Der öffentliche Wissenschaftler

Veröffentlicht: Sonntag, Mai 18, 2008 in OeffentlicherWissenschaftler, Research, Teaching, Uncategorized, Web 2.0

Viele Wissenschaftler sind im alten Paradigma sozialisiert. Kennzeichen des alten Paradigmas sind Profilierung, Egozentrik, Hierarchie, Misstrauen und Angst vor Irrtum (das klingt jetzt sehr negativ – es ist sicher eine Überzeichnung, aber die Tendenz stimmt). Offene Diskussionen bzgl. der eigenen Forschungs- und Lehrtätigkeit, vielleicht auch noch weltweit im Internet einsehbar, sind in der Regel nicht gewünscht. Dies zeigen beispielsweise auch die Diskussionen um die Plattform meinprof.de. Auf dem EduCamp haben wir in einer Sitzung mit Steffen Büffel über Nachwuchswissenschaftler und das alte bzw. neue Paradigma diskutiert – hier von Mo zusammengefasst.

Ich habe mich jetzt entschlossen, den Weg des öffentlichen Wissenschaftlers einzuschlagen. Inspiriert dazu wurde ich von unserer Arbeit in der Gruppe Neuron!, insbesondere von Jean-Pol Martin, der selbst sehr viel im Internet veröffentlicht und die vollkommene Offenheit bzgl. seiner Gedanken pflegt.

Ich habe zwei Wiki-Seiten angelegt, die momentan zwar noch Baustellencharakter haben, die sich in Zukunft aber weiterentwickeln und mit Inhalten und Diskussionen füllen werden. Die eine Seite beschreibt meine Philosophy of Teaching, die andere mein Forschungsprofil. Ich rege dazu an, ich fordere regelrecht dazu auf, dort zu kommentieren und mit mir in den Dialog über meine Lehr- und Forschungsaktivitäten zu treten. Bislang habe ich diesen Stil ja schon mehr oder weniger in meinem Weblog geführt. Durch die beiden neuen Bereiche möchte ich diese Vorgehensweise aber noch stärker forcieren und noch mehr Informationen im Netz der Diskussion übergeben.

Worüber schreibe ich dort?

  • Ich lege die didaktisch-methodischen Konzepte zu meinen Lehrveranstaltungen offen.
  • Ich reflektiere öffentlich meine Lehrerfahrungen.
  • Ich beschreibe meine Forschungstätigkeit und diskutiere neue Forschungsideen.

Ich möchte damit Kollegen und Studierende gleichermaßen erreichen. Diese Offenlegung kann dabei der engeren Verknüpfung von Forschung und Lehre dienen. Und natürlich dürfen auch alle andere mitdiskutieren. Insbesondere von Menschen, die nicht vom Fach sind, erhoffe ich mir wertvolle Anregungen. Dies hilft dabei, die eigene Forschungsarbeit zu „erden“.

Neben der Publikation fertiger Ergebnisse in Fachzeitschriften und auf Konferenzen erhoffe ich mir durch die öffentlichen Diskussionen insbesondere Anregungen in den frühen Phasen neuer Forschungs- und Lehrideen. Ich sehe dies als Möglichkeit, durch kollektive Wissenskonstruktion neue Ideenressourcen zu erschließen. Darauf freue ich mich sehr!

Kommentare
  1. „Viele Wissenschaftler sind im alten Paradigma sozialisiert. Kennzeichen des alten Paradigmas sind Profilierung, Egozentrik, Hierarchie, Misstrauen und Angst vor Irrtum…“

    Manchmal darf man ein wenig überspitzen, denn Du triffst damit ja durchaus eine anzutreffende Haltung, ein Charakterprofil vieler Wissenschaftler… und das stößt nicht nur bei Dir auf Skepsis und erzeugt Frust.

    Ich bedaure es selbst immer, wenn ich merke, daß Leute ihre Forschungsaktivitäten wie ein Geheimnis hüten… vielleicht bin ich ja naiv, aber ich halte Deine offene, transparente, dialogische Form für sympathischer und vielversprechender.

