Kortenkamp und Spannagel im Gespräch: Der Sinn und Unsinn von Vorlesungen

Veröffentlicht: Samstag, Juni 20, 2009 in Hochschuldidaktik, Kortenkamp und Spannagel

Ulrich KortenkampUlli Kortenkamp und ich haben nach dem Erfolg unseres Twitter-Gesprächs beschlossen, eine regelmäßige Rubrik in diesem Weblog einzuführen: Kortenkamp und Spannagel im Gespräch. Wir werden über ein bestimmtes Thema diskutieren und schließlich zur allgemeinen Diskussion in den Kommentaren einladen. Wie findet ihr die Idee? Hier ist auch gleich die neue Ausgabe von „Kortenkamp und Spannagel im Gespräch“: Der Sinn und Unsinn von Vorlesungen. Wir freuen uns auf eure Kommentare!

Christian_Tafel_2Christian:

Hi Ulli, in letzter Zeit beschäftige ich mich intensiv mit dem Konzept der „Vorlesung“. Kurz und knapp: Ich finde das Konzept total bescheuert. Selbst wenn sie gut gemacht sind. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass Studenten nicht folgen können, wegnicken, irgendetwas anderes machen. Und zu Hause kommen dann die Fragen – insbesondere in Vorbereitung auf Prüfungen.

Weshalb holt man 200 Leute in einem Raum zusammen, um ihnen was zu erzählen? Und zwar etwas, das sie auch selbst in einem Skript lesen können? Lesen kann jeder in seinem eigenen Tempo. Man kann einen Abschnitt nochmal lesen. Und nochmal. Und vielleicht nochmal. Den Dozenten kann man nicht beliebig zurückspulen – zumindest nicht so, dass es den Lerngeschwindigkeiten von 200 verschiedenen Studenten gerecht wird.

Weshalb diese unidirektionale 1:200 Beschallung? Sollte man nicht lieber die Situation nutzen, um 200 Gehirne gemeinsam Probleme lösen und Fragen beantworten zu lassen? Also: Vorher lesen die Studenten den Text, den man normalerweise an die Tafel gepinselt hätte, zu Hause. In der „Vorlesung“ wird dann gemeinsam über den Text gesprochen, es werden Fragen aufgeworfen und geklärt, und es wird gemeinsam an Aufgaben gearbeitet. Ich setze ein solches Konzept seit ein paar Wochen um, und ich finde es klappt ganz gut (außer in einem Fall) und macht zudem auch noch Spaß (!).

Also, provokante These: Traditionelle Vorlesungen sind vorsintflutliche Didaktik. Wir können heute anders. Was meinst du dazu?

Ulli:

Na danke – damit bin ich jetzt in der Situation, diese „vorsintflutliche Didaktik“ verteidigen zu müssen. 😉

Also vorab: Ich bin kein Fan von solchen traditionellen Vorlesungen, so wie du sie beschreibst. Ich bin aber auch kein Hardcore-Vorlesungsgegner. Und jetzt versuche ich mal herauszufinden, woran das liegt.

Kommen wir erst einmal zum „Vorlesen“. Klar, man darf davon ausgehen, dass Studierende selbst lesen können – aber sie können das, was ich ihnen „vorlese“, nur dann selbst lesen, wenn ich „ablese“. Und das habe ich noch nie gemacht, und auch noch von keinem Kollegen in der Mathematik gehört. Es gibt Vorlesungen, zu denen noch nicht einmal ein Manuskript existiert, das gab es auch schon früher, und wir können froh sein, dass manche so fleißig waren, diese dann mitzuschreiben, so dass später Bücher erscheinen konnten (mein Lieblingsbeispiel: Felix Klein, ein aktuelles Beispiel: die Vorlesung Geometriekalküle von Jürgen Richter-Gebert an der TU München).

Also, Vorlesungen können durchaus etwas Kreatives (im Sinne des Wortes) sein, bei dem jemand seine Gedanken in Worte fasst, ohne sie vorher niederzuschreiben.

Nicht in jedem schlummert aber das Genie des Felix Klein, es gibt also Vorlesungen, zu denen Schriftfassungen existieren, entweder von anderen, wenn der oder die Vorlesende sich auf Bücher verlässt, oder eigene. Im ersten Fall ist die wichtige Zutat die Auswahl, Ergänzung, Filterung der vorhandenen Literatur (die man nicht durch eine Empfehlung „Lesen Sie das dritte Kapitel, zweiter Abschnitt von diesem und jedes siebte Wort von jenem Buch“ ersetzen kann), im zweiten Fall kann man darauf hoffen, dass der gesprochene Vortrag zusätzliche Anekdoten, Informationen, Tipps enthält, die nicht im Buch stehen.

Aber nehmen wir jetzt mal den schlimmsten Fall des echten Vorlesens an. Ich habe schon Vorträge gehört, die abgelesen wurden – die waren nicht immer schlecht, und ich habe sie lieber gehört als gelesen. Ich lese meinen Kindern vor, auch denen, die schon lesen können, sie mögen das. Hörbücher sind der Renner, auch bei Personen, die gut lesen können. Kann es sein, dass die Aufnahme über die Ohren für manche besser ist, selbst wenn das Tempo fremdbestimmt ist? Ich denke ja. Ich selbst habe Vorlesungen im Studium genossen, weil ich darin sitzen konnte, selbst Notizen machen, über das Gehörte nachdenken, über was anderes nachdenken, und der „Audiostream“ lief weiter. Ich höre auch gerne Radio, und ich kriege dadurch sehr viel mit, was ich über den Lesekanal nicht aufnehmen kann oder will.

