Sobald der Student die Erklärungen des Dozenten nicht versteht, kann er den roten Button drücken. Versteht er etwas besonders gut (Aha-Effekt), kann er Grün drücken. Im Unterschied zu einer normalen Bewertung, wie sie bei YouTube oder Facebook üblich ist („Gefällt mir“), kann man diesen Button über die gesamte Laufzeit des Videos mehrmals drücken. Die Daten werden statistisch ausgewertet. Ein roter Peak würde auf eine besonders unverständliche Erklärung hinweisen. Der Dozent kann sich dann überlegen, warum viele Studenten an dieser Stelle des Videos seine Erklärungen nicht verstehen. Das Diagramm zum Auswerten wäre sehr einfach aufgebaut: Die Laufzeit des Videos wird verbunden mit unterschiedlich hohen grünen und roten Balken, fertig. Erlaubt man auch Studenten eine Einsicht in das Diagramm, wäre es möglich zu sehen, dass man nicht der Einzige ist, der genau an dieser Stelle „nichts versteht“.

Verdrehung: Im Kontext von Online-Vorlesungen entscheidet nicht mehr der Dozent, ob er gut erklären kann, sondern der Student. Prof. X aus Dortmund kann gut Mengenlehre vermitteln, ist aber schlecht im Erklären von Logik. Bei Logik ist Prof. Y aus Hamburg gut im Erklären, der hat aber wiederum in Algebra seine Schwächen. So kann sich jeder Student seinen Online-Vorlesungsbaukasten zusammenstellen. Vielleicht bildet sich auch eine „Hall of Fame“ der besten Videos. Die Prüfungen bleiben natürlich gleich (schwer), wie gehabt. Die fachliche Kompetenz des Dozenten steht außer Frage, aber ob jemand erklären kann, kann letztlich nur der Zuhörer feststellen. Leider ist der Schüler heute (noch) an den „kann-nicht-gut-erklären“ Lehrer gefesselt. Lehrer wechseln impossible => Frust beim Schüler. Wenn alle Vorlesungen und Unterrichtseinheiten im Netz stehen, kann der Schüler direkt evaluieren, wer es am besten erklärt. Ein Student kann nicht fünf Jahre warten, bis die üblichen, bürokratischen Evaluierungsprozesse minimale Veränderungen bewirken (wenn überhaupt). Diesen Aspekt von eLearning könnte man Flipped-Evaluation nennen. Flipped deshalb, weil der Schalter umgelegt wird von (fast) unwirksamer zu wirksamer Evaluation. Sich wirksam zu fühlen ist ein wichtiger Faktor der Motivation. Lassen wir doch den Deckel entscheiden, welcher Topf ihn begeistert. Fünf Jahre didaktische Kohlsuppe schmeckt nicht jedem.

Zeit: Ein neues Axiom in der Bildung. Schüler und Lehrer müssen sich nicht zeitgleich treffen. Man könnte noch weiter gehen: Der Lehrer muss im Prinzip gar nicht mehr am Leben sein. Eine Vorlesung von Hilbert, Einstein oder Turing wäre auch heute interessant. Wenn Verstorbene eine bestimmte Sache besonders gut erklären können, werden auch alte Vorlesungen nützlich sein. (Einschub: Wo gibt es eigentlich die älteste auf Video aufgezeichnete Vorlesung?) Durch eLearning muss der Schüler seine Konzentrationsfähigkeit nicht mehr an den Rhythmus des Lehrers oder an den Mittelwert der Klasse anpassen. Jeder lernt in seiner eigenen Geschwindigkeit und seiner eigenen Zeit. Die zeitliche Entkoppelung von Lehrer und Schüler verhindert, dass Schüler nach zehn Minuten Mathematikunterricht gedanklich aussteigen, weil sie den Erklärungen nicht mehr folgen können. Online kann ich den Informationskuchen in kleine Häppchen zerteilen, bei der Vorlesung im Hörsaal fliegt mir eine Informationstorte ins Gesicht. eLearning ist, was verhindert, dass alles auf einmal passiert.

Methode: Welches die geeignete Lehrmethode ist, werden die Zuseher (online) wahrscheinlich schneller entscheiden als man mit Studien und Forschung hinterherkommt. Vorschlag: Eine einzelne Standard-Grundlagenvorlesung („Vollständige Induktion“) wird mehrfach aufgezeichnet. Sie bleibt dabei fachlich und inhaltlich gleich, aber die Lehrmethode wechselt. Über die Klickzahlen oder Kommentare könnte man herausfinden, welche Methode besonders gerne angenommen wird. YouTube als Online-Labor der Pädagogik. Dieser Ansatz könnte nutzbringende Erkenntnisse liefern, bei Teilen der pädagogischen Forschung habe ich dagegen den Eindruck, sie gibt Antworten auf Fragen, die keiner mehr stellt. Ich würde mir wünschen, dass man die didaktische Widerlegungshoheit (im Popperschen Sinne) in die Hände der Schüler und Studenten legt. War es gut oder schlecht erklärt, falsifiziert der Student, nicht der Dozent. Oh, rüttle ich hier gerade an einem Grundpfeiler? 🙂 Mit eLearning bekommt der Student wirksame Mittel, um seine Lebenszeit nicht in aus didaktischer Perspektive mittelalterlich anmutenden Vorlesungen absitzen zu müssen. Wer schlecht erklärt, wird weggeklickt, wer gut erklärt, wird angeklickt. Wenn wir in der Universitätsbibliothek ein unverständliches Buch aus dem Regal ziehen, legen wir es zurück und nehmen ein besseres. Bald wird es mit Vorlesungen ähnlich sein.

Prüfung: Ein weiterer Forschungsansatz wäre, vor einer Prüfung die Studenten zu fragen, welche Dozenten und Lehrmethoden sie (zusätzlich zur normalen Vorlesung) im Netz genutzt haben. Im Anschluss analysiert man, wie die Angaben mit den Prüfungsnoten korrelieren. Auf die Ergebnisse wäre ich sehr gespannt.

Wunschvorlesung: Einmal pro Jahr dürfen Studenten (oder Externe) eine Wunschvorlesung wählen. Man stellt (sehr viele) Themen zur Auswahl und lässt abstimmen. Man könnte hier auch neue methodische Konzepte ausprobieren und danach das Feedback auswerten.

Mathematikvorlesung: Ein unkonventioneller Einstieg in die (wissenschaftliche) Mathematik könnte „Die formelfreie Mathematikvorlesung“ sein. Thema: „Warum ist die Mathematik axiomatisch aufgebaut?“ Es geht also um die interessante Frage: „Wo ist der Urknall der Mathematik … und was war davor?“ oder „Wie gebe ich einem besorgten Studenten die Sicherheit, dass das Fundament der Mathematik tragfähig ist?“ – „Machen wir seit 3000 Jahren so, ist bisher immer gut gegangen!“ zählt nicht. 🙂 Im Schulunterricht ist man immer „mittendrin“ in der Mathematik (Bruchrechnen, Addition, Differentialrechnung), aber es wird nicht erklärt, wo der Anfang ist, an dem alles „losgeht“. Und die noch spannendere Frage, was vor dem Anfang war, wird leider auch nicht beantwortet. Ist das Gebäude der Mathematik auf Sand oder auf Beton gebaut? Sind die Axiome fest genug, um Einsturzsicherheit zu gewährleisten? Solche Gedanken könnte man in diese Vorlesung hineinbringen. Hier kann ich mir auch eine interessante Diskussion im aktiven Plenum vorstellen.

Edelstein: Online-Vorlesungen werden zu einer öffentlichen Visitenkarte des Dozenten. Sicher für viele ein Ansporn, sich zu verbessern. Die Vorlesung als ein Edelstein, der ständiger Pflege und Verbesserung bedarf, um in den Augen der anderen zu funkeln. Zeige mir deine Online-Vorlesung und ich sage dir, wer du bist. Eine wissenschaftliche eVorlesung bleibt dabei der wichtige, feste Anker im großen Online-Meer aus Halb- und Viertelwissen.