  2. […] @ 5:51 Tags: Didaktik, Wiki Viele Wissenschaftler sind im alten Paradigma sozialisiert, schreibt Christian Spannagel in seinem Blog. Er möchte einen anderen Weg gehen und hat zwei Wiki-Seiten angelegt, die er in Zukunft […]

  3. […] inzwischen Juniorprofessor am Institut für Mathematik und Informatik der PH Ludwigsburg, spricht mir aus dem Herzen: “Offene Diskussionen bzgl. der eigenen Forschungs- und Lehrtätigkeit, vielleicht auch […]

  4. Damit kann der „Wissenschaftler“ endlich seiner Aufgabe Rechenschaft abzulegen zufriedenstellender als bisher nachkommen.

    Das könnte sich jeder „Wissenschaftler“ zum Volrbild nehmen 😉

  5. […] (Junior Professor) hat heute in seinem Blog geschrieben, dass er etwas Neues machen wird. Er geht mit seiner Arbeit als Wissenschaftler und […]

  6. Bahnbrechend! Sollte man überall bekannt machen!

  7. Tamim sagt:

    Cool.

  8. Alexander Rausch sagt:

    Ein Wissenschaftler der Wissen schafft (…) und das noch öffentlich (…) transparent (…) und Feedback möchte (…) und bereit ist für Veränderungen (…). Willkommen im neuen Paradigma! Danke, auch im Namen unserer Kinder!

  9. Onur sagt:

    Wirklich ne tolle Sache
    Es ist vorteilhaft für beide Seiten. Für mich als Studenten ist es interessant mitzubekommen, wie eine Forschungstätigkeit aussehen kann (was denkt er, wie denkt er, was möchte er jetzt sagen…). Sie bekommen die Möglichkeit über das Diskussionsforum eine andere Sichtweise zu erlangen und somit ihre Forschung voranzubringen und unter anderen Aspekten zu betrachten.
    Daumen hoch

  10. […] 2008 von cspannagel Ich mache mir in letzter Zeit vertieft Gedanken darüber, welche Methoden öffentliche Wissenschaftler anwenden können. Gestern habe ich dazu etwas […]

  11. […] Mai 22, 2008 von cspannagel In Wisskomm TV 08-20 wurde mein Konzept des öffentlichen Wissenschaftlers aufgegriffen (gegen Ende des Videos). Ein sehr schöner […]

  12. […] 5, 2008 von cspannagel Ich habe mittlerweile zahlreiche Rückmeldungen zu meinem Entschluss, öffentlicher Wissenschaftler zu sein, bekommen. Ich hatte mit einigen Bedenken anderer Personen, insbesondere anderer […]

  13. […] der sich kürzlich öffentlich zum “öffentlichen Wissenschaftler” ernannt hat (und auch schonmal Kommentare in meinem Blog hinterlassen hat ), beantwortet hier einige […]

  14. espressodoppio sagt:

    Ein mutiger Schritt, Chapeau! Gleichzeitig ermutigt mich dies auf meinem Blog auch inhltlich zu werden und über den Inhalt meines Dissertationsprojekts zu schreiben.

  15. […] Menschen wie Christian Spannagel. Christian ist derjenige, der sich vor einigen Tagen als “öffentlicher Wissenschaftler” positioniert hat. Engagiert und offensiv propagiert er sein Konzept, das in schonungsloser […]

  16. […] mein Konzept des öffentlichen Wissenschaftlers möchte ich deutlich machen, dass ich jede Idee, jeden Beitrag, jede Kritik, jeden […]

  17. […] bin sehr stark an Ihrer Meinung zu meinen Lehrveranstaltungen interessiert. Als öffentlicher Wissenschaftler möchte ich dabei die Diskussion nicht im “Geheimen” führen, sondern öffentlich. […]

  18. Edgar sagt:

    Habe da ein Memorandum der Initiative Wissenschaft im Dialog von 1999 entdeckt worin sie Maßnahmen für „Public Understanding of Science“ wünschen. Der Wunsch scheint ja mit Blick auf die „öffentliche Wissenschaft“ in der Blogosphäre in Erfüllung gegangen zu sein 😉

    Memorandum „Dialog Wissenschaft und Gesellschaft“
    http://www.wissenschaft-im-dialog.de/wir-ueber-uns/memorandum.html#c478

  19. cspannagel sagt:

    @Edgar Vielen Dank für den tolle Tipp! Diese Initiative kannte ich noch nicht. Ich hab sie gleich mal als „Related Project“ in unseren frischgebackenen Wikiversity-Bereich eingetragen:
    http://en.wikiversity.org/wiki/Open_Scientist