Vorlesungen sind eine andere Form der Wissensvermittlung, und ich möchte sie nicht missen.

Was kann man besser machen? Hier eine Antwort auf tuaw.com:

Brian Brooks, associate dean of the University of Missouri’s Journalism School, knows how his students learn. „Lectures are the worst possible learning format,“ he told Columbia Missourian. „There’s been some research done that shows if a student can hear that lecture a second time, they retain three times as much of that lecture.“

Aha! Also, mitschneiden, am besten samt Video von der Tafel/Beamer, und als Podcast ins Netz stellen!
Überzeugt?  Ulli

Christian:

Überzeugt? – Kein bisschen. 🙂

Zunächst zum „Ablesen“: Ich selbst habe natürlich auch nie abgelesen. Aber ich habe den Stoff deduktiv an der Tafel entwickelt – und dabei auch für zahlreiche einfache Sachverhalte Zeit „verschwendet“. Muss ich den Studenten wirklich erklären, was Teilbarkeit bedeutet? Muss ich ihnen erläutern, was Primzahlen sind, und wie das Sieb des Eratosthenes funktioniert? Summa summarum macht das 30 Minuten Erläuterungen, die wir für wertvolle Diskussionen hätten nutzen können. Studierende können sich diesen Stoff durchaus selbst erarbeiten, was ein Wert an sich ist. Ich möchte ja, dass sie lernen, sich eigenständig in mathematische Sachverhalte einzuarbeiten. Die wertvolle „Gruppenzeit“ können wir dann dazu nutzen, Fragen zu klären oder interessante Fragestellungen in dem Bereich zu diskutieren.

Vorlesungen, in denen nicht „gelesen“ (im Sinne von „vorgetragen“ wird), können dabei natürlich ebenso kreativ sein. Ich möchte sogar behaupten, dass mehr Freiraum für Kreativität besteht, und zwar nicht nur auf Seiten des Dozenten, sondern auch auf Seiten der Studierenden. Kreativität kannst du also nicht als Argument für klassische Vorlesungen ins Feld führen – wer Kreativität fördern will, sollte Vorträge durch intensive Diskussionen zu interessanten Problemstellungen ersetzen.

Zusätzliche Anekdoten, Informationen, Tipps – genau dafür ist in Vorlesungen, in denen Studierende sich den Stoff in Vorbereitung selbst erarbeitet haben, viel mehr Raum. In dieser Art der Vorlesung bleibt der Dozent ja schließlich nicht stumm. Stattdessen hat er viel mehr Zeit, solche persönlichen Färbungen einzubringen. Und wenn als Literatur ein Werk eines anderen Autors verwendet wird, haben die Studenten gleich die Sichtweise von zwei Experten erfahren.

Und schließlich zu deinem letzten Argument, dass auch abgelesene Vorträge sehr interessant sein können. Das ist natürlich richtig, obgleich ich dies ebenso nicht als Argument gelten lassen möchte – zumindest nicht für die Mathematik. Erstens gibt es meiner Erfahrung nach nur wenige begnadet-gute Vorleser, und ich würde mich nicht dazu zählen. Zum anderen: Was sind denn unsere Lehrziele in Mathematikveranstaltungen? Möchten wir, dass Studenten Erzähltes wiedergeben können? Oder möchten wir, dass sie lernen, Mathematik zu treiben? Ich sehe Prozesse wie Kommunizieren, Argumentieren und Problemlösen im Mittelpunkt meiner Lehre. Hierfür muss ich Zeit einräumen. Und diese Prozesse lernt man hauptsächlich nicht durch zuhören, sondern durch machen. Ich gebe den Studenten 90 Minuten Zeit zu diskutieren und ihre Meinung zu begründen. Stoffinput ist natürlich notwendig. Auch die Inhalte sind wichtig, nicht nur die Prozesse. Wenn ich aber den Stoffinput auslagere, dann fördere ich auch hier Prozesse, nämlich eher „methodische“: das eigenständige Einarbeiten in einen Fachtext, das Stellen von Fragen, die virtuelle Kommunikation (ich lasse Fragen, die während des Lesens aufkommen, gleich in einem virtuellen Forum diskutieren).

Selbst wenn es Übungen zu Vorlesungen gibt, in denen die Prozesse der Studierenden im Mittelpunkt stehen (wenn sie also richtig gemacht sind, also nicht vorlesungsartig, sondern teilnehmeraktivierend wie in SAiL-M), würde ich jederzeit die Vorlesung so gestalten wie ich es im Moment gerade mache. Der Grund: Ich möchte so viel wie möglich Zeit einräumen für gemeinsame Erfahrungen rund um mathematische Prozesse. Ich will, dass die Studenten lernen, mathematisch zu denken und zu handeln und sich eigenständig mit mathematischen Fragen auseinanderzusetzen – in jeder Minute.