Wikipedia: Wissenschaftler an der Hochschule könnten durch Wikipedia ihre Erkenntnisse (leicht zugänglich) an die Allgemeinheit weitergeben. Den Elfenbeinturm hochzulaufen, um persönlich das Wissen abzuholen, ist für viele Menschen zeitlich nicht möglich. Vorschlag: An einem Tag im Jahr wird an der Hochschule der „Wikipedia-Tag“ veranstaltet. An diesem Tag werden alle wissenschaftlichen Mitarbeiter und Professoren gebeten, freiwillig ihr Wissen in die Wikipedia zu tippen. Wenn genügend Hochschulen mitmachen, würde das Niveau von Wikipedia enorm steigen und alle können daran teilhaben. Gehen wir noch einen Schritt weiter: Warum nach Weltspartag, Weltfrauentag & Co. nicht auch einen Weltwikipediatag einführen?

Grundeinkommen: Seit zwei Jahren setze ich mich mit der Thematik „Bedingungsloses Grundeinkommen“ auseinander. Für Studenten würde sich einiges ändern, da BAföG, Studienkredite, Büchergeld (und anderer bürokratischer Kleinkram) wegfallen und (für alle) durch ein lebenslanges (bescheidenes, aber menschenwürdiges) Grundeinkommen ersetzt werden würden. Das Grundeinkommen ist ein finanzieller Sockel, der (ohne Bürokratie, ohne Formulare) lebenslang nicht unterschritten werden kann. Es ist die unbefristete, unkündbare Stelle im Leben. Lebenslanges Lernen wäre dann nicht nur ein politisches Motto, sondern wirklich umsetzbar. Ohne existenzielle Ängste kann Lernen und Ideenteilen richtig Spaß machen. Finanzierbar ist das Grundeinkommen, weil es nicht obendrauf kommt, sondern in bereits bestehende Einkommen integriert wird.

Wer von der ganzen Spinnerei gestresst ist, entspannt sich hier oder hier.

Um es mit Douglas Adams zu sagen: „Dozenten haben mit 42 die Antwort, aber die Berechnung der Frage liegt bei den Studenten.“ Diese erhalten durch eLearning ein demokratisches Verfahren, entscheiden aber nicht über den fachlichen Inhalt (Algebra bleibt Algebra), sondern über das Erklärpotenzial. Aber funktioniert ein Konzept, in dem Studenten auf einmal Nein sagen können? Gärt es tief in der Dozentenseele, wenn die seit 30 Jahren gleich gehaltene Vorlesung (didaktisch auf dem Stand von vor 300 Jahren) online keiner mehr aushält, weil sie noch nie jemand ausgehalten hat?

Kommando von dunkelmunkel: „Rührt Euch und Wegtreten in den Kommentarbereich!“

Kommentare
  1. dunkelmunkel sagt:

    Vielleicht gleich mal einen ersten Hinweis: Es gibt bereits ein System, das deine oben beschriebene Idee der Feedbackstatistik umsetzt: edubreak der Firma Ghostthinker. Dort kann man mit Ampelfarben die Videos annotieren, und als Dozent sieht man, an welchen Stellen des Videos die meisten Studierenden Probleme hatten…

  2. @dunkelmunkel: Hab mir gerade die Seite von edubreak angeschaut. Du hast recht, offenbar gibt es so etwas schon. Wurde aber bisher noch bei keiner eVorlesung (die man öffentlich im Netz findet) integriert. Oder doch? Hat jemand einen Link?

    Das Ganze hat auch eine psychologische Komponente: Die roten und grünen Buttons (oder Tasten Plus und Minus) geben dem kurzen, spontan-emotionalen Impuls des Zusehers (Hä, diese Stelle hab ich nicht verstanden!) eine Ausdrucksmöglichkeit. Und das ohne Unterbrechung des Videos und ohne komplizierte Klickorgien durch drei Menüs hindurch. Kompliziertere Feedbackeingaben, bei denen man mehr als eine Taste drücken muss, werden wahrscheinlich weniger gut funktionieren. Hm, ok, müsste man einfach mal testen, sprich erforschen. Mit meinem handelsüblichen Menschenverstand würde ich sagen, die meisten YouTuber werden ihrem Das-hab-ich-jetzt-nicht-verstanden-Impuls nachgeben und -eine- Taste drücken, aber mehr als eine?

    Oder man organisiert Feedback für ein Video in Form einer Maske, die hinter dem Video liegt. So wie bei einem Wikipedia-Artikel, wo hinter dem Artikel noch eine Diskussionsseite liegt. Und die ist manchmal viel interessanter als der eigentliche Artikel 🙂

    Danke für den Link an Edubreak, werde mal dort ein wenig rumstöbern.

  3. Leila Concetti sagt:

    Ein sehr schöner Beitrag zum Thema mit viel Potential. Ich bin begeistert!

    Ein solches Konzept ist revolutionär und der Berufsstand Lehrer dürfte sicher große Angst vor seiner Umsetzung haben.

    Umso mehr freut mich, immer mehr Menschen (vor allem Lehrer/Dozenten!) zu finden, die Unterricht für jedermann zugängig machen wollen und so hübsche Ideen verbreiten. So denke ich auch, dass die Umsetzung geschehen wird und ich freue mich heute schon auf den Augenblick, wo dies geschieht.

    Weiter so = )

  4. So lange es keine Wahlfreiheit für Studenten gibt, werden auch schlechte Vorlesungen möglich sein. Wenn es wirklich die Angst der Lehrer vor der Umsetzung ist, sollte es kein Problem sein, genau dort anzusetzen, oder? Zusammenarbeit vorausgesetzt.

  5. Boris sagt:

    „Schüler und Lehrer müssen sich nicht zeitgleich treffen. Man könnte noch weiter gehen: Der Lehrer muss im Prinzip gar nicht mehr am Leben sein. Eine Vorlesung von Hilbert, Einstein oder Turing wäre auch heute interessant. Wenn Verstorbene eine bestimmte Sache besonders gut erklären können, werden auch alte Vorlesungen nützlich sein.“

    Mh, ja. Gab’s schon haeufiger. Immer wieder mitreisend vorgetragen von Gunther Dueck. Ich halte das fuer ein super BONUS, aber leider kommt man dann ganz schnell in die Schiene, dass man ja die weniger beliebten Dozenten nicht brauch, gibt ja alles in besser. Ach, un die Tutorenstellen fuers FAQ? Das laesst man ein paar Jahre laufen, dann kann man die auch wegstreichen… Also Vorsicht mit sowas. Zusatz ja, Ersatz nein.

    „Gärt es tief in der Dozentenseele, wenn die seit 30 Jahren gleich gehaltene Vorlesung (didaktisch auf dem Stand von vor 300 Jahren) online keiner mehr aushält, weil sie noch nie jemand ausgehalten hat?“

    Da wird so mancher Angst bekommen und Angst ist ein schlechter Partner bei sowas. Irgend ne Idee, wie man sowas den Dozenten schmackhaft macht? Ganz ehrlich, wenn ich hier durch die Mediathek zappe gibt’s da drei Stufen (offen fuer alle, offen fuer Studierende, offen fuer Teilnehmer der VL). Und so viel man da in das Portal eignestellt hat, das meiste ist nur fuer die jeweiligen Teilnehmer der Veranstaltung offen, d.h. die Aussenwelt sieht und hoert davon nichts. Angst sorgt dafuer, dass die sich einkapseln und wenn es gar nicht mehr geht, dann beginnt ein gnadenloser Konkurrenzkampf. Hoffnung: Das beste wird herausgefiltert und immer weiter verbessert – Befuerchtung: Wegrationalisierung, s.o.