  20. Edgar sagt:

    Gern geschehen! Vielleicht passen hier auch noch Ulrike Felts und Marc Scheloskes Gedanken zu „Scientific Citizenship“ bzw. „wissenschaftsmündiger Gesellschaft“

    Demokratisierung der Wissenschaftskommunikation durch wissenschaftliche Blogs » Wege in eine „wissenschaftsmündige“ Gesellschaft
    http://www.wissenswerkstatt.net/2008/03/14/demokratisierung-der-wissenschaftskommunikation-durch-wissenschaftliche-blogs-wege-in-eine-wissenschaftsmuendige-gesellschaft/

    „Scientific Citizenship“
    http://www.gegenworte.org/heft-11/felt-probe.html

  21. Edgar sagt:

    Die These vom „alten Paradigma“ in dem Lehrer und Dozenten sozialisiert wurden und die Forderung „Neuronen“ zu werden deckt sich meiner Meinung nach in weiten Teilen mit Helga Nowotnys und Michael Gibbons Unterscheidung von „Modus 1“ und „Modus 2“ Wissensproduktion:

    Wissensproduktion

    Gibbons et al . diagnostizierten 1994 eine neue Art der Wissensproduktion und nannten sie „Mode 2“. Mit „Mode 1“ bezeichneten sie das Newtonschen Modell der Wissensproduktion – die Summe an kognitiven und sozialen Normen, welche die Produktion und Diffusion von Wissen determinieren. Mode 1 wird als akademisch, disziplinär, homogen, hierarchisch und konservativ charakterisiert und entspricht dem, was man im allgemeinen unter Wissenschaft („Science“) versteht. Mode 2 hingegen ist anwendungsorientiert, transdisziplinär, heterogen und antihierarchisch. Interdisziplinäre, kurzfristig zusammengestellte, Forschungsteams arbeiten mit PraktikerInnen gemeinsam an einem speziellen Problem. Die Wissensproduktion wird reflexiver und gegenüber der Gesellschaft rechenschaftspflichtig.

    Gibbons M. et al. (1994): New Production of Knowledge: Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies. London.

    http://www.agendawissen.net/links_literatur.html

    Mode 2
    Theory of knowledge [co-] production

    http://en.wikipedia.org/wiki/Mode_2

  22. cspannagel sagt:

    Vielen herzlichen Dank für diesen GENIALEN Hinweis!

  23. Ja, wirklich interessant (besonders weil für uns bestätigend!;-)))

  24. Jens sagt:

    Ich will mich jetzt als unqualifizierter mal mutig zu Wort melden. Erstmal finde ich die Idee mehr als nur gut, sondern geradezu notwendig. Wissenschaft sollte nicht in einem Dunstkreis aus Feenstaub verschwinden, gerade wo heute viele Dinge schon fast an Feenstaub erinnern können.

    Vor etwas weniger als einem Jahr, war ich in Paris als Helfer auf einer Konferenz des internationalen Netzwerks der Wissenschaftsläden. Die Einstellung zu Wissenschaft, die dort vorherrschte, erinnert mich stark an den öffentlichen Wissenschaftler. Ich zitiere mal die Website des WiLa in Bonn:
    „Ziel unserer Wissenschaftler: neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu analysieren und zu bewerten, um sie dann für Sie verständlich und alltagsnah aufzubereiten.“
    Es geht also um Brücken schlagen zwischen Öffentlichkeit und Wissenschaft. Die Projekte, die auf der Konferenz besprochen wurden, waren äußerst vielfätig und gingen von klassischem community-based research, bis zu allgemeineren Fragen der Technologiepolitik.

    Ich weiß nicht wie bekannt diese Ansätze sind, aber unter dem Eindruck der doch recht großen Konferenz in Paris, denke ich, dass sich dort sehr viele Befürworter des Konzepts des öffentlichen Wissenschaftlers finden und vieles dort sogar schon praktiziert wird.

  25. cspannagel sagt:

    @Jens: Vielen Dank für den tollen Hinweis! Mir ist natürlich klar, dass wir hier nicht die ersten sind, die solche Ideen haben. Aber es ist schwer, rauszukriegen, wer noch ähnliche Wege einschlägt.

    Hast du noch Links?