Mitgeschnittene und als Podcast bereitgestellte Vorträge sind natürlich auch sehr gut als Vorbereitung und könnte ein Ersatz für den zu lesenden Text sein – und dann kann man sich wieder während der eigentlichen Vorlesungszeit den Prozessen widmen!

Überzeugt?

Ulli:

Nee, keineswegs 😉

Du schreibst etwas von „wertvoller Gruppenarbeit“. Blasphemisch gesagt: Meine Zeit als Dozent ist auch wertvoll (ich bin ja schließlich der Einzige, der dafür bezahlt wird, an der Veranstaltung teil zu nehmen). Wieso ist die Gruppenarbeit wertvoller? Ich erinnere mich an mein Studium, da gab es Gruppenzeiten, die fanden aber ohne Dozenten statt, wir haben uns (vor und nach den Vorlesungen, und wenn es sein musste auch nachts) gemeinsam die Köpfe zerbrochen, was denn „der da vorne“ von uns wollte. Du möchtest das rumdrehen — vorher einzeln lernen, in der „Vorlesungszeit“ gemeinsam diskutieren. Warum? Ist das wirklich besser? Wo bleibt die Zeit, in der man etwas erzählt bekommt? Ist die Sendung mit der Maus schlecht, weil ich mir das ja auch selbst zusammensuchen könnte, was ich da erzählt bekomme? Ich sehe auch nicht, dass Diskussionen die Kreativität des Dozenten eher fördern als — ganz krass gesagt — Monologe. Das hängt bestimmt von dem oder derjenigen ab, die erzählen, klar. Aber dass das ganze sowieso eine sehr individuelle Sache ist, darüber sind wir uns eh einig, oder?

Und auch bei deiner Erwiderung zu den „Ablesern“ kannst du mich nicht überzeugen. Da ist doch ein Fehlschluss: Natürlich möchte ich *nicht*, dass unsere Studierenden Erzähltes wiedergeben können… äh… doch, das möchte ich natürlich schon, es wäre schon mal eine gute Grundlage. Aber das meintest du ja auch nicht. Also – ich möchte *nicht*, dass unsere Studierenden *nur* Erzähltes wiedergeben können. Aber wo ist denn da die Kausalität? Können sie denn nur das replizieren, was sie selbst erleben? Kann man nicht jemandem erzählen, wie, sagen wir, Projektarbeit funktioniert, sondern muss man sie durchführen? Muss ich jemanden in den Rhein schmeißen, damit er weiß, dass das gefährlich ist? Das Reden und Vorlesen ist eine Kommunikationstechnik, die uns eigentlich davon befreit, alles selbst nachzuerleben. Und das muss weder schlecht noch langweilig noch ineffektiv sein. Nur kurz noch einmal der Hinweis, dass ich nicht sage, dass klassische Vorlesungen super und toll und prima sind. Und ich finde es auch nicht richtig, zu lehren, wie man in der Schule lehren kann, ohne die Erkenntnisse dann auch umzusetzen. Und es ist auch nicht gut, sklavisch jede Woche 1,5 Stunden in der 1:n-Situation zu „belehren“, da sind wir uns einig. Aber ich sehe auch Vorteile, und zwar mehr, als ich vorher dachte… insbesondere dann, wenn man Vorlesungen mit anderen Lehr/Lernformen kombiniert (Tutorien, Exkursionen, Projektarbeit, …), können sie richtig sinnvoll sein. Wir kommen da also nicht weiter. Was meinen denn die Leserinnen und Leser? Wir freuen uns auf Kommentare!!

Überzeugt uns!

Ulli

Kommentare
  1. mosworld sagt:

    Das ist ein ePaper und kein Blogbeitrag 🙂 Für Blogs sollte es eine 1400 Wörtergrenze geben. werde es morgen lesen, jetzt ist er einfach zuuuuu lang. Gute Nacht

  2. jeanpol sagt:

    In den Geisteswissenschaften zählt oft jedes Wort und jeder Satz muss so lauten und nicht anders. Es gibt Passagen aus meinen „Vorträgen“, die muss ich ablesen. Ich habe oft versucht, dies zu vermeiden und frei zu sprechen, aber die entsprechenden Passagen wurden dadurch verändert und hatten nicht mehr die beabsichtigte Wirkung. Wichtig ist natürlich, dass man sich von seiner Vorlage immer wieder löst, aber beim nur Freisprechen kann in den Geisteswissenschaften die Qualität des Textes vermindert werden, es gibt dann viele ähs und mmhs und der Inhalte verliert an Dichte.

  3. Spannender Dialog! Allerdings denke ich nicht, dass es <i>eine</i> Patentlösung für das Format „Wissensvermittlung an Studenten in 90 Minuten“ gibt, und daraus ergibt sich mein Standpunkt, dass die Wissensvermittlung auf das Thema, die Vorkenntnisse der Studenten, die Anzahl der Studenten und einiges mehr &mdash; global optimiert &mdash; zugeschnitten werden sollte.

    Das bedeutet natürlich, dass es nicht immer eine „klassische Vorlesung“ im Sinne von one-to-many oder gar Vorlesen sein sollte, es bedeutet aber gleichfalls, dass dieses Format unter bestimmten Bedingungen durchaus nützlich sein kann, und sei es nur als Kontrast zu anderen Methoden.