    „YouTube als Online-Labor der Pädagogik.“

    Du willst Vorlesungen auf YouTube stellen und erwartest, dass die auch noch entsprechend langer Zeit verfuegbar sind? Ich glaube nicht…

  6. Boris sagt:

    Mh, Nachtrag: Das ist jetzt nicht so negativ gemeint gewesen, wie es vielleicht klingt, aber die ganzen Ideen sind ja nicht neu. Das Hauptproblem ist a) die Leute (sowohl Lehrende wie auch Lernende) davon zu ueberzeugen und b) ihnen auch die dafuer noetigen technsichen, aber vor allem gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu sichern (letzteres kratzt du ja schon ganz leicht mit dem BGE an, wenn auch aus einer anderen Richtung).

  7. Frank Vohle sagt:

    Hallo zusammen,

    Sehr interessanter Gastbeitrag, Danke! Solche Zukunftsszenarien finde ich immer ganz inspirierend für die Frage, was man alles ändern kann, ändern muss, damit es „gut“ wird. In solchen Szenarien wird dann auch klar(er), was jemand unter gut versteht, nur so kann man (kontrovers) drüber sprechen. Also: Mehr von diesen Wunsch-, Traum- oder Zukunftskonzerten.

    @Christian: Vielen Dank für die Verlinkung zu edubreak.

    Ich will nur ein paar Infos nachliefern:
    @Stephan: Doch, doch, edubreak ist bereits an Universitäten im Einsatz (PH Salzburg, LMU München, Uni Hannover, Uni BW München, Uni Augsburg). Lehrerbildung, Musikerausbildung, Doktorandenausbildung. Hierzu ein schöner Videobeitrag von Steffen: http://www.uni-hannover.de/de/universitaet/organisation/einrichtung/elsa/methoden/online-videoannotation/

    Generelles zum Thema Videokommentierung:
    Ghostthinker beschäftigt ja jetzt schon sieben Jahre mit dem Thema Videokommentierung, eher in Sport und Berufskontexten. Wir haben viel experimentiert, viel konzeptionelles Wissen gesammelt. Aber erst vor kurzen wurde mir klar, dass das Ganze weniger mit Video als vielmehr mit „Relevanz“ zu tun hat. Damit meine ich das „Zeigen“ der Studierenden auf für sie BEDEUTSAME Situationen. Das scheint mir didaktisch sehr interessant zu sein, hier werden wir uns weiter vertiefen; ein kleines Artikelchen hierzu erscheint in Kürze online.

    In diesem Zusammenhang ist ggf. noch ein zweites Projekt interessant. Wir haben es in Kooperation mit der Uni Hohenheim (Politik Lehrstuhl) entwickelt (MediaLiveTracker). MLT ist ein Instrument für Echtzeitmessung im Video, man kann also laufend Urteile über Videoszenen abgeben. Das ist für Marktforschung, Politikberatung interessant, kann aber ebenso für Vorlesungen genutzt werden.

    Die Zukunft ist also gar nicht soooo weit. Aber zwischen einem neuen „Tool“ und einer guten „Kultur“ liegt das Meer. Aber das kann man bekanntlich überqueren!

    Grüße! Frank

    Quellen:
    Videoannotation (insbesondere Abschnitt 3, situierte, visuelle Muster): http://www.frank-vohle.de/files/Jahrbuch_Vohle_Reinmann.pdf
    MLT/Forschung: https://www.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/komm/PDFs/Komm/Publikationen/Vortrag_MediaLiveTracker_GOR_2012.pdf
    http://edubreak-sportcampus.de/

  8. @All
    @Loviscach (Google+)

    Ich finde das Ur-Prinzip der Vorlesung im Grunde gar nicht schlecht. Der Dozent doziert und die Zuhörer hören zu. Neu: Der Verbesserungsprozess wird vollständig ausgelagert auf das Online-Video/eFeedback. Der Dozent legt dann selbst fest, wo und wie er anschließend die Real-Vorlesung anpasst. Ziel ist die Verbesserung der Real-Vorlesung, durch konsequente Auslagerung der Verbesserungsdiskussionen in die Sphäre der Online-Aufzeichnung.

    Es ist doch eine Illusion, dass durch Handheben und Fragen stellen in 500er Vorlesungen irgendwelche substanziellen Verbesserungen entstehen. Weg mit bürokratischen Evaluierungen, mit Formularen und Zettelkram. Sondern: Direktevaluierung durch die Studenten, zentral an der Videoaufzeichnung! Da kann man sicher sehr schöne, intuitiv Bedienbare Konzepte, rund um die Aufzeichnung herum programmieren. Dadurch gibt es keine Verzettelung mehr, das gesamte Feedback klebt als Mörtel an der Videoaufzeichung. Da wo es hingehört.

    Ich möchte nicht die reale Vorlesung abschaffen. Sondern Real-Vorlesung und Online-Vorlesungsaufzeichnung würden gleichberechtigt nebeneinander angeboten. Online-Feedback kann dann langsam in die Real-Vorlesung hinein wirken und diese von Semester zu Semester besser machen.

    Aber ich bin auch kein Feedbackfetischist: Von Vor-Ort-Feedback (z.B. Melden per Hand oder eVarianten wie Wer-wird-Millionär-Knöpfe drücken) halte ich (fast) nichts. Gutes Feedback hat, meines Erachtens, damit zu tun, dass man ausreichend Zeit zwischen Frage und Antwort vergehen lässt. Bei Vor-Ort-Feedback ist viel zu viel Beziehungsebene drin, man steht vor Publikum, man nimmt Kritik persönlich usw. Und es unterbricht den Fluss einer (guten) Vorlesung! Eine schlechte Vorlesung wird durch Vor-Ort-Feedback nicht zur Perle, eher zu einer holprigen Piste, bei der ständig Schlaglöcher umfahren werden. Eine schlechte Vorlesung kann man nicht retten. Jedenfalls nicht ad-hoc.

    Thema Freiwilligkeit: Eine passive Videoaufzeichnung und ein Online-Feedback der Videoaufzeichnung verpflichtet den Dozenten erst mal zu nichts. Er behält immer ein Veto in der Umsetzung seiner Real-Vorlesung. Theoretisch wäre es also möglich, dass ein Dozent trotzdem einfach 20 Jahre so weiter macht wie bisher. Das wäre ok! Ein Dozent braucht nicht durch Online-Feedback zum Reiz-Reaktion-Wesen zu werden. Er behält es in der Hand, wie und was er umsetzt. Dieser Aspekt der Freiwilligkeit erhöht (meines Erachtens) die Akzeptanz von eLearning. Vielleicht wird das nur noch nicht so rübergebracht und daher entstehen Ängste?

    @Loviscach
    Ich bin etwas überrascht, dass Sie die Zukunftsperspektiven des Beitrages eher negativ einschätzen. Sie waren einer der ersten, deren Vorlesungen und Vorträge ich im Netz gefunden und genutzt habe. Deshalb bin ich verwundert über ihre eher pessimistischen Erwartungen. Sie sind doch nicht etwa auf die Seite der „Faster Horses“ gewechselt? 🙂

    Oder bin ich einfach (noch) zu optimistisch/idealistisch?

  9. Bei nochmaligem Lesen meines letzten Beitrages ist mir aufgefallen, dass ich den Begriff „Videoaufzeichnung“ etwas schlampig verwendet habe. Ich meinte eigentlich das fertige Endprodukt, aber man könnte das Wort auch als Live-Stream verstehen.

    Vielleicht kann mir jemand weiterhelfen. Wie grenzt man begrifflich (mit einem Wort) diese drei Sachverhalte am besten voneinander ab? So, dass keine Missverständnisse entstehen.

    1. Real-Vorlesung vor Ort.

    2. Aufzeichnen der Real-Vorlesung vor Ort und parallel Live ins Internet streamen.

    3. Abgeschlossene Videoaufzeichnung, als fertiges Endprodukt z.B. bei YouTube zu finden.

    Da ist mir doch gleich noch was eingefallen. Der Begriff eLearning wird (glaube ich) in der Bevölkerung etwas missverstanden und zwar eher so wie in Punkt 2. Also als Live-Unterrichts-Stream im Internet.