    Ich habe diesen hier aus deiner Beschreibung rausgelesen:
    http://www.wilabonn.de/

    Gibt’s noch andere interessante Links?

  26. Jens sagt:

    @Christian
    Leider hab‘ ich in erster Linie nur noch den Link zum Internationalen Netzwerk der Wissenschaftsläden: http://www.scienceshops.org/
    Gibt noch nen Artikel bei Nature.com http://www.nature.com/nature/journal/v412/n6842/full/nj6842-04a0.html
    Sehr interessant fand ich auch die Projekte des Science Shops and der Queen’s University in Belfast: http://researchservices1.qub.ac.uk/Scishop/scisho/Scienceshop/
    Dort findet auch die nächste Living Knowledge Konferenz statt.

    Wirklich interessant finde ich die Idee des community-based research vor allem mit Blick auf die Entwicklung im Web 2.0. Das wäre ja tatsächlich Science 2.0, user-created science, oder zumindest user-driven science. So weit ich weiß, fehlt aber leider eine zentrale Anlaufstelle im Internet, abgesehen von scienceshops.org. Seit der Konferenz schwirrt mir immer die Vorstellung einer Art Digg für Forschung im Kopf herum. So viele Forschungsprojekte bleiben schlicht unentdeckt, selbst wenn sie eigentlich öffentlich sind. Man bräuchte eine zentrale Plattform, die sie leicht zugänglich macht. Das würde unter Umständen auch die Finanzierung einiger Projekte einfacher machen. Nun ja, ist nur ne unqualifizierte Idee 😉

  27. cspannagel sagt:

    @Jens Vielen Dank für die Links! Das Konzept des Science Shops ist mir vorher komplett unbekannt gewesen.

    Zur zentralen Anlaufstelle für community-based research: Evtl. könnten wir dies gemeinsam auf openscientists.org diskutieren? Diese Plattform ist zwar noch relativ frisch, aber vielleicht wäre sie geeignet um derartige Projekte anzudenken. Möchtest du vielleicht dort eine Diskussion dazu starten?

  28. […] Der offene Lehrer Mittwoch, Juli 16, 2008 Inspiriert von Cspannagels Konzept des öffentlichen Wissenschaftlers habe ich mich entschieden ähnliches für mich als angehenden Lehrer zu probieren. Dazu habe ich, […]

  29. […] übrigens das Buch von Gibbons et al., “The new production of knowledge”, auf das mich Edgar in einem Kommentar aufmerksam gemacht hat und das auch des öfteren in Faulstichs Buch erwähnt wird. Von diesem Buch […]

  30. […] Idee passt gut zum Konzept eines öffentlichen Wissenschaftlers, der seine Aufgabe auch in der Aufbereitung von wissenschaftlichen Informationen für eine […]

  31. Open Teaching: Concepts and Current Implementations -…….

    There is a tendency of more and more people from academia getting involved in blogging and thus provide valuable and interesting insights into their daily life as researchers. Christian Spannagel, assistant professor at PH Ludwigsburg, is an researcher…

  32. […] Einmal hilft es mir meine Ideen zu sortieren. Dann finde ich es wichtig das was in den Schulen passiert auch in die Öffentlichkeit zu tragen. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass das bloggen meinem Dissertationsprojekt helfen kann, indem ich Ideen schon mal in die Öffentlichkeit trage und zur Diskussion stelle. Mich fasziniert dabei die Idee des “Öffentlichen Wissenschaftlers“. […]

  33. […] Zusammenfassung der Diskussion – Chrisp’s virtual comments: Der öffentliche Wissenschaftler – Chrisp’s virtual comments: Kooperatives Schreiben – Chrisp’s virtual comments: Ein Plädoyer […]

  34. […] her ist. Warte mal, ich schau mal in meinem Weblog nach … ah ja … es war im Mai 2008, als ich den Entschluss fasste. Ich wurde inspiriert durch das erste EduCamp in Ilmenau, das mich sehr beeindruckt hat. Damals […]

  35. […] hin zum öffentlichen Wissenschaftlicher hat Christian Spannagel bereits vor vier Jahren einen sehr lesenswerten Blogbeitrag verfasst. Matthias Fromm zeigt in seinem Blogbeitrag verschiedene Aspekte offener Wissenschaft auf, […]

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