    Da Ihr ja beide Pädagogen ausbildet, ist es besonders wichtig, dass diese ein Gefühl (vielleicht sogar mit theoretisch untermalt) dafür bekommen, welche Art der Wissensvermittlung am besten oder auch m schlechtesten zu den den oben beschriebenen Rahmenbedingungen passt.

    Generell sinvoll erscheint es mir freilich, wie Ihr schon angedeutet habt, Inhalte (und gegebenenfalls Präsentationsformen) zusätzlich ausserhalb der Lehrveranstaltung (vor allem zeitlich, aber auch örtlich) anbieten zu können. Daher an dieser Stelle ein Hinweis auf zwei Projekte, die dieses unterstützen: the world lecture project (wlp) sammelt Online-Vorlesungen und -Vorträge aus der ganzen Welt (gegenwärtig „2521 lectures from 72 countries in 12 languages“), während Eduzendium es erlaubt, Hausaufgaben oder Semesterarbeiten in Form von Wiki-Artikeln (in Citizendium, derzeit nur auf Englisch) anzufertigen. So erhalten diese Arbeiten, die ja oft nur „für den Lehrer“ geschrieben werden, die Option zum Weiterleben und zur Interaktion mit anderen (z.B. mit Studenten und Dozenten einer ähnlichen englischsprachigen Lehrveranstaltung).

  4. Warum gibt’s hier eigentlich keine Option zum „Preview“?

  5. @Jean-Pol: „die entsprechenden Passagen“ könnte man ja visualisieren (ggf. animiert), um die beabsichtigte Wirkung zu erreichen.

  6. numberfivealive sagt:

    Ich habe während meines Studiums Vorlesungen sehr geschätzt, besonders, wenn es um mich nicht hochgeradig interessierende Inhalte ging. Hier ist der „audiostream“ erträglicher als selbst lesen zu müssen. Die Qualität des Vortrags (abgelesen o. vorgetragen) scheint hier sekundär.
    Bei interessanten Vorlesungen habe ich es oft bedauert, dass keine Zeit für Fragen und Diskussionen eingeräumt wurde, dass ich nicht verifizieren konnte, ob ich das, was ich meinte verstanden zu haben, wirklich verstanden hatte.
    Das script vorher lesen zu lassen um dann direkt in Diskussion und Projektarbeit einsteigen zu können, klingt plausibel, aber dies realisiert sich doch in allen anderen Lehr-/Lernformen bereits.
    Das passive Konsumieren, Aufnehmen von Stoff ohne Verpflichtung zum direkten feedback in einer entspannten Lernatmosphäre vermindert den Leistungsdruck, vermittelt Grundlagenwissen und unterstützt alle anderen Lehr-/Lernformen.

  7. cspannagel sagt:

    Vielen Dank für die vielen Kommentare!

    @jeanpol Wenn jeder Satz sitzen muss, dann würde ich in der Tat einen Text schreiben und ihn zum Lesen austeilen. Weshalb sollte man ihn Studierenden vorlesen? Und: Muss wirklich jedes Wort und jeder Satz sitzen? Ich bin kein Geisteswissenschaftler, aber mir kommt es so vor, als würde man auch ein wenig in komplexe Formulierungen verliebt sein. Kann man die Sachverhalte nicht klar und deutlich einfach sagen?

    @Daniel Klar, vollkommen richtig: Methodenvielfalt. Aber die gibt es in der Regel in Vorlesungen nicht. Ich halte selbstverständlich Vorträge nicht generell für schlecht, und es gibt Situationen, in denen ist ein Vortrag angemessen. Was mich stört, ist die frontale Monokultur, die in Vorlesungen etabliert ist: Jede Woche 90 Minuten Vortrag und kaum Gelegenheit für Fragen.

    @Daniel Zur Preview-Funktion: Da musst du wordpress.com fragen. 🙂

    @numberfivealive „Das passive Konsumieren, Aufnehmen von Stoff ohne Verpflichtung zum direkten feedback in einer entspannten Lernatmosphäre vermindert den Leistungsdruck, vermittelt Grundlagenwissen und unterstützt alle anderen Lehr-/Lernformen.“ Genau. Und dann sitzen die Leute in der Mathematikklausur und können die Aufgaben nicht lösen. Sie haben zwar alles „mal gehört“, aber nicht durchdacht. Ich weiß nicht, ob Mathematik hier ein extremer Fall ist, aber unter prozessorientierten Gesichtspunkten (also dass die Studierenden lernen sollten, so zu denken und zu arbeiten wie die entsprechenden Fachwissenschaftler), erscheint mir bloßes Zuhören in jeder Disziplin nicht ausreichend zu sein.

  8. numberfivealive sagt:

    „Konsumieren“ kann natürlich im negativen Fall bedeuten, dass die aufgenommene Information nicht kritisch reflektiert wird. Aber es liegt doch in der Hand des Vortragenden, eigene Denkansätze offen zu legen, auf mögliche Knackpunkte in einer Theorie hinzuweisen, ohne fertige Lösungen anzubieten und so einen Relexionsprozess in Gang zu setzen. Wenn ich erreichen möchte, „dass die Studierenden lernen (…), so zu denken und zu arbeiten wie die entsprechenden Fachwissenschaftler „, wäre es da nicht sinnvoll ihnen Einblick in meine Herangehensweise zu geben?
    Ich sehe dies aus der Perspektive des Geisteswissenschaftlers, ob dies in der Mathematik möglich ist, kann ich nicht abschätzen.
    „Kaum Gelegenheit für Fragen“ – ja, das ist ein Kritikpunkt, den ich ja auch angesprochen habe. Das hieße, Vortragsstruktur ändern, öffnen, ohne die Lehr-/Lernform grundsätzlich aufzugeben.