    Aber genau so verstehe ich eLearning gerade nicht! Denn das ist für mich ein alter Hut, wenn das eLearning gewesen wäre, hätt ich mich nicht dafür begeistern können. Der Clou ist doch gerade, ein Fertiges Endprodukt (also Punkt 3) zu erschaffen und dort ganz in Ruhe die Verbesserungsdiskussionen zu führen und danach die Real-Vorlesungen anzupassen. Diese jedoch sollen ganz klassisch und ungestört von Vor-Ort-Live-Feedback ablaufen.

  10. dunkelmunkel sagt:

    @Stephan Rückfrage: Gibt es denn irgend jemanden, der im Rahmen der normalen Hochschul-Präsenzlehre live ins Netz streamt? Also, gibt es Fall 2 überhaupt? Ich glaube, der ist eher nachrangig / künstlich. In der Regel werden Vorlesungen aufgezeichnet und online zum Ansehen zur Verfügung gestellt (3.)

    Fall 2 findet man eher im Kontext von Konferenzen und Vorträgen…

  11. jhandke sagt:

    Leutnant Handke A.D. meldet sich zum Dienst.

    Die Einschätzung der Lage von OL Goldammer kann ich in vielerlei Hinsicht teilen.
    In der Tat ist es zum Paradies noch sehr weit, ich finde, noch viel weiter als es viele wahrhaben wollen. E-Learning ist immer noch in großen Teilen mit einer „PDF-Schleuder“ gleichzusetzen, die Hochschullehre steckt in weiten Teilen noch tief im 20. Jahrhundert und vielen Dozenten fehlt es sowohl an der didaktischen Kompetenz im Allgemeinen wie auch an der Medienkompetenz im Besonderen. So ist das von OL Goldammer beschriebene Modell eVorlesung = Klassische Vorlesung plus Videoaufzeichnung das Maximale, was derzeit angedacht werden kann, mehr nicht – und für die meisten viel weniger.

    Hier noch ein paar weitere „Lageparameter“ bezogen auf die einzelnen Punkte:

    FAQ:
    Wenn ich die Präsenzzeit dazu verwende, am Semesterende die FAQs in die Lehre zu integrieren und über Videos verfüge, dann sollte der Weg zum Inverted Classroom nicht mehr weit sein.

    Feedbackstatistik:
    Eigentlich eine prima Idee, die aber auch Verwirrung stiften kann. Wenn ich mir die mehr als 500 Kommentare in unserem Video-Kanal http://www.youtube.com/linguisticsmarburg anschaue, dann sind das Fragen und Kommentare auf völlig unterschiedlichem Niveau: einige sind einfach einfältige Fragen, andere hochklassige wissenschaftliche Beiträge. Wenn all diese in roten oder grünen Markierungen resultieren, könnte dies u.U. demotivierend für bestimmte Lerner- oder „Viewer“-typen sein. Ich glaube, die Kommentarfunktion in YouTube reicht aus, gekoppelt mit entweder In-Class Erklärungen oder, so machen wir es, unseren Spezialvideos „Questions of the Month“.

    Methode:
    Auf den ersten Blick erscheint der Vorschlag „YouTube als Online-Labor“ sehr reizvoll zu sein. Doch was würde man als Methode anbieten? Doch immer wieder die „frontale“ Präsentation, bei der man stets externer Betrachter bleibt. Die Methode muss bei der Aufzeichnung selbst einfließen, das Resultat für den Betrachter bleibt die Präsentation.

    Melde mich ab, muss zum Dienst.

  12. @dunkelmunkel

    Du hast recht. Ich hab da mit der Definitionskanone auf Spatzen geschossen. Mein letzter Beitrag ist irgendwie zur Hälfte Quark… Dat kommt davon wenn man nachts Texte schreibt… Am nächsten Tag bei Sonnenlicht denkt man nur… WO ist die nachträgliche Kommentaränderungsfunktion bei WordPress 🙂 Die FEHLT noch!

  13. @All

    Mein Eindruck: eLearning wird bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen als Vorlesungs-Kopie-ins-Internet-stellen. Aber das war nur der erste Schritt. Der zweite Schritt ist (und das wäre meine „Zukunftsvision“ von eLearning), einen dauerhaften Feedbackverbesserungsregelkreis, direkt an der Vorlesungsaufzeichnung, (technisch) zu ermöglichen.

    Vorlesungen ins Netz zu stellen, war der Anfang. Um aber der Öffentlichkeit und den Dozenten eLearning „schmackhaft“ zu machen, sollte man mehr auf den zweiten Schritt hinweisen. Erst dieser macht für mich den Reiz von eLearning aus, sonst wäre es ja „nur“ eine Kopie der Vorlesung im Internet. Erst der Feedbackverbesserungsregelkreis macht eLearning wirklich „sexy“.

    eLearning führt aktuell dazu, dass man auf einen besser erklärenden Professor ausweichen kann. Das schafft Linderung bei aktutem „Vorlesungschmerz“, aber das kann nicht die Endstation in der Entwicklung von eLearning sein, sondern bleibt Symptombehandlung.

    Wenn wir hier in der Entwicklung stehen bleiben, würde das dazu führen, dass sich alle auf den einen guten Dozenten konzentrieren und der Rest…? Um eine „Notfallhilfe“ als Ausweichmöglichkeit zu haben, ist das eine gute Sache (wir würden ja schon heute keinem sagen, du darfst nur das schlechte Buch nutzen, das gute bleibt dir verwehrt), aber als Dauerzustand?

    Besser wäre es doch, in allen (!) Vorlesungen das Erklärniveau zu heben. Und dazu braucht jede Vorlesungsaufzeichnung einen Feedbackverbesserungsregelkreis. Wir brauchen eine Flut, die alle Boote hebt.

  14. @dunkelmunkel

    Habe in den letzten Tagen über den Punkt „Prüfung“ nachgedacht und bräuchte deinen fachmännischen Rat. Ich kopier den Abschnitt mal hier rein:

    „Prüfung: Ein weiterer Forschungsansatz wäre, vor einer Prüfung die Studenten zu fragen, welche Dozenten und Lehrmethoden sie (zusätzlich zur normalen Vorlesung) im Netz genutzt haben. Im Anschluss analysiert man, wie die Angaben mit den Prüfungsnoten korrelieren. Auf die Ergebnisse wäre ich sehr gespannt.“

    Mir ist aufgefallen: So etwas funktioniert doch auch mit Büchern. Man lässt die Studenten vor der Prüfung auf einem Fragebogen ankreuzen welche Bücher Sie genutzt haben. Da könnten sich interessante Korrelationen ergeben. Zum Beispiel, dass diejenigen die „Beutelspacher – Buch Y“ nutzen, bessere Noten haben. Andere dagegen die „Standardlehrbuch X“ genutzt haben, schlechtere. Ist in dieser Richtung noch nie geforscht worden (in prä-digitalen Zeiten)? Ok, es werden vielleicht nicht unbedingt harte Kausalitäten herstellbar sein, aber bestimmt recht interessante Korrelationen?

    Worauf beruhen die Buchempfehlungen der Dozenten? Auf „Dieses Buch mag ich, deshalb empfehle ich es euch.“? Durch die Forschungsergebnisse könnte man doch mehr Wissenschaftlichkeit in die Buchempfehlungen bringen?

    Bei Online-Vorlesungen das gleiche:. Man stelle sich vor, dass bestimmte Studenten, die eine Aufzeichnung von Prof. Unbekannt aus Hintertupfingen im Netz genutzt haben, deutlich bessere Noten schreiben.