  9. A propos Monokultur bei Vortraegen – wenn eine Reihe von Vorträgen zeitversetzt verfügbar sind, kann man sich ja für die „Vorlesung“ ein Potpourri draus basteln und mit anderen didaktischen Ansätzen verbinden.

  10. @Spannagel
    „Kann man die Sachverhalte nicht klar und deutlich einfach sagen?“
    – Manchmal muss man einen Sachverhalt beschreiben, in allen Details. Wenn ich dich beschreiben müsste, beispielsweise, wäre mir vielleicht jede Nuance von Bedeutung, und da kann ich mich nicht auf eine Folie beziehen oder auf meine Spontaneität verlassen. Schilderungen und Landschaftsbeschreibungen gehören auch dazu.

  11. medpaed sagt:

    Ihr wolltet wissen, wie ein solcher Dialog ankommt: Gut! Noch besser wäre das jetzt als Audio :-), weil es wirklich lang zu lesen ist. Meine Erfahrungen zu Vorlesungen: Ganz schlimm ist es, wenn es die Zuhörer nicht interessiert, wenn sie z.B. eigentlich nur Kommunikationswissenschaft studieren wollen und sich dann etwas über bildungswissenschaftliche Themen anhören müssen. Das ist ja bei euch anders. Da kann man sich dann quasi ein Bein ausreißen, das nutzt dann alles nichts. Ich versuche es daher im Winter mit einem Podcast (in Dialogform!) plus tutoriell begleitete Textlektlüre. Kann sein, dass auch das nicht erfolgreich ist – ich werde berichten. 🙂

    Gabi

  12. Zur Schilderungen von Sachverhalten oder Landschaften: Bilder sagen oft mehr als Worte, und Videos lassen sich mittlerweile automatisch aus Bild- und Tonmaterial generieren. Beispiel hier.

  13. Noch mal zum „Audiostreaming“: Genau das finde ich ja auch, manchmal ist das einfache Hören eine wunderbare Möglichkeit. Und ich erinnere mich – gerade in Mathematik! – an viele hochkomplexe Sachverhalte, die ich vergeblich versucht habe durch lesen zu verstehen, und die ich dann beim Hören begriffen habe. Auch das beiläufige Hören ist für mich ein wichtiger Input-Kanal. Und wenn ich allein etwas lese, dann ist das überhaupt keine Garantie, dass ich es mehr durchdenke, als wenn ich es gemeinsam mit anderen mache.

    Ich habe auch kein Problem damit, wenn in einer Unterrichtsstunde mal etwas vorgelesen wird.

    Wir sind mal wieder an der Stelle wo deutlich wird, dass die Funktion der gewählten Methode durchdacht sein muss. Wenn ich eine Vorlesung mache, dann sollte ich mir vorher überlegen, ob es für das, was ich erreichen möchte, der richtige Weg ist. Das hängt vom Inhalt, von meiner Tagesform, den Studierenden, den Veranstaltungen davor und danach, den technischen Rahmenbedingungen, … und vom Wetter ab. Und bewusst entscheiden reicht nicht – man muss dann auch danach dazu bereit sein, das, was man getan hat, zu reflektieren und daraus für das nächste Mal zu lernen.

  14. Anna sagt:

    Ich bin im Studium gerne in gute Vorlesungen gegangen. Allerdings war es oft schwer die Aufmerksamkeit ganze 90 Minuten aufrecht zu erhalten. Da war es sehr schön, wenn die Dozierenden gelegentlich Fragen ins Publikum stellten (selbst wenn sie keinen antworten ließen), denn dies bot Anlaß wieder aus dem Tagtraum aufzuwachen und mitzudenken. Noch schöner war es, kleine Mit-Denk-Aufgaben zu bekommen, die mit den Sitznachbarn gelöst werden durften, um die Ergebnisse 3 Minuten später vorne am Projektor zu sammeln.

    Reine monoton, abgelesene Vorlesungen oder auch Vorträge, die perfekt inkl. 3-fach verschachtelter Nebensätze ausformuliert sind und auswendig vorgetragen werden, kann ich bis heute nur mit allerhöchster Konzentration verfolgen und mag sie nicht. Dagegen genieße ich es, wenn jemand gut Reden kann. Ein Vortrag kann auch einen Spannungsbogen enthalten. Wenn ich z.B. die Begeisterung oder das Engagement einer Rednerin sehen und hören kann, dann reist mich das manchmal sogar bei Themen mit, die ich vorher langweilig fand.

    Bei Lernstoff hilft das Hören, wie der Experte etwas formuliert zudem, nochmal einen anderen Zugang zu einem Lerninhalt zu bekommen.

    Bei komplexen mathematischen Themen habe ich meist jedoch schnell den Faden verloren. Da hätte ich mir wirklich gewünscht, einen Beweis im Nachhinein nochmal ansehen zu können. Heute gibt es die Möglichkeit, Vorlesungen einfach aufzuzeichnen, sodass Studierende später „zurückspulen und wiederholen“ können. Das halte ich für sehr sinnvoll.

    Vorlesungen können unterschiedlich gut gemacht sein und die Qualität hängt sehr stark von der vortragenden Person ab. Ich wünsche mir nicht, dass dieses Format abgeschafft wird, aber das die Dozierenden eine Ausbildung für gute Vorlesungen erhalten, die zum Mitdenken und Weiterlernen anregen und die Lernenden nicht einschläfern. Zusätzlich ist ein Angebot von ergänzenden, interaktiven Übungen, Seminaren, Praktika, etc. unersetzlich…

  15. […] Zu den Kommentaren In CSpannagels Blog gibt es gerade eine spannende Diskussion über den Sinn und Unsinn von Vorlesungen, in die ich mich auch gerade eingemischt […]

  16. apanat sagt:

    Zwei Möglichkeiten, wo Vorlesungen besser sind als aktives Plenum:
    1. Der Vortragende führt – gut vorbereitet – vor, wie er Lösungen entwickelt. In Mathematik wäre das also nicht rechnen, beweisen o.ä., sondern die Gedankengänge auf dem Weg zum Modellieren. (In Geschichte habe ich so eine ausgezeichnete Vorlesung zur Quellenarbeit erlebt.)

    2. Eine Romantikvorlesung vor dem Forschungssemester des meisterhaft Vortragenden schloss, wie folgt „Er präsentiert und schultert. Ich wollt, er schösse mich tot.“ Leben Sie wohl!

    Das merkt man sich 40 Jahre lang. Das erreicht man nicht mit aktivem Plenum.

  17. cspannagel sagt:

    @Daniel Die Idee mit dem Potpourri finde ich witzig!

    @Gabi Bei uns ist es oft auch so – ich habe einige Semester lang die Veranstaltung „Einführung in die Mathematikdidaktik“ gehalten. Da saßen 300 Studierende drin, die Mathematik nicht studieren, aber mindestens ein Semester Mathematik belegen müssen. Die waren vielleicht motiviert! 😉 Die Idee mit dem Podcast plus Textlektüre finde ich sehr interessant. Du musst unbedingt bloggen, wie es klappt!

    @Ulli „Wir sind mal wieder an der Stelle wo deutlich wird, dass die Funktion der gewählten Methode durchdacht sein muss. “ – Genau darauf kommt es mir an! Vorträge in Vorlesungen sind natürlich dann in Ordnung, wenn sie zur Situation, zum Inhalt, … passen. Aber welcher Dozent macht denn eine methodische Analyse zu seiner Vorlesung? Die Methode „steht ja fest“. Und genau das muss sich ändern.

    @Anna „Zusätzlich ist ein Angebot von ergänzenden, interaktiven Übungen, Seminaren, Praktika, etc. unersetzlich…“ Ja – leider ist das in der Studienordnung nicht immer vorgesehen (zum Beispiel bei meinen aktuellen Vorlesungen)

    @apanat und @numberfivealive Ja, vollkommen richtig: Auch in der Mathematik ist es wertvoll, wenn der Dozent einen Gedankengang „externalisiert“ und erläutert, wie er vorgeht (Bandura: Lernen am Modell; auch wichtig im Cognitive Apprenticeship). Ich würde sogar sagen: Das ist ganz wichtig. Das hilft aber nur, wenn die Studierenden das mit eigenen Denk- und Arbeitserfahrungen, die sie vorher gemacht haben oder danach machen werden, verknüpfen können. Beispiel: Bei vollständiger Induktion muss meiner Ansicht nach der Dozent mindestens einmal vollständig vorgeführt haben, wie er vorgeht und denkt. Die Studierenden sollten sich aber zuvor einmal „ergebnislos“ mit der Beweisaufgabe beschäftigt haben, um zu erkennen, wie wertvoll vollständige Induktion ist, bzw. sie sollten danach die Möglichkeit haben, diese Denkweise an neuen Problemen selbst nachzuvollziehen. Also: Vortrag als Phase in Vorlesungen ja (z.B. zum Demonstrieren von Expertenvorgehen), aber bitte nicht ausschließlich.

  18. cspannagel sagt:

    Vorträge ja, aber nicht ausschließlich: Das habe ich übrigens mal gebloggt:

    Der Vortrag ist tot. Es lebe der Vortrag!

  19. Joachim Wedekind sagt:

    Die Kopplung von Aufzeichnungen (z.B. als Pocasts oder auch als WBTs) mit Diskussionsrunden dazu wurde ja schon mehrfach entwickelt und erprobt. Z.B. Morisse in Osnabrück, Weber in Freiburg). Ich glaube allerdings, dass es fachspezifische Unterschiede geben kann.

    Ich finde Sinn und Unsinn von Vorlesungen (V. könnte auch durch andere Veranstaltungsformen ersetzt werden) ist keine zielführende Frage. Eher, wenn es die Notwendigkeit gibt, bestimmte Inhalte in definiertem Zeitraum zu vermitteln, wie ist das zu machen, wie kann Verständnis erreicht werden, wie Motivation aufrecht erhalten werden?