    Wäre doch interessant, dann mal zu schauen was der so anders macht, der Erklär-Bär 🙂

  15. @jhandke Etwas neben dem Thema und doch mitten drin: Was verstehst Du unter „einfältigen“ Fragen?

  16. @jhandke

    Feedbackstatistik: Die grünen und roten Buttons finde ich attraktiv, weil es dem spontan-emotionalen Impuls des Nicht-Verstehens an einer ganz bestimmten Stelle eine gezielte Ausdrucksmöglichkeit gibt. Wer später noch mehr Feedback geben will, kann aus einer Fülle an weiteren, parallel angeboten Feedback-Möglichkeiten auswählen. Das „Neue“ ist die Konzentrierung und Zentralisierung sämtlicher Feedbackaktivitäten direkt an der Videoaufzeichnung. Die Feedback-Typen (Wikis, Diskussionen, Nachrichten, Foren und viele mehr) werden technisch direkt an die Aufzeichnung angeflanscht. Dadurch fallen alle Feedbackverzettelungen (E-Mail, Melden in Vorlesungen, Flurgespräche) weg. Es wird dort Feedback gegeben, wo es hingehört, direkt an der Vorlesungsaufzeichnung.

    In prä-digitalen Zeiten hat man über eine Vorlesung als „Erinnerung aus dem Kopf“ reden müssen (wobei das ja heute in 90% der Fälle immer noch so ist). Aber etwas verbessern was man nicht sehen kann? 🙂

    [Irgendwie mag ich die Statistik mit den rot-grünen Balken. Einfach zu verstehen, für beide Seiten, und der Dozent kann gezielt zu den „roten“ Problemstellen, den Peaks, springen. Wer dann ein Video hat, das ein einziger grüner Dauer-Peak ist, wird zum Gott der Didaktik ernannt. 🙂 ]

    Methode: Dieses Forschungsprojekt stelle ich mir so vor: Man wählt ein festes Thema (Anglistik Lautschrift). Der 20 mal gleichbleibende Inhalt wird dann mit 20 unterschiedlichen Lehrmethoden kombiniert und es ergeben sich 20 Online-Videos. Am langfristigen Feedback, Klickzahlen usw. hätte man einen Anhalt, womit Studenten gerne lernen. Man könnte hier auch „Freestyle“ selbsterdachte Lehrmethoden ausprobieren und testen.

    Man könnte in der Prüfung fragen: „Welche Online-Lehrmethodenvideos haben Sie [zusätzlich zur normalen Vorlesung] genutzt?“ und schaut wie das mit den Prüfungsnoten korreliert. Mit welcher Lehrmethode Studenten besonders gut lernen, würde die Prüfungsnote zeigen. Hier ergeben sich bestimmt interessante Korrelationen, vielleicht auch (anhand der Noten) ein „Lehrmethoden-Geheimtipp“ den bisher kaum einer auf dem Radar hatte. Man sollte eventuell ein eher „unbeliebtes“ Thema wählen, da der positive Lern-Effekt einer bestimmten Lehrmethode sich so möglicherweise leichter aus den Daten herauskristallisiert.

  17. +++ Achtung, jetzt wird’s extrem! +++

    Warum nicht mal Butter bei die Fische: Alle von Pädagogen jemals erdachten Lehrmethoden werden auf Video aufgenommen, verbunden mit einem festen Thema. Alle Methoden (wie viele mögen das sein? 100? 200? 300?), kombiniert mit einem einzigen (eher schwer zu lernenden, aber allgemein notwendigen) festen Thema. Das wäre einmalig ein ziemliche großer Aufwand, aber danach würde es als endloses Forschungsprojekt online weiterlaufen. Von Jahr zu Jahr würde mehr Feedback-Income hereinkommen, höhere Klickzahlen usw. Die statistischen Daten würden mit der Zeit valider werden. Alle aufgezeichneten Lehrmethoden hätten die gleichen (Start)Chancen. Vor-Ort-Vorlesungen gibt es natürlich weiterhin, aber per Prüfungs-Fragebogen könnte man eine mögliche Korrelation einer bestimmten Lehrmethode mit der Prüfungsnote feststellen.

    Online = Passiv ???

    Ist „passiv“ schlecht und „aktiv“ gut? Wie definiert man das eigentlich? Oberflächlich betrachtet, ist Online „Konsum“ passiv, und viele folgern daraus, das könne ja nicht gut sein, so viel „Passivität“. Aber ist „Aktivierung“ das Heilmittel? Ist „passiv“ das Gegenteil von „aktiv“? Wo ist der Sinn in der Unterscheidung, „aktiv“ (positiv) – „passiv“ (negativ).

    Wer behauptet das „aktiv“ gut ist, müsste seit Jahrzehnten konsequent gegen Bücher argumentieren. Denn etwas passiveres gibt es nicht. Aber würden wir mit dem Finger auf ein gut erklärendes Mathematiklehrbuch zeigen und sagen: „Du bist passiv, weg mit dir“?

    Nein, dass erste was wir am Beginn eines Semesters hören, sind die Buchempfehlungen des Professors (am liebsten natürlich das eigene 🙂 ). Warum nicht mal eine Online-Vorlesung empfehlen (auch die von einem Kollegen). Oder wäre das peinlich, weil dann auffällt, dass dort der gleiche Stoff deutlich besser erklärt wird?

    Ich habe eine etwas ketzerische These: „Aktiv“ ist nur eine Ausrede. „Aktiv“ ist das Ausweichen des Dozenten und seiner passiven, schlecht erklärenden Vorlesung, in den Raum der „Aktivität“. Denn es ist viel leichter, aus passiv aktiv zu machen, als aus schlecht erklärend gut erklärend. Bemerkt noch jemand die Konditionierung, wenn „schlecht erklärend“ und „passiv“ automatisch im Kopf miteinander verbunden werden? Pädagogischer Pawlow, wuff wuff!

    Gute Erklärungen sind stark Personenzentriert. Ein Dozent, der sich von einem schlecht erklärenden, zu einem gut erklärenden Dozenten wandeln will, muss einen Jahre-, Jahrzehnte-, vielleicht auch Lebenslangen, anstrengenden, inneren Prozess durchlaufen. Manche schaffen es nie, aber manche fangen auch gar nicht erst an.

    Da ist es doch viel einfacher auf die böse „Passivität“ einer Vorlesung zu schimpfen und „Aktivität“ hereinzubringen.

    Analogie mit Büchern: „Wir haben nur schlechte, passive Bücher, aber weil wir nicht in der Lage sind bessere Bücher zu schreiben, weichen wir auf „Aktivierungsmaßnahmen“ aus. Dieser Satz fühlt sich doch komisch an, oder?

    Statt das Erklärniveau zu heben, schimpft man lieber auf die „Passivität“, macht „Aktivität“, repariert aber an der falschen Stelle.

    Warum reagieren wir reflexartig auf die „Passivität“ von (Online)Vorlesungen? Warum führen wir diese Diskussion nicht bei Büchern? Weil wir uns daran gewöhnt haben?

    Fragen wir doch mal Manfred Spitzer. Original Zitat: „Wir wissen doch, dass eLearning nicht funktioniert!“ Ok Herr Spitzer, mag ja in ihrem Weltbild so sein, aber gilt das der Fairness halber nicht auch für Bücher?

    Das hier ist übrigens keine Kritik an Flipped Classroom oder aktivem Plenum, und auch keine Kritik an aktiven Lehrmethoden, sondern ich möchte gerne die Begriffe etwas differenzieren. Und ein wenig Polemik muss auch mal sein 🙂

  18. Ein einstündiger Vortrag von Manfred Spitzer hat mich zum Nachdenken gebracht. Über Wissenschaft, über Lehre und über Menschen.

    Soll man bei Spitzer weinen oder lachen? Lachen, weil sein Auftritt als allwissende Synapse etwas unfreiwillig Komisches hat? Oder Weinen, weil er wissenschaftliche Studien und sein eigenes Weltbild zu einem ungenießbaren Brei vermischt?