  20. cspannagel sagt:

    @Joachim Bin vollkommen einverstanden! 🙂

  21. cspannagel sagt:

    @Joachim Vielen herzlichen Dank für den Link!!

  22. Da wir gerade bei Link- und Literaturtipps sind: Ein Klassiker, der zum Thema passt:

    Kurzbeschreibung
    „Kurzbeschreibung
    Die Vorlesung ist trotz gelegentlicher Anfeindungen immer noch die gebräuchlichste akademische Lehrform. Sie erscheint den meisten Lehrenden so selbstverständlich, dass über ihre Gestaltung selten nachgedacht wird. Kritisch äußert man sich in der Diskussion über den Lehrvortrag: Vorlesungen seien schlecht gegliedert, würden unzulänglich vorgetragen, dienten nur der Selbstdarstellung der Professoren. Mit dieser Meinung räumt der Autor auf. Er geht von mehrjährigen Befragungen seiner Studenten und von eigenen Studien in Hörsälen aus und begreift Vorlesungen als rhetorisch zu gestaltende Lehr-und Lern-Situationen, in denen Studenten grundlegende Einblicke in die Wissenschaft gewinnen können – wenn nur gekonnt vorgetragen wird. Um Vortragskompetenz anzuregen, zeigt der Autor, welche Mängel die unzulängliche und welche Vorzüge die anregend-anspruchsvolle Vorlesung aufweist. Dabei wird klar, daß der alte Spruch „Wer gut gliedert, lehrt gut“ noch nicht ausreicht. Der akademische Lehrvortrag lässt sich rhetorisch verfeinern. Hierzu liefert der Autor zahlreiche Anregungen und anschauliche Beispiele.“ Quelle: amazon

  23. @Mandy Danke für den Tipp – ich hab’s mal bestellt 🙂

  24. cspannagel sagt:

    @Mandy Auch von mir ein herzliches Dankeschön für den Tipp!

    @Ulli Ich habs mir auch bestellt. 🙂

    @Mandy Danke auch nochmals für den Kommentar. Er hat mir nochmal heute morgen einen richtigen Denkanstoß gegeben. Gute Vorträge haben natürlich in bestimmten Situationen ihre Berechtigung (wie z.B. numberfivealive und Joachim hier auch argumentiert haben). Wenn man aber eine prozessorientierte Position einnimmt, dann ist eine Vortrags-Monokultur nicht berechtigt. Das muss ich noch weiter ausformulieren. Das heißt, das ist einen eigenen Weblog-Beitrag wert. Vielen Dank!

  25. Frauke sagt:

    Gerade in der Mathematik habe ich Vorlesungen sehr geschätzt, weil nämlich das Tempo ein ganz anderes ist als in Büchern und man auch die Entwicklung des Gedankens sehen kann (wenn die Vorlesung gut ist), dazu gibt es auch einen netten Artikel:

    Klicke, um auf Lecture.pdf zuzugreifen

  26. Vorgelesene Vorlesungen sind für mich ein Grund Zuhause zu bleiben, wenn keine Anwesenheitspflicht besteht. Das gibt mir jederzeit den Vorteil des selbstbestimmten Lernens und der freien Zeiteinteilung. Die strukturellen Bedingungen der PH als Beispiel lassen wenig Freiraum für die eigenen Bedürfnisse und Interessen. Lesen kann ich fast überall. In Vorlesungen lerne ich so gut wie nichts. So schnell wie die Auffassungsgabe mir die Aha-Effekte präsentiert, genauso schnell habe ich die Inhalte hinterher wieder vergessen und werden von anderen Dingen abgelöst. Deshalb finde ich das aktive Plenum von Christian sehr gut, denn es treibt die kollektive Wissenskonstruktion voran und klärt die Dinge, die ich sonst mit Sekundärliteratur nacharbeiten müsste. Selbsterfahren und gemeinsam konstruiert bleibt eben länger im Gedächtnis.

  27. cspannagel sagt:

    @Frauke Vielen herzlichen Dank für den Link! Und: Kann es sein (ich kenn dich ja nicht), dass du recht gut in Mathe bist?

    @Melanie Ob es tatsächlich länger im Gedächtnis bleibt, weiß ich nicht. Für mich besteht der Wert in der gemeinsamen Konstruktion selbst und den damit verbundenen Kompetenzen wie Argumentieren und Begründen, Kommunizieren, …

  28. Uli sagt:

    Hallo zusammen,

    ein Beitrag in der Zeit im Kontext von „Vorlesung“:

    http://www.zeit.de/online/2009/28/ted-uni-muenster

    Beste Grüße!

  29. Ein Student sagt:

    Ein langer Text, ich weiß, aber kürzer gings nicht 😉
    Ich habe aufmerksam eure Diskussionen gelesen und finde sie sehr interessant. Dabei kann ich beide Seiten gut verstehen und die Argumente nachvollziehen, denn ich habe auch viele klassische (auch gute) Vorlesungen besucht. Nun möchte ich an dieser Stelle aber meine eigenen Erfahrungen einbringen, denn ich durfte/darf die Vorlesung von Herrn Spannagel selbst erleben.
    Sicher gibt es gute Vorlesungen, die interessant gelesen werden und in denen die Studenten auch 90min aufmerksam folgen können. Diese habe ich aber bisher sehr selten erlebt. Die Situation des Faches Mathematik in HD war/ist sehr bescheiden. Schlechte Vorlesungen, in deren Verlauf in der Regel die Hälfte der Studenten vor Ablauf der 90min geht, extrem hohe Durchfallquoten und daraus resultierend sehr frustrierte Studenten..
    Seit diesem Semester liest Herr Spannagel die Mathematik-Didaktik Vorlesung an unserer Hochschule.
    Es ist schwer zu beschreiben, wie Herr Spannagel eine Vorlesung hält, denn um zu verstehen, was in den Vorlesungen passiert, muss man sie live erlebt haben. Unter uns Studenten diskutieren wir darüber ständig, denn es ist in diesem Semester aus unserer Sicht einiges passiert.

    Die Frustration in den vergangenen Semestern war schon so hoch, dass es schwer fiel, das Mathematik-Praktikum anzutreten, da man sich aufgrund der Erfahrungen nur noch schwer mit dem Fach identifizieren konnte. Das hat sich geändert. Plötzlich wurden wir gefragt, was wir gut finden, was wir ändern wollen und wie die Vorlesung effektiver werden könnte. So wurden wir aktiv in die Vorlesung miteinbezogen. In den Vorlesungen werden Probleme besprochen, diskutiert und geklärt. Herr Spannagel greift hier moderierend ein und „hält uns auf dem richtigen Weg“. Wie gesagt, das ist schwer zu beschreiben, aber das Entscheidende, was es bewirkt, ist eine enorm hohe Eigenmotivation bei uns Studenten. Die Vorlesungen machen uns Spaß und es bereitet sich auch der Großteil der Studenten auf die Vorlesung vor. Fragen Sie mal in einer normalen Vorlesung, wie viel Prozent wirklich einen Text gelesen haben 😉 Wir lesen die Texte und alles was nicht verstanden wird, klären wir gemeinsam. Die Zeit des (Vor-)lesens wird aus der Vorlesung extrahiert und es wird so wertvolle Zeit gewonnen.

    Durch die produktiven Diskussionen vergeht die Zeit wie im Flug und es ist meist schade, dass nicht mehr Zeit vorhanden ist. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltiges und effektives Lernen ist, das man sich selbst mit dem Fach/Stoff identifizieren kann. Wenn bspw. ein Schüler aufgrund der Noten, des Lehrers usw. schlechte Erfahrungen mit einem Fach gemacht hat, baut er eine innere Blockade auf (für den Herrn X lern ich nicht!) und es wird schwer sich aus dieser zu befreien. Hat ein Schüler über längere Zeit schlechte Noten geschrieben, geht er mit der Angst vor schlechten Noten in die nächste Klassenarbeit hinein. Jeder kennt aus der eigenen Schulzeit die Abneigung, die man gegen ein Fach nachhaltig entwickelt, „nur“ weil man einen schlimmen Lehrer hatte. Guten Schülern hingegen fällt das Lernen leichter, denn sie hatten noch keine schlechten Erfahrungen.

    Auf die Lehrerausbildung übertragen ist es fatal, wenn diese Blockaden bei Studenten entstehen. Umso faszinierender ist es wie motivierend die Vorlesungen sind und wie Herr Spannagel es geschafft hat auch in uns „frustrierten Studenten“ wieder ein Feuer zu entzünden.
    Ich bin wirklich begeistert von den Ansätzen und Ideen und werde diese auch in meinem späteren Lehrberuf versuchen umzusetzen.

    Dies soll keine Lobeshymne auf Herrn Spannagel oder der Versuch sein, Punkte zu sammeln.. aus diesem Grund habe ich auch meinen Namen im Blog nicht ausgeschrieben. Dies ist auch keine Meinung von mir alleine. Wir haben in einer größeren Gruppe ausführlich über das Thema gesprochen und wir sind alle begeistert. Ich denke hier passiert etwas, denn es ist eine ganz neue Art von Vorlesung (und zu unterrichten!).

    Ich habe selten eine derart gute Veranstaltung besucht und habe auch selten soviel an Wissen und Erkenntnissen mitnehmen können. Ich kann nur jedem Empfehlen jede Gelegenheit zu nutzen LDL kennenzulernen.

    Mfg
    d.s.

  30. cspannagel sagt:

    Vielen herzlichen Dank für diesen ausführlichen Kommentar! Natürlich freut es mich außerordentlich, dass Ihnen das Vorlesungskonzept so gut gefällt! (Auch wenn ich das Gefühl habe, dass es noch lange nicht „gut“ ist, weil es doch zahlreiche Dinge gibt, die mir noch nicht gefallen).

    Besonders gut gefällt mir dieser Teil: „… (und zu unterrichten!).“ Später, wenn Sie an der Schule sind, müssen Sie genauso versuchen, sich von herkömmlichen Konzepten zu lösen und einfach mal was Neues auszuprobieren! Wenn wir die Bildung verbessern wollen, dürfen wir auf die Politik nicht warten. Wir müssen selbst ran! 😉

  31. cspannagel sagt:

    Und @Uli: Danke für den Link!

  32. […] Kortenkamp und Spannagel im Gespräch: Der Sinn und Unsinn von Vorlesungen […]

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