    Man merkt schnell: Spitzer ist Synapsenfetischist. Er würde es lieben, wenn Lehrer endlich anfangen würden, die einfachen Dinge kompliziert zu erklären. Denn da muss das Gehirn so schön viel arbeiten, und da bilden sich so schön viele Synapsen, und die kriegen so schön viele Kinder und… Nach dieser Logik hätte Spitzer für seine ärztliche Prüfung mit einem 100 Jahre alten Medizinbuch lernen müssen, denn die sind ja so herrlich kompliziert geschrieben, und da bilden sich dann ganz viele Neuronen, Positronen und Melonen. Oder wie hießen die nochmal?

    Spitzer zeigt uns, wo die Gefahren lauern. Nein, nicht bei unseriösen Vorträgen alter Professoren, sondern beim Fernsehkonsum. Er zitiert aus einer Neuseelandstudie: Kinder mit hohem Fernsehkonsum haben später schlechtere Schul- und Uniabschlüsse. Soweit die Korrelation. Spitzer aber schlussfolgert messerscharf: Fernsehen (und bei ihm inkludiert das immer auch „Digitale Medien“) ist böse und muss weg.

    Nicht mit einem Wort erwähnt Spitzer das viel naheliegendere: Hoher Fernsehkonsum ist die Folge von elterlicher Vernachlässigung. Eltern behandeln aber nicht absichtlich ihre Kinder so, sondern haben selbst einen Sack an (Zeit)Problemen: Arbeitsplatzsorgen, Mobbing, Geldprobleme, Ehestreitigkeiten, Bürokratischer Kleinkram an allen Ecken, Psychische Probleme, Burnout, Druck vom Arbeitsamt etc. Warum forscht er nicht hier? Oder ist ihm das zu einfach… äh, zu kompliziert?

    Spitzers synaptischer Superlativ ist die Aussage: „Weil es Google gibt, will keiner mehr was Wissen. Nur wenn der schnelle Zugriff auf Wissen verhindert wird, will man Lernen. Früher haben Menschen nur gelernt, weil das Buch in der Bibliothek soweit weg war.“ Oh, oh, oh, mir platzt gleich das Gehirn.

    Zum Schluss gibt er nochmal Vollgas: „Wir wissen doch, dass eLearning nicht funktioniert!“. Aha, dank seiner Glaskugel kann Spitzer präzise die Zukunft vorhersagen. Deshalb konnte er auch das eLearning-Schiff vorm Untergang retten, denn kurz vorm Absaufen hat er den Begriff Blendend Learning erfunden. So klingt es jedenfalls, wenn er darüber referiert. Wie schön ist doch die Welt, keiner muss sich mehr Sorgen machen, denn Käpt‘n Manfred Ahab führt uns sicher durch die pädagogische See. Captain! my Captain!

    Etwas Gutes hat der (Online)Vortrag. Ich konnte einen Punkt aus meinem Gastbeitrag bestätigen. Digitale Medien und eLearning helfen uns „überflüssigen Ballast“ zu erkennen. Das mir Manfred Spitzer gleich so eine Steilvorlage bietet! Danke dafür!

  19. @Feedbackstatistik:

    Ein kleine Präzisierung der Feedbackstatistik: Hier meinte ich nicht eine Verteilung von rot-grünen Markierungen auf der Abzisse („X-Achse“), sondern die grafische Aufaddierung von Mehrfacheingaben, so das unterschiedlich hohe, rote und grüne Balken entstehen. Sieht dann am Schluss ein bisschen aus wie ein Equalizer, und die roten Peaks wären die Problemstellen. Hoffe ich konnte alle Unklarheiten beseitigen 🙂

  20. dunkelmunkel sagt:

    @Stephan Ein paar Überlegungen zu deinem Vorschlag der Youtube-Forschung:

    „Warum nicht mal Butter bei die Fische: Alle von Pädagogen jemals erdachten Lehrmethoden werden auf Video aufgenommen, verbunden mit einem festen Thema.“ … damit erhältst du aber nur die „Präsentationsmethoden“, also solche, die mit Video aufgenommen und präsentiert werden können… aber was ist mit den studierendenzentrierten Methoden, mit den Methoden, die dann im Plenum eingesetzt werden, mit den Aufgaben, die von den Studierenden selbst gelöst und besprochen werden müssen…

    Außerdem: Die Videos unterscheiden sich ja nicht nur durch Methoden, sondern auch durch Dozenten usw. Ein solcher Abstimmungsmodus entscheidet vermutlich mehr über Sympathien o.ä. als über die Qualität von Methoden.

    Und ziehen denn die Studierenden diejenigen Lehrmethoden vor, die die besten sind? Also, vielleicht lernt man ja mit den anstrengenden, weniger bequemen Methoden mehr… werden diese von Studierenden freiwillig gewählt?

  21. @dunkelmunkel

    Präsentation: Mein Ansatz => Der Lerneffekt tritt auch ein, wenn man bei einer (aufgezeichneten) interaktiven Lehrmethode nur Zuschauer ist (Stichwort Spiegelneurone). Wer sieht, wie andere im aktiven Plenum agieren, Fragen stellen und miteinander diskutieren, hat als Zuschauer den (tendenziell) gleichen Lerneffekt wie Vor-Ort-Anwesende.

    Dozent: Stimmt. Ein festes Thema, kombiniert mit einem festen Dozenten. Beispielsweise: Vollständige Induktion, 100 verschiedene Lehrmethoden und ein fester Dozent.

    Freiwilligkeit: Kurzfristig wird natürlich das „einfachere“ angeschaut. Aber das Projekt würde endlos laufen und nach einer Weile (ein paar Jahren) würde man zeigen können, dass bestimmte Methoden bessere Noten bringen. Das müsste überzeugend genug sein, damit Studenten auch die weniger bequemen Methoden freiwillig nutzen. Vielleicht ergibt sich beispielsweise, dass diejenigen, die Hörsaalspielvideo X oder Aktives Plenumsvideo Y als Methode nutzen, ständig bessere Noten schreiben. Das dürfte doch auf Studenten überzeugend wirken?

    [Falls mein Ansatz „Lerneffekt durch inneres Spiegeln von aufgezeichneten Interaktionen“ Quark ist, wird natürlich die ganze Argumentation hinfällig und kann in den digitalen Shredder.]

  22. @dunkelmunkel

    Die zwei Vorschläge sind etwas vermischt worden. Ich versuche mal zu entwirren:

    Mit dem einen Vorschlag würde man die beste Lehrmethode finden. Festes Thema, Fester Dozent, 100 Lehrmethoden. Dieses Projekt wäre einmalig sehr aufwändig. [Ich hätte den Begriff Spiegelneurone (zu gehypt) weglassen sollen. Was ich ausdrücken wollte war, dass ein (tendenziell gleich guter) Lerneffekt bereits dann Auftritt, wenn ich anderen Zuschaue, wie sie Interagieren, Diskutieren, Aufgaben lösen, Miteinander Spielen, Fehler machen.]

    Den anderen Vorschlag könnte man ohne größeren Aufwand umsetzen, Fragebogen mit Prüfungsnote koppeln, fertig. Hier würde man den besten Dozenten finden. Oder das beste Buch (bzw. Autor).

  23. @Feedbackstatistik

    Ein weiterer Vorteil der Feedbackstatistik => Irgendwann in der Zukunft wird es zu jedem Vorlesungsthema 500 Videos geben. Nun steht der arme Student vor 500 Vorlesungen zum Thema „Aussagenlogik“ und möchte (auf die Schnelle) die am besten erklärende haben. Hier würde man ihm (per Software) eine Empfehlung aussprechen können: „Nimm doch die Vorlesung, die (über die gesamte Laufzeit) am häufigsten (punktuell auch mehrfach) „grün“ markiert wurde und möglichst wenig rote Peaks hat.“

    [Die Ideal-Empfehlung würde optisch Aussehen wie eine grüner Dauerpeak, also wie eine Equalizer bei dem man von Anfang bis Ende alle grünfarbigen Regler weit hochgeschoben hat.]

  24. In dem folgenden, längeren Kommentar möchte ich einige Vorschläge klarer voneinander abgrenzen, erweitern, und kompakt darstellen. Sie sind alle verbunden durch „Erklärniveau erkennen“, „(Begründete) Empfehlungen geben“ und „Erklärniveau verbessern“, im Prinzip aber doch getrennt voneinander zu sehen.

    @Feedbackstatistik

    Rot/Grün Buttons helfen, das Erklärniveau innerhalb einer Vorlesungsaufzeichnung festzustellen. Die grafische Auswertung addiert punktuelle Mehrfacheingaben, z.B. zu roten „Peaks“ (den Problemstellen), das Auswertediagramm sieht, nach genügend vielen Durchgängen, optisch aus wie ein rot/grüner Equalizer. Gibt es viele „hohe, grüne Balken“ über die gesamte Laufzeit, weist das auf ein gutes Erklärniveau hin. Ein interessanter (kommerzieller) Kontext ist, dass (in ferner Zukunft) eine unüberschaubar große Menge an thematisch gleichen Vorlesungsvideos nach „Erklärniveau“ sortiert werden kann und die Software (nehmen wir mal an YouTube setzt das ein) mir eine Empfehlung ausspricht, z.B. aus 1.000 Videos zu Aussagenlogik, jenes zu wählen, das möglichst viele „grüne“ Anteile hat.

    Anmerkung: Auch nach den Prüfungen können die Videos weiterhin markiert werden, falls die am Anfang „gut klingenden Erklärungen“ sich nach der Prüfung als doch nicht so gut herausstellen… Nach genügend vielen Durchgängen und Semestern sollte sich aber ein stabiles Bild des „Erklärniveaus“ ergeben.

    Anmerkung: Das Konzept ließe sich auch auf eBooks übertragen, z.B. auf Kindle oder auf Lehrbücher die als PDF vorhanden sind. Die Daten müssten zentral zusammengeführt werden, dann wäre auch hier eine Sortierung thematisch gleicher Inhalte möglich (z.B. als Sortierungsempfehlung bei Amazon).

    @Feedbackverbesserungsregelkreis

    Feedback an der Vorlesungsaufzeichnung verbessert die reale Vorlesung. Vorlesung und Vorlesungsaufzeichnung gehen eine Feedbacksymbiose ein. Früher hat man Kritik und Feedback auf viele Orten verteilt (Facebook, Wikis, Foren, eMail, Meldung per Hand, Flurgespräche, Telefon, Stammtisch etc.). Diese Feedbackverzettelung wird konzentriert und zentralisiert, damit Feedback dort ankommt wo es hingehört, direkt an der Vorlesungsaufzeichnung. Früher hat man weit verstreute Einzeldiskussionen geführt, heute kann man diese an der Vorlesungsaufzeichnung bündeln. Man muss nicht mehr über eine Vorlesung als „Erinnerung aus dem Kopf“ sprechen, sondern hat das Objekt das man verbessern will, direkt vor sich. Eine reale Vorlesung in einer Vorlesungskopie zu speichern, ähnelt dem Schreiben eines Blogartikels, der Gedanken „auslagert“, um später in Ruhe darüber zu reflektieren.

    Das „Digitale“, die „Kopie“, wird als Vehikel benutzt, um den Feedbackverbesserungsregelkreis zu ermöglichen. [Dieses Konzept erlaubt ein riesiges Online Experiment, das sich selbst steuert und verbessert. Es ist, wie ich bereits schrieb, eine Flut die alle Boote hebt.] Wir sind dann selbst schuld, wenn wir die Vorlesungskopie nicht zur Verbesserung nutzen. Also lasst den Frust nicht mehr im Äther verpuffen, sondern klebt ihn an die „digitale Kopie“. Wenn das mal in unseren Köpfen drin ist, werden wir wieder hoffnungsvoller in schmerzhaft-schlechten Realvorlesungen sitzen, weil wir wissen, Ha, gleich zeig ichs dir an der Vorlesungskopie! 

    Wir sollten aufhören, über Vorlesungen zu reden, wie über den letzten, verregneten Urlaub oder eine längst vergangene, verkorkste Beziehung, sondern bitte, wenn schon jammern, dann zentralisiertes Jammern an der Videoaufzeichnung! Wir sollten aufhören mit Phantastereien wie: Die Vorlesungen sind sooo schlecht, aber da kann man ja nix machen…

    In dem Focus Artikel (Schule im Jahr 2029) lese ich (grob vereinfacht) heraus: „In Zukunft findet man alles als Kopie im Internet.“ Das ist auch richtig und gut so. Aber diese „Kopie“ Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, lässt den besten Aspekt von eLearning unter den Tisch fallen: Feedback und Verbesserungsdiskussionen, zentralisiert am Objekt der Videoaufzeichnung. Das führt dazu, dass 2029 nicht einfach nur Vorlesungen eins zu eins im Netz stehen, sondern das immer bessere und bessere Vorlesungen im Netz stehen! Sollen denn in Zukunft schlechte Vorlesungen auch noch als ewig schlechte Kopie… Och nee, bitte nicht… Das „Kopieren“ macht aus Vorlesungsstroh noch kein Gold. Aber das spinnen eines Feedbackfadens…

    Konkret könnte das so aussehen: Man nehme das Objekt „Videoaufzeichnung“ und docke dort sämtliche bekannten Feedbackarten an. Wirklich direkt, alles darf nur höchstens einen Mausklick entfernt sein, zwei Klicks sind schon zu viel! Da wären: Foren, Wikis, FAQs, Rot/Grün Buttons, Live-Chats mit Tutoren, Kommentare, sekundengenaue Fragemarkierungen, Online Sprechstunden mit Dozenten per Hangout etc. etc. Alles intuitiv bedienbar und mit Liebe programmiert. Auch Skripte, Übungsaufgaben usw. gehören hier hin. Aber alles nur einen Klick weit entfernt…

    Ihr kennt doch diese Schilder hinten an den LKWs: „Bin ich schlecht gefahren , dann rufen Sie mich an unter 0…“ Genau das brauchen wir für eine Vorlesung.

    => Ich splitte den Kommentar doch lieber in zweit Hälften auf, sonst wird er zu lang.

  25. => Der obige Kommentar geht hier weiter. Kämpft euch durch, denn ihr wisst ja, in jedem Kommentar steckt eine Perle, man muss Sie nur finden. 🙂

    Im Folgenden gehe ich von der Annahme aus, dass (tendenziell gleich gute) Lerneffekte auch dann eintreten, wenn man anderen zuschaut, wie Sie (Inter)agieren, Erklären, Diskutieren, Aufgaben lösen, Miteinander Spielen, Fehler machen, Emotional reagieren.

    @Lehrmethode

    Festes Thema. Fester Dozent. Kombiniert mit 100x verschiedenen Lehrmethoden. Alles auf Video aufzeichnen und Online stellen. Nutzung und Auswertung wäre deutschlandweit möglich. Das Thema sollte möglichst allgemein sein, etwas das jeder benötigt, z.B. Bruchrechnen, Kommasetzung, Vollständige Induktion oder Zeitformen Englisch.

    Dann könnte man nach Korrelationen zwischen Lehrmethode und Prüfungsnote suchen. Aber man kann sich auch einfach vom Feedback überraschen lassen, z.B. „Seit ich Bruchrechnen per Hörsaalspielvideo erklärt bekommen habe, hab ichs verstanden.“ oder „Nachdem ich die angeregte Diskussion im aktives Plenum über Bruchrechnen verfolgte, verstand ich Bruchrechnung.“ oder Schüler – Lehrer Dialog: „Herr Lehrer, durch Lehrmethodenvideo X habe ich Bruchrechnen endlich verstanden, können Sie diese Methode nicht auch mal im Unterricht einsetzen“ etc. etc.

    Anmerkung: Wie soll ich als Schüler/Student wissen, mit welcher der unzähligen pädagogischen Lehrmethoden ich gut lerne, wenn Sie mir nicht (in Aktion) präsentiert werden?

    Anmerkung: Vielleicht ergibt sich, dass diejenigen, die Hörsaalspielvideo X, Aktives Plenumsvideo Y oder MethodeBisherVielenUnbekanntvideo Z als Methode genutzt haben, im Durchschnitt bessere Noten schreiben. Das dürfte doch auf Studenten überzeugend wirken, diese Methoden in der Realität, an der eigenen Uni, nachzufragen?

    @Dozent/Buch

    Dieser Vorschlag ist getrennt vom vorherigen zu sehen. Er funktioniert auch, ohne selbst Videos erstellen zu müssen. Per Fragebogen könnte man nach Korrelationen zwischen Vorlesungsvideos (deutschlandweit) und Prüfungsnote (an der eigenen Uni) suchen. Hier könnte man beispielsweise einen eher unbekannten Dozenten aus Hintertupfingen finden, der aber offenbar Differentialrechnung so gut erklärt, das diejenigen, die seine Videos schauen, deutlich bessere Noten schreiben. Dann sieht man sich an, was der so anders macht, der Erklärbär. Und er gehört aufgenommen in eine „Vorlesungsempfehlungsliste“, da empirisch festgestellt wurde, mit diesem Dozenten lernt man (im Durchschnitt) besser. [Das war jetzt eine stark verkürzte Darstellung, zeigt aber die grobe Idee ganz gut an.]

    Das Gleiche funktioniert prinzipiell auch mit Lehrbüchern. [Einschub: Hat das noch nie jemand in nicht-digitalen Zeiten probiert?] Fragebogen verteilen, und darin Lehrbücher mit Prüfungsnote koppeln, um Korrelationen zu finden. Es kann natürlich sein das man nichts findet… Aber möglicherweise stellt sich heraus, das Studenten mit Lehrbuch X (langfristig und im Durchschnitt) bessere Noten schreiben, und mit der bisherigen Buchempfehlung Y eher schlechtere. [Auch das ist wieder eine stark verkürzte Darstellung, aber ich glaube man erkennt worauf ich hinaus will.]

    Im Prinzip möchte ich die Buchempfehlungen des Dozenten auf eine empirische Grundlage stellen. Ist es nicht fair gegenüber dem Studenten, ihm eine Buchempfehlung zu geben, die offenbar (langfristig und im Durchschnitt) zu besseren Noten führt (was ja stark darauf hindeutet, dass diese Bücher ein hohes „Erklärniveau“ haben). Natürlich kann man nicht das Studenten-Individuell beste Buch finden, aber wenigstens die Studenten-Durchschnittlich besten Bücher. Bisher sind Buchempfehlungen doch eher eine Bauchentscheidung des Dozenten („Dozentenlieblingsbücher“). Müsste nicht ein Wissenschaftler bei seinen Empfehlungen auch wissenschaftliche Methoden nutzen, bzw. müsste er (falls er es nicht kann oder will oder die Ermittlung zu aufwändig ist) nicht fairerweise dazusagen, liebe Leute, ich gebe euch zwar Buchempfehlungen, aber die sind eigentlich „unwissenschaftlich“ und beruhen eher auf „Gefällt mir“ und „Glaubt mir, das Buch ist wirklich gut, hat viele schöne Bilder und so…“?

    Danke das ihr so Tapfer bis hier unten durchgehalten habt 🙂

    Nur noch ein kleines Update zur Rot/Grün-Feedbackstatistik. YouTube könnte z.B. 1.000 inhaltlich ähnliche Videos zu Bruchrechnung, nach „Erklärniveau“ sortieren und die Spitzenreiter (stärker) an den Werbeeinnahmen (!) beteiligen. Ein Ansporn, um gut erklärende Unterrichte zu machen?

    Die punktuellen Problemstellen, „die roten Peaks“, können vom Dozenten gezielt verbessert werden. Eine Erweiterung, die auch sehr gut ist, aber mehr Nutzer-Impuls erfordert als nur eine Taste zu drücken (nennen wir es doch einfach Faulheit 😉 ) wäre, eine Frage sekundengenau direkt in das Video einzubetten. Daran (und noch mehr) arbeitet zum Beispiel das Unternehmen Ghostthinker mit der Software eduBreak und AnnotateMe. Würde dann in die Richtung @Feedbackverbesserungsregelkreis tendieren.

  26. dunkelmunkel sagt:

    Prinzipiell Zustimmung. Nur nochmal zum Vergleich der 100 Lehrmethoden: Ich verstehe deinen Punkt (man kann auch durch stellvertretende Erfahrung anderer, die man beobachtet, lernen). Nur: Wie doof ist es, sich ein Hörsaalspielvideo anzusehen? Oder eine Diskussion anzugucken? Und wie viel lebendiger ist es, teilzunehmen? Insofern: Man könnte verschiedene Präsentations- und Erklärmethoden vergleichen, aber Lehrmethoden wäre mir zu allgemein formuliert. Bzw: Bestimmte Methoden (nämlich diejenigen, die man nicht beobachtet, sondern an denen man live teilnimmt und die dadurch vielleicht erst ihre Qualität erhalten) kann man mit deiner Methode so nicht vergleichen.

  27. Moi sagt:

    Toller Beitrag, gefällt mir sehr. 🙂

    Ich denke, dass insbesondere mit dem Punkt „Prüfung“ ein Anfang gemacht werden kann. Denn aus meiner Erfahrung ändern Bildungssysteme ihre Strukturen bereitwilliger – wenn nicht gar ausschließlich -, wenn zuvor ein nachweisbarer Vorteil oder eine akute Angst (Stichwort Pisa) angeführt wird.

  28. Ein dreiviertel Jahr ist seit dem Beitrag vergangen und es ist Zeit für eine Zusammenfassung und Verdichtung der Kommentare, der Einwände, von Lob und Kritik – und einer Sahnehaube an neuen Ideen 😀

    https://plus.google.com/106110585362718948544/posts/gnchJTNbcQ3

  29. Kaum ist der Artikel fertig, schon sind mir drei neue Wünsche an den eWeihnachtsmann zum „Feedbackverbesserungsregelkreis“ (den ich gerne um eine Online Vorlesung herumbauen würde) eingefallen:

    1. Eine Auflistung wichtiger, ungeklärter Forschungsfragen des Fachgebietes. Stichpunktartig auf einen Blick sehen: Was sind die drängendsten Fragen des jeweiligen Fachgebietes.

    2. Ein Forschungsmaskottchen zu Studienbeginn – die (kleine) ganz persönliche Forschungsfrage.
    Jeder Student erhält zu Studienbeginn eine persönliche, individuelle, sehr kleine Forschungsfrage, die er ohne Zeitdruck beantworten kann (aber nicht muss) und an der er „trainieren“ kann und Fehler machen darf.

    3. Ein Aha-Effekt Tagebuch und ein späteres Amalgam aller Aha-Effekt Tagebücher. Jeder Student schreibt seine Aha-Effekte auf, also wieso er bestimmte Dinge auf einmal verstanden hat (und warum). Später fügen wir diese Tagebücher kollektiv zusammen und geben alle gefallenen Groschen gebündelt an die nächsten Generation (Online) weiter . (Eigentlich könnte man Lebenslang solch ein Aha-Effekt-Tagebuch führen, von 9 bis 99.) Denn es gibt sie, diese Momente wo man denkt, JA, jetzt habe ich es endlich verstanden. Wäre doch schade wenn diese (seltenen) Momente verloren sind in der Zeit. So wie Tränen im Regen.

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